Seit Anbeginn der Zeit war es den Wesen der Unterwelt untersagt, die Dunkelheit zu verlassen und das Tageslicht zu betreten. Zwar führten einige der unterirdischen Gänge zu Toren zwischen den Welten, aber diese wurden von Furcht einflößenden Wächtern beschützt, die nach dem Blut unschuldiger Reisender gierten. Verirrte sich jemand in den Katakomben der Unterwelt und gelangte an einen Eingang, so konnte er sich eines schmerzhaften Todes gewiss sein. Grausame Geschichten kursierten über diese Tore, sodass niemand sich auch nur wagte in ihre Nähe zu kommen. Bis auf…
Nun ja, ein paar rebellische junge Dämonen – wenn man sie denn in einen Sammelbegriff stecken wollte – die es schon seit geraumer Zeit von ihrer vertrauten Umgebung weg zog. Die Höllenstädte waren ihnen zu klein geworden. Sie wollten mehr sehen von der Welt als nur Lavaströme, Tropfsteinhöhlen, Grundwasseradern und Wurzeln.
Letzteres galt im allgemeinen Sprachgebrauch auch als „Grund allen Übels“. Egal wo man auch war, überall ragten sie aus den Wänden, aus der Decke, Mancherorts sogar aus dem Fußboden. Die ständige Präsenz dieser stillen Beobachter machte viele Unterweltbewohner nervös. Einige fanden sich mit der Situation ab, wieder andere wurden paranoid, schlimmsten Falles wahnsinnig.
Genau aus diesem Grund wollten die Vier fort von hier. An einen anderen Ort, wo es keine Wurzeln gab. Wo es anders war als hier. Unbekannt. Neu. Aufregend.
Und wo sollte man diesen Ort suchen, wenn nicht an der Erdoberfläche?
Die Vier kannten bis jetzt nur das unterirdische Leben, nun wollten sie herausfinden wie es an diesem verbotenen Ort, „Oberfläche“ ist. Koste es was es wolle. Und wenn man den Geschichten glaubte, die von den Alten erzählt wurden, so könnten sie es leicht mit ihrem Leben bezahlen müssen. Niemand der es gewagt hatte sich in die Nähe eines Tores zu begeben sei je wieder zurückgekehrt.
Verständlicherweise war das Vorhaben bei den Erwachsenen auf taube Ohren gestoßen und hat für Empörung und Angst gesorgt. „Ihr werdet uns noch alle ins Unglück stürzen!“, hatten ihre abergläubischen Großeltern gesagt, aber das war ihnen egal. Sie wollten aus dieser Tristesse ausbrechen. Neue Wege beschreiten und all das hier hinter sich lassen.
Anfangs war Fenrirs Mutter strikt dagegen. Die Werwolfdame hing sehr an ihrem einzigen Sohn und erst ihr Mann, sein strenger Vater, konnte sie letztendlich umstimmen, dass diese Reise „dem Jungen endlich mal die Flausen aus dem Kopf treiben“ und „einen richtigen Mann aus ihm machen würde, dem man auch mal Verantwortungen übertragen kann“.
Um einiges leichter fiel es da den anderen Dreien. Tricia, Fenrirs beste Freundin und ihres Zeichens Vampirin, war auf gar keine Gegenwehr gestoßen. Ihre Mutter ließ sie generell das machen was sie wollte. Zane hingegen hatte kein Interesse daran was sein Vater zu diesem Vorhaben sagte und jenem war es wiederum egal was sein Sohn tat. Zwar war es dem jungen Dämonen zuwider, dass Fenrir an der ganzen Aktion beteiligt sein sollte, da er ihn als nutzlos und hinderlich empfand, aber er konnte an dieser Situation nichts ändern. Immerhin war er Tricias bester Freund, auch wenn Zane nicht verstehen konnte, wie sie es überhaupt mit diesem nervigen Etwas aushielt. Aber das war ihm eigentlich auch egal. Er hatte sich sowieso nur angeschlossen weil ihm langweilig war. Das die Vampirin sein eigentlicher Grund war brauchte niemanden zu interessieren und das ging auch niemanden etwas an. Der Vierte im Bunde war Brokkrder Obolosch Ginnr, da das allerdings niemand auszusprechen vermochte, nannten ihn seine Freunde liebevoll Bogie. Er war für einen Zwerg außergewöhnlich groß. Zwar reichte er den andern nur bis zu den Schultern, aber seinen Eltern und Artgenossen konnte er getrost auf den Kopf spucken, so er es denn wollte. Seinem Vater kamen fast die Tränen, als Bogie ihm das Vorhaben unterbreitete. „Mein Sohn wird die Wege der Ahnen beschreiten und die Oberfläche erforschen, ich bin so stolz auf dich!“ hatte er ihm freudestrahlend verkündet und sogleich damit begonnen, seinem Jungen zu zeigen, wie sie am schnellsten an ihr Ziel gelangen würden. Schließlich hatten seine Vorfahren an den Tunneln mitgearbeitet und ein Großteil der Pläne wurde von Generation zu Generation in der Ginnr Familie weiter vererbt.
