Böses Erwachen
Noch etwas benommen vom Schlaf konnte Katrin das GerĂ€usch erst nicht zuordnen, doch dann begriff sie und schreckte auf. Jemand schrie. Laut und schrill. Eine Frau. Dann war alles still. Katrins Herz raste. Was war geschehen? Sie sprang auf und ging zum Fenster. Mehrere Arbeiter, nur einen Mantel ĂŒber den Schlafanzug geworfen, eilten in Richtung des Schreis, auch Klaus und Nikolai reihten sich ein. Kurz darauf wurde eine groĂe, laute Glocke gelĂ€utet. Sie erinnerte Katrin an Sirenen zu Hause.
Ein lautes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Ohne auf ihre Antwort zu warten kam Nicholas herein. âZieh dich an, es gibt gleich eine Versammlungâ, befahl er mehr, als dass er bat, ohne sie anzusehen und verschwand sogleich wieder.
Katrin folgte der Anweisung und ging vorsichtig auf den Flur, als sie fertig war. Nicole winkte ihr zu, mit runter zu kommen.
Vor dem Haupthaus hatte sich die Belegschaft und die Familie versammelt. Nicole schob Katrin in die Menge, sodass sie zwischen den Arbeitern stand und ging selbst zurĂŒck zu ihren Geschwistern. Nicholas warf ihr gelegentlich einen besorgten Blick zu, schaute aber sonst in die Richtung, in die sein Vater und Bruder gegangen waren. Es herrschte eine gedrĂŒckte Stimmung, einige tuschelten, andere schwiegen einfach nur. Dann endlich kamen die MĂ€nner wieder, die nachgesehen hatten. Nikolai und Klaus wurden von der Menge durchgelassen und berieten sich kurz mit dem Rest der Familie, bevor sie sich an die Versammelten wandten.
Nikolai atmete tief durch. âMeine Lieben, ich habe schlechte Nachrichten.â Er hielt inne und lieĂ seinen Blick ĂŒber die Leute wandern. âDer Krampus konnte sich befreien und hat auf seiner Flucht Ivana getötet.â
Die Menge schwieg betroffen, dann wurden die Fragen laut. Wie konnte das geschehen? Was tun wir jetzt? Wie können wir uns schĂŒtzen? Nikolai hob die HĂ€nde, um sie wieder zu beruhigen.
âWir mĂŒssen ruhig bleiben. Panik hilft uns nicht weiter. Wir werden einen Weg finden, ihn wieder einzufangen, bis dahin: Geht nicht allein durch die StraĂen und passt aufeinander auf! Haltet Augen und Ohren offen und wenn ihr ihn seht, gebt uns Bescheid und macht keine EinzelgĂ€nge! Dennoch bitten wir euch auch in dieser schweren Zeit die Arbeit nicht niederzulegen, wir haben schlieĂlich ein Weihnachtsfest vorzubereitenâ, befahl er seiner Belegschaft. âWer von euch dennoch nach Hause zu seiner Familie möchte, packt seine Sachen und findet sich hier in einer Stunde wieder ein. Klaus wird euch mit dem Schlitten begleiten, wĂ€hrend ihr mit den Wagen in den nĂ€chsten Ort fahren könnt. Wir geben euch dann Bescheid sobald sich die Lage beruhigt hatâ, ergĂ€nzte er, leicht in der Hoffnung, nicht zu viele wĂŒrden das Angebot annehmen.
Noch etwas unsicher blickten die Arbeiter einander an, dann gingen sie langsam auseinander. Katrin nutzte die Gelegenheit um sich neben Nicholas zu stellen, da sie nicht wusste, was sie nun tun sollte. Er legte ihr beruhigend eine Hand auf den RĂŒcken und schob sie sanft ins Haupthaus hinein. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, doch bevor Katrin etwas fragen konnten, folgte der Rest der Familie.
âWie konnte das passieren?â, fragte Nikolai ratlos in die Runde.
