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Warum wir aus unserem Märchentümpel auftauchen müssen! – Teil 2

Die Grundlagen gelegt, hier nun der zweite Teil von Palandurwens Märchensommer Gastbeitrag zu den Meerjungfrauen von u.a. Hans-Christian Andersen – jetzt geht es um die Flossen!.

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Tief Luft holen: Die Meerjungfrauen des 19. Jahrhunderts

Frauen wurden also lange Zeit schon als Unheilbringerinnen gezeichnet. Sie galten als verführerisch, was die Männer anzog, aber gleichzeitig auch in Gefahr brachte. Sie wurden mit der Natur gleichgesetzt, u. a. eben dem Wasser. Doch genau wie bei diesem Element wollte der Mensch – um genau zu sein der Mann – auch die Frau als für ihn nutzbar gestalten, sie kontrollieren und dadurch seine Macht demonstrieren. 

Es traten also immer häufiger Erzählungen auf, in denen die weibliche Hauptfigur – einst frei, ungehemmt, mit eigenen Gedanken und Wünschen – aus irgendwelchen Gründen erlöst oder gerettet werden musste, um eine höhere Ebene erreichen zu können. Und selbstverständlich konnte diese Ruhmestat nur ein Mann vollbringen.

Um diesem Narrativ Gestalt zu verleihen, wurden die Meerjungfrauen aus den Untiefen hervorgezogen. Ihnen wurde eine Erlösungsbedürftigkeit angedichtet, untermauert mit diversen religiösen Spielarten, um dem Bild eine quasi göttliche Legitimierung zu verleihen. Demnach hatten sie keine Seele, waren dadurch also verdammt. Um diesen Umstand auszuräumen, gab es nur einen Weg: die Liebe eines Mannes. Diese wurde allerdings meist mit der Ehe gleichgesetzt, bei der es sich zu jener Zeit aber eher um einen wirtschaftlichen Vertrag zwischen zwei Herren (Vater und Bräutigam) handelte und die Frau das zu verschachernde Gut war. Somit hatte hier nie wirklich jemand ihr Wohl im Auge. Es wurde nur eine weitere Begründung für die gängigen Zustände gesucht. 

Denken wir diesen Gedanken einmal ein Stückchen weiter, könnten wir sogar so weit gehen und sagen, dass Frauen vor der Hochzeitsnacht keine Menschen waren, sondern vermeintlich nur durch die Zusammenkunft mit dem Ehemann an Wert gewannen. Die ohnehin schon stets der Weiblichkeit entgegen gebrachte Skepsis und Verachtung gipfelt hier also in zunächst einer völligen Entmenschlichung, die durch einen sexuellen Akt (die Hochzeitsnacht) erst “behoben” wird. Ein erneutes hierarchisches Gefälle auf Kosten der Frau.

Genau diese Entwicklung ist in Friedrich de la Motte Fouqués “Undine” zu beobachten. Zu Beginn ist sie ein ungestümes Wesen, wunderschön, mit lauter Stimme. Sie ist neugierig, sie lacht und ist manchmal auch ein wenig egoistisch. Eine von der Gesellschaft losgelöste, junge Frau. Kein Wunder, dass sie die Aufmerksamkeit des Ritter Huldbrands auf sich zieht. Natürlich gerät dieser durch ihre Schuld zunächst einmal in eine gefährliche Situation. Dennoch würde er sie gern zur Frau nehmen.

Gesagt, getan. Und als wäre ein Dämon in der Hochzeitsnacht in sie gefahren, verliert Undine in dieser all ihre vorab so reizvollen Eigenschaften. Sie wird sanft, geduldig, demütig – und still. Sie versucht sogar, ihren Mann vor ihrer Familie aus Wassergeistern zu schützen. Doch letztendlich kommt es zum Zerwürfnis, die Wasserfrau muss zurück zu ihren Verwandten und soll, als der Ritter erneut heiraten will, diesen auf Geheiß ihres Vaters töten. Selbst jetzt versucht sie, ihn zu retten. Doch sie kann es nicht verhindern und gibt ihm in der Nacht vor seiner Hochzeit einen tödlichen Kuss. Aus Trauer darüber wird sie zu einer Quelle auf seinem Grab.