Kurz darauf hatten alle mit den Vorbereitungen begonnen. Bogie lernte den Weg. Die anderen sorgten für den nötigen Proviant und was sonst noch so nützlich sein könnte für die Reise.
Nun bahnten sich die vier ungleichen Jugendlichen schon seit einiger Zeit ihren Weg durch das Labyrinth aus Gängen und Sackgassen. Wobei Zeit in ihrer Welt eine eher untergeordnete Rolle spielte. Man konnte sie zwar mit dem Fallen von Wassertropfen, dem Abbrennen von Kerzen oder dem fließen von Sand in einem Stundenglas berechnen, aber es ergab wenig Sinn an einem Ort, der immer gleich aussah und sich nicht merklich veränderte die Zeit zu messen. Die meisten Unterweltbewohner zählten in Schlafphasen, wobei auch das von Wesen zu Wesen unterschiedlich war und somit eine Umrechnung in irgendeine andere Zeiteinheit nahezu unmöglich war. Also beließ man es dabei, sich nicht um die Zeit zu kümmern.
„Sind wir bald da?“, maulte Fenrir zum wiederholten Male.
Der junge Werwolf war es Leid in dieser eintönigen Gegend herum zu irren.
„Junge du nervst! Lass dir mal etwas anderes einfallen! Du wirst schon früh genug merken wenn wir da sind…“, raunte Zane und beschleunigte erneut seine Schritte, um zu Bogie aufzuschließen, der vor ihnen ging.
„Mach dir nicht ständig Gedanken darüber wie lange es noch dauert! Wir werden schon irgendwann am Tor ankommen. Mach dir lieber Gedanken darüber, wie wir mit den Wächtern fertig werden sollen, wenn es soweit ist.“ versuchte Tricia ihren Freund abzulenken und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
Dieser Versuch wirkte sich aber eher ins Gegenteil aus, denn nun fing Fenrir wieder an sich Sorgen zu machen, ob denn die Geschichten, die man über die Wächter hörte wahr seien oder nicht. Ein leises Winseln ging nun von dem Wolfsjungen aus und Tricia legte ihre Arme um seine Schultern um ihn zu beruhigen. Es half sogar, auch wenn von vorne ein verächtlich klingendes „Tz, Weichei…“ zu ihnen hinüber wehte.
Die Vampirin konnte man als die „gute Seele“ der Gruppe bezeichnen. Sie sorgte unter anderem dafür, dass Zane Fenrir nicht das Fell über die Ohren zog. Obwohl es, angesichts der Tatsache, dass der junge Werwolf nicht immer im Pelz herumlief, schwierig war dieser Metapher wörtlich nachzugehen. Dennoch bestand große Gefahr, dass der Dämon es trotzdem versuchen würde und davon galt es ihn abzuhalten. Das und darauf aufzupassen, dass Zane und Bogie nicht zu weit voraus rannten hatte sich Tricia zur Aufgabe gemacht.
Letzteres war teilweise sogar schwerer, da die beiden ein erstaunliches Tempo vorlegten.
Nach weiteren hunderten von Kilometern stoppte Bogie urplötzlich. Zane, der sich umgedreht hatte um einige Worte mit Tricia zu wechseln bemerkte dies nicht, woraufhin er in den Zwerg hineinlief und von ihm abprallte. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich abfangen, um nicht unsanft auf dem Boden zu landen.