âGestern morgen war alles in Ordnungâ, merkte Nick an, âirgendwer muss danach noch dagewesen seinâŠâ
âNachmittags gab es auch noch keine Anzeichen fĂŒr einen Ausbruchâ, fĂŒgte Nicholas hinzu.
âWarum warst du da? Du hattest doch keinen Dienst?â, hakte Klaus nach.
Anstatt zu antworten schaute er zu Katrin, die nun den Blicken der Familie ausgesetzt war.
âDu hast einer AuĂenseiterin den Krampus gezeigt?!â, fuhr Nikolaus seinen Enkel an.
âIch-â, setzte Nicholas an, doch weiter kam er nicht.
âErst schleppst du sie ohne Absprache an, dann bringst du sie in die Höhle! Da haben wir doch schon den Grund, wie er sich befreien konnte!â
ErzĂŒrnt bĂ€umte Katrin sich auf: âWie hĂ€tte ich denn die armdicke Eisschicht entfernen sollen? Mich mit einem Fön hinsetzen und warten dass sie schmilzt?â Sie schaute zwischen dem Alten und seiner Familie hin und her. In ein paar Blicken sah sie Mitleid, in anderen Verachtung. SchlieĂlich zuckte sie ratlos mit den Schultern. âIch weiĂ nicht mal ob es da Strom gibt.â
Stille senkte sich ĂŒber das Zimmer und keiner wagte etwas zu sagen. Katrin funkelte den Alten herausfordernd an, aber dieser schnaubte nur verĂ€chtlich.
âWarte, hast du gerade âarmdickâ gesagt?â, hakte Nikolai nach.
âĂhm, ja, ungefĂ€hr so dick wie mein Arm lang ist?â, versuchte Katrin zu erklĂ€ren.
âDas kann nicht sein!â, mischte sich nun Nicole ein, âDa war eine fĂŒnf Meter dicke Eisschicht davor!â
âDas heiĂt, es muss schon vorher jemand am Eis gewesen seinâ, schlussfolgerte Nicholas und versuchte so seine Familie auf Katrins Seite zu ziehen.
âWarum ist das dann keinem von uns aufgefallen?â, wollte Nick herablassend wissen, seine Arme vor der Brust verschrĂ€nkt.
Katrin kam eine Idee. âNicholas hat erzĂ€hlt, dass tĂ€glich jemand nachsieht, ob noch alles in Ordnung ist – â
âUnd was hat das damit zu tun?â, wurde sie unwirsch unterbrochen.
âIch kann nur mutmaĂen, aber bei meinen Kindern, die ich nahezu tĂ€glich seheâ, fuhr sie unbekĂŒmmert fort, âbemerke ich auch erst nach den Sommerferien, wenn sie wieder ein StĂŒck gewachsen sind.â
âDeine Kinder?â, fragte Nicole verwundert am Thema vorbei und auch in den Blicken der anderen konnte Katrin Verwirrung sehen.
âNicht meine Kinder. Ich bin KindergĂ€rtnerin, also die Kinder in meinen Gruppenâ, versuchte sie sich zu erklĂ€ren, âAber trotzdem: Wenn man etwas oder jemanden tĂ€glich sieht, sieht man meist keine VerĂ€nderungen, erst wenn man etwas Abstand gewinnt.â
Erneut legte sich Schweigen ĂŒber sie. Diesmal war es Klaus, der es brach.
âEs Ă€ndert aber nichts daran, dass wir ihn wieder einfangen mĂŒssen, bevor noch mehr Leute zu schaden kommen.â
WĂ€hrend Nick und Klaus bereits anfingen zu planen nahm Natascha Katrin zur Seite und bugsierte sie in die KĂŒche.
âKatrin, ich muss mich fĂŒr meinen Schwiegervater entschuldigen. Er ist auf seine alten Tage etwas ruppig geworden.â Sanft legte sie Katrin die Hand auf die Schulter.
âEs ist schon in Ordnung. Ich hĂ€tte vermutlich genauso reagiert an seiner Stelle. Ich bin nunmal nur zu Besuch und dann passiert sowasâŠâ, erklĂ€rte Katrin mit einem matten LĂ€cheln.
