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Adventskalender: Türchen #9

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Die Fabrik

“Die Fabrik. Komm mit.” Mit langen Schritten lief Nicholas vorweg über den Marktplatz. Katrin beeilte sich, hinterherzukommen. Das Portal war ihr ein wenig unheimlich. Schließlich konnte man nicht wissen, ob man versehentlich hineingezogen würde, und wo man dann auf der anderen Seite herauskäme. Besser, sie machte einen Bogen drum herum, was ihr einen fragenden Blick von Nicholas bescherte, bevor er die Fabriktür öffnete. Sie antwortete mit einem Schulterzucken und trat ein.
Für den Moment wähnte sie sich im Kindergarten. Die kleinen Wichtel wuselten durch die Halle. Sie verteilten Listen an verschiedene Stationen, an denen scheinbar normale Menschen standen und arbeiteten. Es roch nach Holz und Kleber. An unzähligen Tischen wurde gehämmert, gebohrt, geschraubt und geschliffen. Eine Nähmaschine ratterte. Kommandos wurden durch den Raum geworfen. Rechter Hand waren bunte Kartons gestapelt. Die Aufdrucke kamen ihr bekannt vor – Bausteine, Puppen, Puzzle, Autos – alles, was man unter Weihnachtsbäumen alljährlich finden konnte. Ein Wichtel war dabei, einen Karton zu wählen und zum anderen Ende der Halle zu tragen. Eine Arbeiterin nahm ihn in Empfang und inspizierte den Inhalt. Das Auto schien ein paar Macken zu haben. Sie griff sich einen Schraubenzieher und begann mit der Reparatur.
“Aber”, Katrin wandte sich Nicholas zu, “wird das Spielzeug nicht selbst hergestellt?”
Er lächelte entschuldigend. “Das wäre unwirtschaftlich. Wir bessern die B-Ware aus. Ist dann quasi wie neu.”
“B-Ware?”
“Warum nicht? Peter aus deiner Gruppe hat doch nichts davon gemerkt, dass der Traktor ausgebessert war.”
Sie erinnerte sich tatsächlich an die begeisterten Berichte von seinem Geschenk. Trotzdem. Es war irgendwie unweihnachtsmannmäßig. “Aber …”
“Natürlich machen wir auch Einzelanfertigungen. Wenn wir für Wünsche absolut keine B-Ware auftreiben können. Oder eine Puppe in dem gewünschten Kleid nicht verfügbar ist. Aber in der Regel nicht mehr als fünfzig im Jahr.”
“Fünfzig?”
“Ganz schön viel, nicht wahr? Unsere Arbeiter sind höchst effizient. Ich würde dir gerne mehr zeigen. Aber du siehst ja, hier ist viel los.”
Katrin warf einen Blick durch die Halle. “Ja. Das sehe ich.”
“Komm!”
“Aber …” Vielleicht ließ sich herausfinden, ob Lucy aus ihrer Kindergartengruppe die heiß ersehnte Puppe mit Tütü bekommen würde, von der sie jetzt schon dauernd sprach. Dann könnte Katrin sie in ihrer Hoffnung bestärken. Wo sie ja schon mal hier war.

„Das ist vermutlich eine alberne Frage, aber sind die Arbeiter normale Menschen?“, fragte sie stattdessen.
Nicholas lachte auf. „Ja, das sind sie. Ganz normale Menschen“, bestätigte er und fügte nach einer kleinen Pause in der er sie ansah, etwas leiser hinzu: „So wie du.“
„Und wie finden sie hierher oder habt ihr einen Vertrag mit dem Arbeitsamt für besonders verschwiegene Mitarbeiter?“, hakte Katrin nun neugierig nach.
„Die meisten finden uns, sie suchen etwas und landen hier, so wie Carlos zum Beispiel. Manchmal stellen wir aber auch wirklich Stellenanzeigen ein, so kam zum Beispiel Claudia zu uns. Die Bewerbungsgespräche führen wir aber zunächst außerhalb des Dorfs und erst wenn wir uns sicher sind, dass der potentielle Mitarbeiter zu uns passt, bringen wir ihn oder sie her zum Probearbeiten“, erklärte er schmunzelnd.
“Und wie finanziert ihr das alles? Eure Arbeiter müssen ja auch von irgendetwas leben?”, fuhr Katrin fort.
“Ein Teil kommt vom Verkauf überschüssiger Spielzeuge. Da wir nicht genau wissen können, was sich die Kinder jedes Jahr wünschen, bauen wir einen Regelsatz aus den beliebtesten Sachen, manchmal ist das zu viel, weil sich andere Sachen gewünscht werden, und den Überschuss stellen wir dann in einem Online-Shop zum Verkauf”, erklärte Nicholas der erstaunten Katrin.
“Das heißt, man kann echtes Spielzeug vom Weihnachtsmann online kaufen?”
“Genau”, bestätigte Nicholas mit einem Grinsen.
“Und der andere Teil?”
“Der kommt tatsächlich aus Steuern. Einer Art Weihnachtssteuer, die gezahlt wird, sobald jemand einen Weihnachtsmann oder etwas damit verbundenes irgendwo verwendet. Zum Beispiel, wenn ein neuer Weihnachtsfilm gedreht wird, geht ein Teil der Steuerabgaben aus der Produktion und den Einnahmen an uns. Wir bekommen auch einen Teil der Bezahlung der Mall Santas in Amerika und anderen, die sich entsprechend verkleiden und dafür bezahlt werden. Oder beim Verkauf von Weihnachtsmann-Kostümen oder oder oder. Es ist erstaunlich wie viel dadurch zusammenkommt, wir können fast das ganze Jahr mit den Einnahmen aus der Weihnachtszeit wirtschaften.”
“Wow, das ist ja wirklich wie ein kleines Unternehmen…”
“Natürlich. Wir machen zwar Kindern eine Freude, aber wie du schon sagst: Von irgendwas müssen wir ja auch leben”, schloss Nicholas mit einem Lächeln und reichte ihr seinen Arm. “Und jetzt die Bibliothek. Was meinst du?”
Das klang ganz wunderbar. Mit einem leisen Seufzer folgte sie ihm hinaus.

Behind the Scenes

Eine kleine Fabrikführung mit der zweiten Hälfte von Paula Roose Kapitel gibt es heute. Hier mussten wir noch ein paar Sachen ergänzen, über die ich mir zwar im Vorfeld Gedanken gemacht habe, aber es irgendwie nicht in den Weltenbau geschrieben habe…denn, Wie finanziert sich eigentlich das Weihnachtsdorf? Den Absatz hab ich dann noch schnell ergänzt und aus den Helfern in der Fabrik wurden dann auch richtige Arbeiter, ich wollte einfach keine Weihnachtselfen… ich weiß nicht warum, aber es könnte eventuell Newmoon’s Schuld sein… und die unzähliger Klischee-Weihnachtselfen-Dingsies…

PoiSonPaiNter

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I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

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