„Hey, warum bleibst du stehen? Was soll der Mist?“, fuhr Zane ihn an.
„Ich glaube es dauert nicht mehr lange…“, vermutete der Angesprochene gelassen.
„Oh wirklich?“, meldete sich Fenrir sichtlich erfreut zu Wort.
„Warum glaubst du das wir bald da sind?“, hakte Tricia nach.
„Der Wind wird immer stärker und die Kristalle immer weniger.“
„Jetzt wo du’s sagst…“ wunderte sich Fenrir, verschränkte die Arme und schaute sich nun etwas genauer um.
Tatsächlich konnte man einen erstaunlichen Rückgang der Leuchtkristalle ausmachen, die den Unterweltbewohnern Licht spendeten. Zwar waren sie alle Wesen der Dunkelheit und hatten von Natur aus gute Augen, aber es gab immer wieder eine Zeit in der die Dunkelheit unerwünscht war. (Wer stolperte schon gerne angetrunken von Wurzelschnaps im Dunkeln durch die Gegend?) Aus diesem Grund hatten Diejenigen, die das unterirdische Reich geschaffen hatten selbstleuchtende Kristalle in die Wände der Gänge und Städte eingebaut. Für privaten Gebrauch konnte man die glänzenden Steine auf Märkten erstehen, abgesehen von der Tatsache, dass sich nicht jeder Licht leisten konnte. Nur die im Wohlstand lebenden konnten ihr gesamtes Haus mit den sogenannten „Luminos“ erhellen. Das Kleinbürgertum musste auf Wurzelkerzen zurückgreifen, die sehr schnell verbrannten und nicht besonders gut rochen. Da aber alle Wege mit Leuchtkristallen ausgebaut wurden, brauchten sich die Vier nicht mit Letzterem herumschlagen. Für Fenrirs empfindliche Nase zum Beispiel war der Gestank der „Bulben“ unerträglich.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte der Fellträger nachdem mehrere Herzschläge lang nichts geschehen war.
„Jetzt, gehen wir weiter.“, entschied Bogie und betrat den nächsten Gang ohne zu zögern.
Die anderen folgten ihm so schnell sie konnten. Alles andere hätte wahrscheinlich dazu geführt, dass sie sich erbarmungslos verliefen und schlimmsten Falles jämmerlich verendeten. Sie hatten zwar genügend Proviant mit sich genommen, aber auf Ewig in diesem unterirdischen Labyrinth herumirren wollte keiner von ihnen.
Die Zahl der Luminos nahm immer weiter ab und die Dunkelheit dafür stetig zu.
„Bist du dir sicher das wir hier richtig sind?“, wollte Fenrir mit zitternder Stimme wissen.
Der junge Werwolf legte Tricia vorsichtshalber die Hände auf die Schultern, um sich hinter ihr verstecken zu können.
„Hast du etwa Angst im Dunkeln?“, machte sich Zane über ihn lustig.
Sein Gelächter hallte in der Unendlichkeit der Gänge wieder und wurde grausam verzehrt, was Fenrir wiederum dazu veranlasste leise zu winseln und dichter an Tricia heran zu treten.
Abrupt blieb Bogie erneut stehen um sich hinzukniehen und etwas in seinem Rucksack zu suchen. Die anderen Drei beobachteten ihn aufmerksam. Der Zwerg schien den gesamten Inhalt auf dem Gangboden zu verteilen ehe er fand wonach er suchte. Fenrir lugte mittlerweile nur noch knapp über die Schulter der Vampirin hinweg und wäre er in seiner Wolfsform hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Rute zwischen die Beine geklemmt. Mit geschickten Händen baute Bogie etwas aus den merkwürdig aussehenden Dingen, die bei seiner Suchaktion zum Vorschein kamen.
„So das dürfte reichen.“, verkündete er als er seinen Freunden eine Laterne mit einem Lumino als Lichtquelle entgegenstreckte.
„Oh super!“, freute sich der junge Werwolf über den Lichtzuwachs.
„So und nun, da das Hündchen zufriedengestellt ist können wir ja weiter gehen..“, meckerte Zane.
„Ich bin kein HUND!“, widersetzte Fenrir wütend.