Undine ist eine tragische Figur, die betrogen und gezwungen wird. Denn im Laufe der Geschichte kommt heraus, dass es eben ihr Vater war, der sie dazu getrieben hat, überhaupt erst eine Ehe einzugehen, um eine unsterbliche Seele zu erlangen. Sie ist somit – ganz im gesellschaftlich bekannten Sinne – ein Spielball zweier Männer und wird am Ende dennoch als Unheilsbringerin stilisiert. Sie verliert alles, was sie ausmacht, alles, was sie liebt. Sie gibt sich selbst völlig auf, um zwei Männern zu gefallen. Die Frau wird leidend, ja märtyrerhaft dargestellt. Es erinnert an christliche Motive, in denen der fast schon dankbar erduldete Schmerz der Schlüssel zum Seelenheil sei. Die Gewalt und den Zwang im Leben zu ertragen, soll somit also der Weiblichkeit erstrebenswert gemacht werden. Und mit solchen Versprechungen zementiert sich das ewige Machtgefälle weiter fest.

Eine Schippe drauf legte einige Zeit später Hans Christian Andersen. Auch er verfasste ein Kunstmärchen, das uns allen wohl spätestens seit Disneys “Arielle” bestens bekannt ist – oder etwa doch nicht? Tatsächlich hat der Zeichentrickfilm kaum etwas mit dem dänischen Original zu tun.

In “Die kleine Meerjungfrau” strebt die Heldin immerhin aus eigenem Willen danach, eine unsterbliche Seele zu erringen, zusammen mit der Liebe eines jungen Prinzen. Diesen hatte sie vor dem Ertrinken gerettet, obwohl sie das nicht durfte. Ein weiteres Anzeichen einer gewissen Selbstständigkeit. Doch die wird sie nicht lange behalten dürfen.

Um sich ihre beiden Wünsche zu erfüllen, nimmt sie die gefährliche Reise zur Meerhexe auf sich. Diese braut ihr einen Trank, der ihr unter großen Schmerzen zwei Beine wachsen lässt, auf denen sie zwar nach wie vor einen fast schwebenden Gang hat, jedoch jeder Schritt ist, als trete sie in Glas. Der Preis dafür: Sie wird für immer stumm und kann nie wieder zu ihrer Familie zurück. Wenn der Prinz sich nicht in sie verliebt, wird sie zudem zu Meerschaum werden.

Sie trifft auf den besagten Königssohn, dem sie auch gefällt. Allerdings nicht wie eine Frau und Partnerin, sondern wie ein kleines Kind. Als solches erfährt sie mit einer Selbstverständlichkeit diverse Demütigungen, welche sie geduldig hinnimmt. So schläft sie beispielsweise auf einem Kissen vor seiner Tür statt in einem Bett. 

Als der Mann sich schließlich entscheidet, eine andere zu heiraten, kommen die Schwestern der Meerjungfrau ihr zur Hilfe. Sie überreichen ihr einen magischen Dolch. Wenn sie den Prinzen mit diesem ersticht, wächst ihr Fischschwanz wieder und sie darf zurück nach Hause. Doch sie kann es nicht, wirft das Messer ins Meer und springt hinterher. Statt zu Meerschaum wird sie durch diese selbstlose Tat allerdings zu einer Tochter des Windes und kann, wenn sie weiter Gutes bewirkt, doch noch irgendwann eine unsterbliche Seele erlangen.

