Weihnachtswarterei
Endlich stand Weihnachten vor der Tür. Lange hatte Katrin sich darauf gefreut Nicholas wieder zu sehen. Allerdings gab es noch einiges zu tun: Das Haus musste auf Vordermann gebracht und weihnachtlich geschmückt werden. Sie wusste nicht, wie viel Zeit er haben und ob er tatsächlich kommen würde, aber wenn er es tat, sollte alles weihnachtlich aussehen. Auch wenn sie Joulky nicht zu Weihnachten gesehen hatte konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie das Dorf nicht festlich dekorierten. Schließlich war es das Weihnachtsdorf. Ein Bisschen davon in ihr Haus zu bringen, war das Geringste das sie nach allem, was geschehen war tun konnte, damit Nicholas sich auch hier wohl fühlte. Sie hatte ihn und ihre Zeit in Joulky nicht vergessen, ein Teil von ihr befürchtete jedoch, dass er es getan hatte, um über die schrecklichen Ereignisse hinweg zu kommen, wenn er sie nicht sogar dafür verantwortlich machte. Immer wieder hatte sie im vergangenen Jahr Albträume vom Angriff des Krampus gehabt und immer wieder war es Nicholas, der sie vor dem Monstrum rettete, bevor sie schweißgebadet aufwachte. Wieder und wieder hatte sie sich gefragt, wie es ihm wohl ging und ärgerte sich darüber, dass sie nicht Telefonnummern getauscht hatten. Nicholas hatte so verloren gewirkt, als sie sich verabschiedet hatten. Ob er sich überhaupt noch an ihre Verabredung erinnerte? Ob er sie überhaupt wiedersehen wollte? Nein, daran durfte sie nicht denken, auch wenn es bedeutete, dass sie doch etwas Hoffnung in Carlos’ Worte legte. Sie konzentrierte sich einfach darauf, alles für seinen Besuch vorzubereiten.
Heute war Samstag und Katrin hatte schon am frühen Morgen ihre Weihnachtsschallplatten aus dem Schrank geholt und jetzt schallte Andy Williams‘ Stimme mit “The Most Wonderful Time Of The Year” durch die Räume. Gerade hatte Katrin das Wohnzimmer geputzt. Sie richtete sich auf und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus dem Kopftuch gelöst hatte, das sie immer zur Hausarbeit trug. Ein Blick zur Uhr verriet ihr, dass sie nur noch etwa eine Stunde Zeit hatte, bis sie mit ihrem Nachbarn Thomas verabredet war. Er hatte sich bereit erklärt sie zum Weihnachtsbaumkauf zu begleiten und ihr zu helfen den Baum aufzustellen. Katrin schüttete das Putzwasser in die Toilette und kehrte mit einer Kiste mit Weihnachtsdeko zurück ins Wohnzimmer.
Als sie sich schließlich mit Thomas auf dem Gehweg traf, leuchteten in allen Fenstern eine Lichterkette – auch um die Haustür herum hatte sie eine angebracht.
“Hallo Katrin. Und kann’s losgehen?”, begrüßte Thomas sie.
“Unbedingt!”, antwortete sie strahlend, worauf Thomas seinen Wagen aufschloss und die beiden sich auf den Weg machten.
Praktischerweise fuhr Thomas ein relativ großes Auto. Mit Katrins Kleinwagen hätten sie das Ungetüm von Baum, das sie sich aussuchte, vermutlich nicht einmal auf dem Dach transportieren können.
Nachdem der Baum verstaut war, lud Katrin Thomas zum Dank noch auf einen alkoholfreien Glühwein ein.
“Du bist wirklich sicher, dass der Baum in dein Wohnzimmer passt?”, fragte Thomas schmunzelnd. In Händen hielt er die dampfende Tasse und zog den Duft ein.
“Jaaa-ha! Wie oft willst du das noch fragen?”, entgegnete Katrin, verdrehte gespielt genervt die Augen und trank einen Schluck. Ja, er war größer als alle, die sie in den vergangenen Jahren zusammen hatte, aber dies war ja auch ein etwas anderes Weihnachtsfest. “Hast du schon einen Baum?”, wechselte sie das Thema.
“Ne, noch nicht. Aber meiner wird auch deutlich kleiner ausfallen. Ich werde ihn vermutlich am 23. auf dem Weg von der Arbeit irgendwo besorgen.”
“Dann gehörst du also zu denen, die einfach irgendeinen Baum nehmen?”, hakte Katrin nach.