Wenn es eine Sache gab die Werwölfe auf den Tod nicht ausstehen konnten, dann war es mit Hunden verglichen zu werden. Sie galten als unterwürfige und heuchlerische Mitläufer, die nur einem „Herrchen“ folgten und keinen eigenen Willen besaßen. Werwölfe hingegen waren stolze Geschöpfe, die ihr individuelles Streben vollends auslebten. Natürlich hatte noch nie jemand einen Hund zu Gesicht bekommen, aber die Gerüchte reichten aus, um die Werwölfe in Rage zu bringen.
„Ist ja gut Fiffi…“, zur Betonung seiner Worte tätschelte Zane Fenrirs Kopf und begann dann wieder schallend zu lachen.
„Lasst uns weiter gehen.“, fügte er dann hinzu, um jegliche Widerworte zu unterdrücken und schritt voran.
Wenn ein Werwolf knurrend und grummelnd mehrere Gänge entlang stampfte dann konnte man sich gewiss sein, dass dieser stocksauer war. Wenn dazu noch seine Augen bernsteinfarbend glühten und er bedrohlich mit den Knochen knackte, konnte man sich fast sicher sein, dass er einen im nächsten Moment zerfleischen würde. Außer natürlich es handelte sich bei dem Werwolf um Fenrir, der ein überzeugter Pazifist war, dennoch hätte er gerne etwas von Zanes Blut und Innereien auf den Gang verteilt, nur um ein bisschen Dampf abzulassen. Er dachte darüber nach ob es sinnvoll wäre seiner Mordlust nachzugehen, bis ihn etwas hart im Gesicht traf und er der Länge nach auf dem Boden aufschlug.
Eine saftige Ohrfeige holte ihn aus dem Reich der Träume zurück und er blinzelte in ein helles Licht.
„Alles in Ordnung Fenrir?“, wollte Tricia wissen.
In ihrer Stimme klang Sorge mit und sie nahm die Laterne aus Fenrirs Sichtfeld.
„Mhm…mein Schädel brummt…was war das?“, murmelte der Angesprochene vor sich hin.
„Ein Stalaktit hat dir den Gar ausgemacht.“, erklärte Zane mit sichtlich unterdrückter Schadenfreude.
Fenrir ignorierte den Unterton und versuchte sich aufzusetzen. Es gelang ihm aber nur sich auf den Unterarmen abzustützen bis Tricia ihm Einhalt gebot.
„Sagt mal Leute…liegt das an meinem eingeschlagenen Schädel, dass ich Bogie dreifach seh oder wer sind die Kerle, die hinter ihm stehn?“, fragte Fenrir mit zusammengekniffenen Augen.
Just in diesem Moment drehten sich die anderen um und folgten seinem Blick. Es handelte sich bei den beiden Neuankömmlingen ganz gewiss nicht um Wahnvorstellungen eines angeschlagenen Hirns. Ganz im Gegenteil, es waren aus Fleisch und Blut bestehende, bewaffnete, gefährlich grinsende Wesen, die alles andere als freundlich auf die Vier hinabblickten.
„Was machen denn vier Jungspunde wie ihr in dieser Gegend der Unterwelt?“, wollte der Kleinere der beiden wissen.
Entgeistert starrten sie zu ihnen hinauf und wussten eigentlich nicht, was sie nun tun sollten, außer natürlich so schnell wie möglich das Weite zu suchen, aber das würde sich als schwieriger als gedacht erweisen. Keiner der Vier war in der Lage auch nur einen Muskel zu rühren, so tief saß die Angst. Eine bedrückende Stille legte sich auf die Szenerie, die nur durch das stetige Tropfen der Stalaktiten durchdrungen wurde.
„Habt wohl die Stimme verlor’n was?“, machte er sich über die Vier lustig.
Er machte einen Schritt auf sie zu. Bogie stolperte beim Versuch auszuweichen über seine eigenen Beine und fiel unsanft auf den Boden.
„Ach wie süß! Ihr habt Angst vor uns!“
Selbst das Lachen des Fremden klang bedrohlich.
„Sag Sujin was machen wir jetzt mit den Kleinen?“, meinte er an seinen größeren Begleiter gewandt.