Klingt tragisch-schön? In der Tat. Allerdings zeichnet der Erzähler auch hier wieder ein Frauenbild, welches hochgradig toxisch ist. Um dem Mann zu gefallen, darf sie nicht sprechen, muss Schmerzen und Demütigung erdulden und kann nur durch ihren Körper seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und trotz all des Leides wählt sie am Ende den Freitod, die totale Selbstaufgabe, um ihn zu schützen. Aber selbst dadurch erhält sie keine wirkliche Belohnung, sondern muss sich weiterhin beweisen, um ihr Ziel zu erreichen. Das Machtverhältnis bleibt also sogar nach ihrem Tod bestehen. 

Andersens Meerjungfrau spiegelt die damalige kleinbürgerliche Geschlechtermoral somit sehr deutlich wider. Die Frau wird einerseits als aufopferndes Wesen, andererseits als unschuldig-naiv gezeichnet. Die kleine Meerjungfrau ist zwar liebreizend und versucht zu gefallen. Sie nimmt auch alles Leid als Lebensinhalt für das höhere Ziel in Kauf. Aber wenn der Mann es nicht will, erreicht sie dieses nie. Die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Geschlechtern werden hier beeindruckend erkenntlich.

Man reiche mir ein Handtuch: das Fazit 

Während Frauen in den tradierten Erzählungen, Sagen, Mythen und Märchen immer entweder gruselig und mächtig oder aber liebreizend und hilflos waren, zeigen die Kunstmärchen uns eine andere Art der Weiblichkeit. Sie ist anfangs facettenreicher, doch es wird auch eindeutig kommuniziert, dass das unerwünscht ist. Die angedachte Rolle der Frau ist klar abgesteckt. Erst, wenn sie dem Wunsch des Mannes entspricht, kann sie Glück erfahren. Und selbst dann nur so lange, wie es ihm gefällt. Ihm wird jegliche Dominanz zugesprochen und diese mit einer scheinbaren Allgemeingültigkeit, weil es ja auch im echten Leben so ist, legitimiert. 

Niemand hinterfragt diese Darstellung. Keinem fällt daran etwas auf. Es wird als gegeben betrachtet. Der Deckmantel der Romanze darüber ausgebreitet. Doch der kann kaum den wahren Kern der Sache verbergen. Wir müssen uns nur trauen, hinzuschauen. Uns der Erkenntnis stellen, dass unsere Märchen in diesem Punkt Wunden reißen – seit Generationen. Und wir müssen uns darin einig werden, diese endlich zu schließen. Indem wir das Bewusstsein dafür schüren und die richtigen Fragen stellen. Indem wir das Wissen annehmen und daraus lernen. Und indem wir damit wunderschöne neue Märchen entstehen lassen, die die Welt so zeigen, wie sie hoffentlich eines Tages auch wirklich ist.

Die Gastautorin

Palandurwen macht im echten Leben für andere etwas mit Wörtern. Dafür muss sie nicht einmal ihr malerisch im Elbtal, direkt an einem Weinberg gelegenes Zuhause verlassen. So kann sie sich rund um die Uhr von ihrer Katze herumkommandieren lassen, ob sie arbeitet oder in ihrem Atelier malt und scrapbookt. Märchen haben sie schon seit frühester Kindheit fasziniert und inspiriert. Doch spätestens durch ihr Germanistik-Studium scheut sie sich nicht mehr, diese auch kritisch zu hinterfragen, immer mit dem Ziel, irgendwann ein eigenes verfassen zu können.

Instagram: @palandurwen
Twitch: palandurwen

Anne/PoiSonPaiNter

Warum wir aus unserem Märchentümpel auftauchen müssen! – Teil 1

Heute hinterfragt Palandurwen in ihrem Märchensommer Gastbeitrag ein Element von u.a. einem der bekanntesten Kunstmärchen von Hans-Christian Andersen, doch bevor sie damit richtig im zweiten Teil einsteigt, zunächst ein paar Grundlagen.

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Warum wir aus unserem Märchentümpel auftauchen müssen!