“Vorher lohnt es sich aber einfach nicht, ich bin ja den ganzen Tag arbeiten. Außerdem… die hässlichen Bäume haben auch eine Chance verdient.”
Seine letzte Bemerkung ließ Katrin grinsen. Das war normalerweise auch ihr Gedanke beim Baumkauf, aber dieses Jahr wollte sie es einfach etwas festlicher haben.
Sie plauderten eine Weile weiter, bis sie ausgetrunken hatten und machten sich dann auf den Heimweg.
“Krass! Du stehst echt auf Weihnachten!”
Thomas hätte fast sein Ende vom Baum fallen lassen, als er das Wohnzimmer betrat, das seit heute Vormittag eher einem Winter-Weihnachts-Wunderland, denn einem normalen Wohnzimmer glich.
Katrin wurde leicht rot und nickte unverbindlich, sie konnte ihm ja schlecht sagen, dass sie für einen Santa dekoriert hatte. “Es ist einfach toll. Weihnachten ist die schönste Zeit im Jahr. Man kann wieder Kind sein und sich verzaubern lassen”, erklärte sie stattdessen und es war gar nicht mal gelogen.
Thomas schenkte ihr ein Lächeln und half ihr den Baum in den Ständer zu stellen. Während Katrin sich schon den Kerzen für den Baum widmete, nahm ihr Nachbar alles unter die Lupe. Es gab wirklich einiges zu entdecken. Unwillkürlich fragte Katrin sich, ob sie es vielleicht übertrieben hatte.
“Meinst du es ist zu viel?”, fragte sie verunsichert und hielt im Dekorieren inne.
“Nein. Mir gefällt es irgendwie. Du hast Recht… irgendwie magisch.”, entgegnete Thomas.
“Danke!”, strahle Katrin.
Thomas stand einen Moment etwas unschlüssig da und musterte Katrin aufmerksam.
“Ähm… ja… ich geh dann mal. War nett. Wenn du mal wieder Hilfe beim Baum schleppen brauchst, melde dich einfach”, meinte er schließlich und wandte sich um.
“Oh, ja. Danke! Ich bring dich noch zur Tür!” Katrin flitzte an ihm vorbei, um ihm die Tür zu öffnen und ihm noch kurz nachzuwinken.
Die letzten Tage vor Weihnachten verbrachte Katrin damit den Baum und noch ein paar Ecken ihres Hauses zu dekorieren – Nicholas sollte sich schließlich wohlfühlen – und einkaufen zu gehen. In ihrer Nervosität hatte sie sich auch extra ein neues Kleid zugelegt.
Endlich war Heiligabend gekommen. Gegen Mittag bereitete Katrin das Essen vor. Eigentlich hatte sie auch vorgehabt Kekse und Milch bereit zu stellen, aber irgendwie kam sie sich jetzt doch albern vor. Außerdem wusste sie ja, dass beides von den Wichteln beim Abholen der Briefe verzehrt wurde.
“Was mach ich denn jetzt?”, murmelte sie, die Packung Kekse in der Hand, vor sich hin. Ein Blick zur Uhr zeigte ihr, dass die Geschäfte noch etwa eine Dreiviertelstunde geöffnet hätten. Kurzentschlossen warf Katrin die Kekse auf die Anrichte in der Küche, schnappte ihren Autoschlüssel und ihre Jacke und verließ das Haus. Während sie zu ihrem Auto eilte zog sie die Jacke an und klemmte sich dann hinters Lenkrad. Zum Glück waren die meisten Leute scheinbar schon fertig mit ihren Weihnachtseinkäufen, sodass die Straßen leer waren und Katrin schnell vorankam.
Auf dem bereits menschenleeren Parkplatz stellte sie den Wagen ab und hastete in den Supermarkt. Noch 20 Minuten. Gut, sie konnte sich also etwas Zeit lassen. Katrin nahm am Eingang einen Korb und ging durch die Gänge. Der Laden sah schon ziemlich geplündert aus, was aber um diese Zeit nicht weiter verwunderlich war. Katrin suchte sowohl einen Rot- als auch einen Weißwein aus, Trauben und verschiedene Käse legte sie ebenfalls in den Korb. Dann ging sie zur Kasse. Sie wünschte der Kassiererin frohe Festtage und fuhr zurück nach Hause.
“Mist. Das hat meinen Zeitplan jetzt total durcheinander geworfen. Ich muss doch fertig sein, wenn Nicholas kommt…”, brabbelte sie vor sich hin während sie den Weißwein in den Kühlschrank legte und den Rotwein auf die Anrichte stellte.