Dieser schaute mit einem abschätzigen Blick auf die Gruppe herab und dachte nach. Angstschweiß lief jedem einzelnen von ihnen die Wangen hinab. Der Gedanke an eine Flucht war in weite Ferne gerückt, keinen einzigen Zentimeter vermochten sie sich zu bewegen. Zudem zog der Kleinere nun seine Streitaxt aus der Rückenhalterung hervor.
„Ich denke, aus dem Großen mit der Platzwunde lässt sich ’nen leckeres Süppchen kochen!“, verkündete er und leckte sich bereits die Lippen.
Hilfesuchend blickte Fenrir seine Freunde an. Doch sie schienen wie er einen gewaltigen Kloß im Hals zu haben, denn keiner sagte auch nur ein Wort.
Als die Axt gefährlich nahe kam gelang es Zane aus seiner Starre auszubrechen und sich dem Angreifer in den Weg zu stellen. Tricia zog die Luft zwischen den Zähnen ein und die anderen rissen erstaunt die Augen auf. Fenrir konnte es nicht fassen, dass Zane, der ihn so sehr hasste, ihn nun beschützen würde. Dieser nahm seinen ganzen Mut zusammen und sprach: „Wie feige seid ihr eigentlich? Auf einen Verletzten losgehen? Das ist das Allerletzte!“
„Sei doch froh, während wir mit ihm beschäftigt sind, wäre es ein Leichtes für euch, euch aus dem Staub zu machen. Bei einer Flucht, wäre er doch eh nur hinderlich.“
„Mag sein, aber das ist trotzdem widerlich!“, meldete sich nun auch Tricia zu Wort und stellte sich neben Zane.
Fenrir versuchte derweil sich weiter aufzurichten, aber nach ein paar Zentimetern wurde ihm leicht schwarz vor Augen und er sank wieder zurück.
„Wie wäre es, wenn wir uns erstmal um die Verletzung eures Freundes kümmern und ihr uns dann erzählt was ihr hier tut? Mein Freund Sangan hier hat eine etwas andere Art von Humor und er wollte euch nur ein bisschen Angst einjagen. Er hatte gewiss nicht vor euren Freund zu essen, glaubt mir er ist Vegetarier.“, meldete sich Sujin nun mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und ausgebreiteten Armen zu Wort.
„Das stinkt gewaltig nach Falle!“, murrte Zane argwöhnisch.
„Mag sein, aber ihr könntet es immerhin auf einen Versuch ankommen lassen und eurem Freund würde eine Wundbehandlung und ein bisschen Schlaf sicher gut tun!“, versuchte der Große Zane zu beschwichtigen.
„Ich glaub es wäre wirklich besser…Fenrir ist schon wieder ohnmächtig geworden…“, warf Bogie besorgt ein.
„Idiot…Dann bleibt uns ja wirklich nichts anderes übrig…“ resignierte der junge Dämon und warf einen abfälligen Blick auf seinen bewusstlosen Begleiter.
„Super, Gäste zum Abendessen!“, freute sich Sangan und steckte die Axt wieder weg.
Widerwillig folgten sie den beiden Fremden, wobei Sujin Zane half Fenrir zu tragen und Sangan vorauseilte.
„Ihr wollt also an die Erdoberfläche, hm?“, fragte Sangan und nahm genüsslich einen Schluck Tee.
„Ja, das ist unser Ziel“, bestätigte Bogie knapp.
Die Sechs saßen im Schlafraum der Torwächter. Sie hatten Wort gehalten und Fenrirs Wunde versorgt. Zudem gab es auch eine Kleinigkeit zum Essen und nun redeten sie in gemütlicher Runde.
„Als Torwächter muss ich euch warnen: Es ist dort nicht wie hier!“, mischte sich Sujin in das Gespräch ein und klärte die Vier über das, was sie oben erwartete auf.