Was sind Gründe dafür, dass wir heutzutage Märchen lesen? Die meisten antworten darauf wohl: “Schöne Kindheitserinnerungen wachrufen.” Und zu diesen Personen zähle ich mich selbst genauso. Allerdings ist da noch eine andere Seite in mir, die mit erwachsenen Augen auf diese Texte, Zeugen ihrer Zeit, schaut und zähneknirschend feststellt, dass nicht jedes Stückchen davon heute so sorglos oder zumindest kommentarlos konsumiert werden kann wie früher.

Dazu gehört auf jeden Fall die in Märchen ständig dargestellte, traditionelle Geschlechterrollen-Verteilung. Gemäß Bruno Bettelheims 1977 erschienenen Klassikers “Kinder brauchen Märchen” soll diese zwar keinerlei negative Auswirkungen auf die Kinder haben. Allerdings verfolgt die moderne Pädagogik inzwischen immer stärker geschlechtsneutrale Ansätze, denn sie hat in diversen Studien festgestellt, dass die mediale Darstellung von Frauen und Männern Kinder definitiv schon von Beginn an beeinflusst und in Klischees treibt. Entsprechend gibt es immer mehr moderne Märchen, die neutrale Darstellungen ihrer Figuren wählen. 

Vielleicht grübeln jetzt einige und finden, dass das doch gar nicht so schlimm war. Aber ich muss hier einmal den Finger in die Wunde legen, um deutlich zu machen: Doch, leider war es das. Und dessen müssen wir uns bewusst werden, um daraus zu lernen und es in Zukunft besser zu machen. Denn Märchen zeigen sehr oft stereotype und gefestigte patriarchale Strukturen, die wir alle so verinnerlicht haben, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Kein Wunder, denn die aufschreibenden Personen waren in den meisten Fällen Männer. Und sie gestalteten die Geschichten so, wie sie es für richtig hielten. 

In diesen Erzählungen waren Frauen den Männern stets entweder untergeordnet oder für sie gefährlich. Sie wurden als Bedrohung gezeichnet oder klein gehalten, um eine (scheinbar der Sache inhärente) Überlegenheit darzustellen. Man(n) wählte für Frauen Bilder, die diese Gefahr symbolisierten. Man(n) dichtete ihnen dämonische Kräfte an (etwa bei Hexen) oder eine allumfassende Hilflosigkeit. Frauen wurden nur positiv bewertet, wenn sie mit der Wunschvorstellung der Dichter übereinstimmten. Ein beeindruckendes Beispiel dafür sind die beiden miteinander eng verwandten Kunstmärchen “Undine” von Friedrich de la Motte Fouqué sowie deren Nachfolgerin “Die Kleine Meerjungfrau” von Hans Christian Andersen.

Hinein ins Kühle Nass: Ursprung der Meerjungfrauen

Dies lässt sich aber bereits viel früher beobachten: So faszinierten Elemente uns Menschen schon immer. Wir stellten sie uns als belebt vor, als mächtig. Kein Wunder, waren wir ihnen doch ausgeliefert. Wir ersannen sogar Gottheiten, die mit ihnen zusammenhingen – so war etwa die griechische Aphrodite bzw. später im römischen Reich die Venus eine gewisse Art des Wassergeistes. Geboren aus dem Meerschaum galt sie als die Schutzherrin der Liebe, Schönheit und Sinnlichkeit. Sie konnte mit diesen Attributen aber auch gefährlich werden, etwa wenn jemand sie reizte. 

Dieser zweischneidige Gedanke speiste viele weitere Geschichten um Wassergeister. Sie wurden oft als verlockende Wesen beschrieben. Sie konnten zwar Leben spenden, aber auch Menschen ins Verderben treiben. Und in den meisten Fällen wurden sie (von den tendenziell männlichen Erzählern) weiblich dargestellt. 