“Mal sehen, was muss ich noch machen?”
Katrin hielt inne und lächelte.
“Okay, zuerst einmal muss ich mit den Selbstgesprächen aufhören und mich beruhigen. Ich bin doch kein Teenager mehr, ein Date sollte mich nicht so nervös machen, oder? Außerdem ist es ja auch gar kein Date. Nur zwei Leute, die sich gut verstehen und sich zu Weihnachten verabredet haben”, versuchte sie sich einzureden, merkte aber die Wärme auf ihren Wangen. ‘Allein, dass er dich hergebracht hat und dir seine Welt zeigt, um zu sehen, wie du darauf reagierst, sagt doch schon alles’, hallten Carlos’ Worte in ihrem Gedächtnis wieder und wenn er damit Recht hatte, dann war das hier genauso ein Date, wie Nicholas ein Santa war.
Schließlich schob Katrin den Gedanken beiseite und stattdessen den Braten in den Ofen und ging in der Zwischenzeit duschen. Das neue Kleid war tannengrün und glänzend. Eine ihrer silbernen Ketten passte hervorragend dazu. Auch wenn sie mehrfach schwankte, ob sie es wirklich anziehen sollte, entschloss sie sich schließlich doch dafür. Vielleicht würde Nicholas so ein bisschen aus seinem Schneckenhaus herauskommen und ihr sagen, ob er tatsächlich etwas für sie empfand. Vielleicht würde sie ihn aber auch komplett verschrecken, wenn er davon ausging, dass sie sich nur als Freunde trafen. Sicherheitshalber zog sie noch eine schwarze Strickjacke darüber.
Anschließend deckte sie den Tisch, holte den Braten aus dem Ofen und sah auf die Uhr. Hatten sie überhaupt eine Zeit ausgemacht? Eigentlich ja noch nicht einmal genau den Tag. Bloß Weihnachten. Gut, ein bisschen konnte sie ja noch warten.
Nach fast einer Stunde hatte Katrin wieder eine ihrer Weihnachtschallplatten aufgelegt und ihr Magen knurrte. Durch die ganze Vorbereitung hatte sie heute selbst kaum etwas gegessen. Schließlich machte sie es sich mit einem Teller Braten, Klößen und Rotkohl, den sie gerade in der Mikrowelle aufgewärmt hatte, bequem. Nicholas hatte sicher sowieso keine Zeit etwas mit ihr zu essen und wenn doch, könnte sie ihm ja auch einen Teller aufwärmen wenn er kam.
Schließlich wurde es Mitternacht. Gerade lief “I saw Mommy kissing Santa Claus”. Katrin seufzte enttäuscht. Sie räumte auf, schaltete die Musik ab und ging zu Bett.
“Ja… Ja, Mama… Ja es tut mir wirklich leid, aber ich bin nunmal verabredet… Ja, ich weiß, dass es kurzfristig ist… Ich komme nach den Feiertagen vorbei, versprochen… Was? Nein… Ach Mama, ich würde dir schon sagen, wenn ich einen neuen Freund hätte… Ja… Mhm… Ja ist gut. Hab dich auch lieb. Frohe Weihnachten.”
Katrin legte den Hörer auf und seufzte. Sie hatte genau gewusst, wie ihre Mutter reagieren würde, wenn sie ihren Besuch für Weihnachten absagen würde. Dennoch hatte sie sich für die Absage entschieden. Bestimmt hatte Nicholas an Heiligabend einfach zu viel zu tun gehabt.
Der erste Weihnachtstag endete, ohne dass Katrin etwas von Nicholas sah oder hörte. Nachdem dann auch der zweite Weihnachtstag ohne einen Besucher verging, gab Katrin auf.