„Dort gibt es Wesen, die ganz anders sind als wir. Sie nennen sich Menschen. Sie trinken kein Blut, vertragen kein rohes Fleisch, haben keine Flügel, geschweige denn die Fähigkeit sich in einen Wolf oder ein anderes Tier zu verwandeln. Sie sind einfach nur da und zerstören die Welt in der sie leben, haben Angst vor allem fremden und würden am liebsten die Weltentore zerstören. Vom Aussehen her ähneln sie einem Zwerg nur von der Größe, eher einem Dämonen. Ihre Kinder sind meist freundlicher zu Unseresgleichen als die Erwachsenen. Wenn jemand von uns einem Menschen zu Nahe kommt, laufen sie weg oder ziehen schnell ihre Waffen. Vor allem wenn sie denken ihre Kinder seien in Gefahr. Menschen sind gefährlich! Es heißt weiter im Inneren, dass wir daran Schuld seien, dass niemand wieder zurückkehrt, aber das ist eine Lüge. Die Menschen sind daran Schuld! Es gibt welche unter ihnen die nennen sich „Forscher“, die lassen unsere Artgenossen einfangen und führen Experimente mit ihnen durch. Ihr solltet besser umkehren bevor ihr dort oben euren Tod findet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die Wesen wie uns in ihrer Welt willkommen heißen würden…“
Der alte Dämon seufzte resigniert.„Und das ist noch nicht das Schlimmste: Sie haben ein Fest da Oben, dass nennt sich „Halloween“, da verkleiden sie sich als Monster, Vampire, Werwölfe und alles mögliche und machen sich damit über uns lustig!“, fügte Sangan grimmig hinzu.
Die vier Freunde sahen sich fragend an.
„Wollen wir trotzdem weiter?“, fragte Fenrir schüchtern, der sich mittlerweile von seinem Zusammenprall mit dem Stalaktiten weitestgehend erholt hatte.
„Willst du jetzt so kurz vorm Ziel wirklich umkehren?“, hakte Tricia nach.
„Nein eigentlich nicht, aber…“, setzte er an.
„Nix aber, wir gehen weiter, Ende der Diskussion!“ unterbrach ihn Zane forsch.
„Gut dann werden wir euch zum Ausgang begleiten, wenn ihr das wirklich wollt…“, seufzte Sujin betrübt.
Am Tor angekommen gab Sujin ihnen noch einen letzten Rat mit auf den Weg:
„Es wird eine ziemliche Umstellung für euch sein, aber an der Erdoberfläche gibt es „Tag“ und „Nacht“. An einem Tag wechseln sich Helligkeit und Dunkelheit ab, das heißt, dass es dort am „Tag“ sehr sehr hell ist, da dort ein großer Feuerball am Himmel steht und die Erde beleuchtet. Sie nennen ihn „Sonne“. Guckt nicht direkt in ihn hinein und versucht am besten tagsüber zu schlafen und nur nachts zu gehen. Zu dieser Zeit steht eine Scheibe am Himmel, die sie „Mond“ nennen. Die Menschen messen die Zeit, die vergeht, zum Beispiel an den Phasen des Mondes. Geht er einmal von ganz voll, dem sogenannten „Vollmond“ zu nicht anwesend, dass nennen sie „Neumond“ erscheint die Sonne 15 mal am Horizont. Wie viele Tage und Stunden, dass genau sind weiß ich allerdings nicht, denn noch kein Mensch wollte es mir genau erklären. Den Menschen ist die Zeit sehr wichtig, anders als in unseren Gefilden, wo sie zumeist nur unbemerkt dahin fließt.
Bedenkt aber: Die Dunkelheit dort ist nichts im Vergleich zu der Dunkelheit wie ihr sie kennt. Es ist regelrecht hell, wenn ihr es so wollt…“
Nach einer kurzen Unterbrechung, als die Vier schon hinausgehen wollten, fuhr er fort: „Eines noch: Wenn ihr tagsüber herumlauft, vermeidet es von Menschen gesehen zu werden, sie sind wie gesagt nicht gut auf Andersartige zu sprechen. Eure Haut, Augen, Größe und andere äußerliche Merkmale weisen euch als Fremde aus, also seit vorsichtig und versucht sie wenn möglich zu verbergen! Aber macht euch selbst ein Bild und geht keine unnötigen Risiken ein! Ich wünsche euch viel Glück und kommt heil wieder zurück!“
„Das werden wir.“, entgegnete Tricia lächelnd als sie in das Tor trat.
Und so begaben sich die vier Jugendlichen in eine neue, ihnen unbekannte Welt. Sie schritten durch das Tor und wurden im ersten Moment von der Helligkeit des Mondes geblendet.
„Wer weiß, vielleicht sind sie ja wirklich die Ersten, die wieder zurück kommen…“, murmelte Sangan vor sich hin, als sie ihnen hinterher sahen.
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