âDu weiĂt, dass das auch heiĂt, dass du noch etwas lĂ€nger bei uns bleiben musst?â, fĂŒgte Natascha mit strengem Blick hinzu.
âLĂ€nger bleiben, muss?â, versicherte sich Katrin.
âJa, solange der Krampus frei rumlĂ€uft können wir kein Portal öffnen um dich nach Hause zu bringen. Die Gefahr ist zu groĂ, dass er mit hindurch schlĂŒpft und dann bekommen wir ihn nicht mehr zu fassen. Bevor du fragst: Das nĂ€chste Dorf bringt dir auf einer Heimreise nichts, der nĂ€chste Flughafen ist weit entfernt und wir können niemanden entbehren, der dich dahin bringtâ, erklĂ€rte Natascha, âaber ich verspreche dir, dass wir auf dich Aufpassen werden und dir nichts geschehen wird.â
Insgeheim hatte Katrin gehofft, das alles hinter sich zu lassen, bevor es zu schwer wurde wirklich zu gehen, nun begann ihr Herz wild zu pochen und sie sah sich hilfesuchend um, doch niemand auĂer Natascha war bei ihr.
âKeine Angst, wir werden ihn schnell finden, da bin ich mir sicherâ, versuchte Natascha sie zu beruhigen, aber helfen tat es nicht.
Nach einer kurzen Absprache machten Nikolai und Nicole sich auf den Weg in die Höhle, um dort nach Spuren zu suchen, wĂ€hrend Nick auf Patrouille ging. Auf dem Marktplatz hatten sich doch einige Arbeiter eingefunden, sodass Schlitten und Wagen klargemacht wurden, um sie in den nĂ€chsten Ort zu fahren, damit sie von da aus zu ihren Familien gelangten. Klaus begleitete sie, um sie im Falle eines Angriffs zu schĂŒtzen. Nicholas wurde dafĂŒr abgestellt Katrin aus allem rauszuhalten. Es wĂŒrde sich nicht gut machen, wenn eine AuĂenseiterin zu Schaden kĂ€me. Claudia versuchte in der Werkstatt alles am Laufen zu halten, wĂ€hrend Natascha versuchte die Stimmung mit Keksen und anderen Köstlichkeiten zu heben. Nikolaus musste auf seine Urenkel aufpassen.
âHabt ihr in der Bibliothek vielleicht etwas zum Krampus? Oder vielleicht gibt es noch ein paar Legenden im Internet?â, versuchte Katrin sich einzubringen. Sie konnte einfach nicht tatenlos rumsitzen und sah Nicholas an, dass er es genauso wenig konnte.
âEs wĂ€re einen Versuch wertâŠâ, murmelte Nicholas nur.
âNa dann lass uns gehen!â Katrin sprang sogleich auf.
Nicholas sah sie fragend an, aber er lieĂ sich von ihrem Enthusiasmus anstecken nachdem sie anfing ihn am Ărmel zu ziehen.
Als sie in der Bibliothek ankamen, zögerte Ephraim nicht lange und half ihnen bei ihrer Suche.
Behind the Scenes
Eine Geschichte ohne „Big Bad“? Das ja langweilig! đ Wobei ich sagen muss, dass mir der Krampus-Ausbruch doch recht spĂ€t in der ursprĂŒnglichen Entstehungsphase eingefallen ist – und als jemand, die eigentlich so gut wie keine Ahnung von dem Mythos an sich hat (bei uns gibt’s nur Knecht Ruprecht), war es auch gar nicht so einfach, mir die Rahmenbedingungen hier auszudenken. Ein bisschen hab ich mich an dem Viech aus der Grimm Folge „Twelve Days of Krampus“ orientiert, vor allem was das Aussehen angeht.
Na dann, auf zur lustigen Krampus Suche! đ
PoiSonPaiNter
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I’m sorry so far there is no translation of this door
PoiSonPaiNter
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