Sicher hatte er es sich anders überlegt. Oder hatte sie vielleicht etwas falsch gemacht? Fieberhaft überlegte Katrin, was sie in der letzten Zeit getan hatte, was einen Santa verärgern könnte. Als sie sich mit einem Teller Kekse auf dem Sofa niederließ, fiel ihr Blick auf den Weihnachtsbaum. Vielleicht hatte sie ja doch übertrieben. Oder lag es an Thomas?! Hatte Nicholas da vielleicht irgendetwas falsch verstanden? Aber konnte er überhaupt davon wissen? Oder war er doch sauer auf sie wegen der Sache mit dem Krampus? Schließlich wurde ihr Besuch als Anlass für die Befreiung genutzt. Nachdenklich knabberte Katrin an einem Keks. Warum hatte sie sich überhaupt Hoffnungen gemacht? Zu Carlos hatte sie noch großspurig gesagt, sie würde das erst tun, wenn Nicholas etwas Entsprechendes sagen würde, aber irgendwie hatte sie das nicht durchgehalten. Sie hatten nur knapp eine Woche miteinander verbracht, in der nicht einmal etwas zwischen ihnen geschehen war und doch … Sie verfluchte ihr dummes Herz, dass viel zu viel in eine vollkommen normale Situation hinein interpretierte. Ja, vollkommen normal. Privatführung im Weihnachtsdorf von einem Weihnachtsmann höchstpersönlich … Sie schob sich einen weiteren Keks in den Mund. Natürlich war das frustessen, aber das war jetzt auch egal. Zu einem Ergebnis kam sie an diesem Tag trotzdem nicht.
Um sich von diesem Desaster abzulenken, beschloss sie gleich am nächsten Morgen zu ihrer Familie zu fahren, aber nicht ohne auf ihrer Anrichte einen Zettel für Nicholas zu hinterlassen. Nur für den Fall, dass er doch noch auftauchte und sie nicht da war.
Eine Woche war seit Weihnachten vergangen, das neue Jahr hatte mit einem Feuerwerk begonnen und Nicholas hatte sich immer noch nicht gemeldet. Katrin machte sich langsam wirklich Sorgen. Irgendwie hatte sie so ein komisches Gefühl, immer wenn sie an Nicholas dachte. Was wenn bereits einer seiner Familie der nächste Krampus geworden war? Was wenn es einen der Jungs … Nein, daran wollte sie gar nicht denken …
Nicholas hatte bestimmt einen guten Grund, trotzdem entschied sie sich ihm zu schreiben, wenn er sich schon nicht meldete.
Lieber Nicholas,
schade, dass es dieses Weihnachten nicht mit deinem Besuch geklappt hat. Ich hatte mich schon sehr darauf gefreut, aber vermutlich hattest du einfach zu viel um die Ohren.
Dir ging es schlecht, als wir uns das letzte Mal gesehen haben und ich hatte gehofft so zu erfahren, ob es dir besser geht. Wenn du nicht gekommen bist, um nicht wieder an die Ereignisse meines Besuchs erinnert zu werden, kann ich das vollkommen verstehen. Vermutlich ist dieser Brief eine entsprechend blöde Idee und es tut mir Leid, aber ich möchte eigentlich einfach nur wissen, ob es dir gut geht (und ob es vielleicht doch an mir liegt, dass unser Treffen nicht stattgefunden hat).
Da wir dummerweise keine Nummern ausgetauscht haben (meine ist übrigens: +49160/8846125), kann ich auch nur wieder diesen Weg nehmen um dir zu schreiben, in der Hoffnung, so eine Antwort zu bekommen.
Alles Liebe
Katrin
Sie steckte den Brief in einem Umschlag auf den sie unter das Für Santa, damit die Wichtel ihn auch fanden und mitnahmen, ein kleines Nicholas in Klammern schrieb und ergänzte ein Von Katrin auf der Rückseite. Mit einem Glas Milch und ein paar Keksen, die noch vom Weihnachtsbacken ihrer Schwester übrig waren, von ihrer Nichte hübsch verziert mit Perlen und rosa Zuckerguss, stellte sie ihn auf die Kommode. Mit einem Seufzen ließ sie sich auf ihren Lesesessel plumpsen. Nun hieß es abwarten.
Behind the Scenes
Dieses Kapitel ist irgendwie eine direkte Zusammenarbeit von Marina/DarkFairy und mir. Nicht unsere erste, schreiben wir doch an Warlords zusammen und darüber als DFPP Entertainment – und endlich auch wieder ein Stück weiter! Sie hat das Grundgerüst geschrieben und Thomas eingeführt und ich habe mit den Sachen ergänzt, die zum Rest der Geschichte ver- öhm -linken? Ah, verweisen!, denn als Buchhändlerin in Ausbildung hat Marina einen straffen Zeitplan und es leider nicht geschafft die vorherigen Kapitel ausführlich genug zu lesen, um das selbst einzubauen. Aber ich denke, die Mischung ist uns ganz gut gelungen. 🙂
PoiSonPaiNter
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Lies auf Deutsch
I’m sorry so far there is no translation of this door
PoiSonPaiNter
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