Ein gängiges Beispiel sind die Sirenen. Sie waren ursprünglich zwar Mischwesen aus Menschen und Vögeln, wurden im Mittelalter aber zu halben Fischen umgedeutet. In ihnen vereinte sich die Schönheit mit der Gefahr, denn wenn die hübsch anzusehenden Halb-Frauen auftauchten und zu singen begannen, erlagen ihnen reihenweise Seefahrer. Kaum dass die Männer aber in Reichweite der vermeintlichen Jungfern kamen, rissen diese sie blitzschnell in die Tiefen des Meeres, wo sie jämmerlich starben. 

Aus heutiger Sicht sollten hier doch die Alarmglocken ringen. Denn das Narrativ der schönen, aber todbringenden Frau wird auch heute immer noch allzu gern verwendet, ist aber schlichtweg eine völlige Verzerrung der Tatsachen. Denn beispielsweise haben ca. 90 % der gewaltsamen Todesfälle in Partnerschaften Frauen zum Opfer – die Täter dabei Männer. Möglich sind solche Femizide durch nach wie vor herrschende Machtgefälle und hierarchische Unterlegenheit der weiblichen Beteiligten. Und diese Quote wird früher nicht wesentlich anders gewesen sein. 

Im Laufe der Zeit wandelten sich die Geschichten der Wassergeister allerdings. Immer häufiger konstruierten sich auch Begebenheiten, in denen die Frau zwar das schreckliche Wesen war, aber durch einen Mann auch errettet werden konnte. Ein sehr prominentes Beispiel hierfür ist die Melusinen-Sage, welche vielfach verarbeitet wurde.

Grob zusammengefasst verläuft die Erzählung immer nach einem ähnlichen Muster: Ein Ritter trifft eine schöne Frau. Er will sie heiraten, sie stellt davor aber eine Bedingung: Wenn er sie niemals (oder nie an einem bestimmten Tage) nackt sehen würde, käme großes Glück über ihn. Bricht er sein Versprechen, würde er allerdings alles verlieren. Natürlich kommt es, wie es kommen muss, und der Ritter sieht sie doch nackt im Bade. Melusine verwandelt sich wahlweise in eine Schlange oder einen Drachen und ist auf und davon samt dem Glück des Mannes.

Mal wieder wird der Fokus auf den Mann gerichtet, der wegen einer Frau Unheil erfährt. Dass sie selbst von nun an als Monster umherirren muss, weil sie eigentlich verflucht war, ignorieren die meisten Erzählungen. Hätte der Ritter zu seinem Wort gestanden, wäre die junge Frau erlöst gewesen. Es lag also nie in ihrer Absicht, ihm Schlechtes zu wollen, ganz im Gegenteil. Dennoch wird auch hier ein eigentlicher Betrug sowie eine klare Übergriffigkeit an ihr zu einem knappen Entkommen seinerseits umstilisiert.

Schwimmt nicht zu weit raus, wir sehen uns morgen mit der Fortsetzung!

Die Gastautorin

Palandurwen macht im echten Leben für andere etwas mit Wörtern. Dafür muss sie nicht einmal ihr malerisch im Elbtal, direkt an einem Weinberg gelegenes Zuhause verlassen. So kann sie sich rund um die Uhr von ihrer Katze herumkommandieren lassen, ob sie arbeitet oder in ihrem Atelier malt und scrapbookt. Märchen haben sie schon seit frühester Kindheit fasziniert und inspiriert. Doch spätestens durch ihr Germanistik-Studium scheut sie sich nicht mehr, diese auch kritisch zu hinterfragen, immer mit dem Ziel, irgendwann ein eigenes verfassen zu können.

Instagram: @palandurwen
Twitch: palandurwen

Anne/PoiSonPaiNter

#CroMär: Kapitel 21

Heute endet das diesjährige #CroMär, hoffe, es hat euch gefallen!

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Kapitel 21

Entsetzt drückte Becky Regina von sich weg und sprang auf. »Verarschen kann ich mich alleine!«

Sie wollte gerade davonstürmen, da stellte Ralf sich ihr in den Weg. Wie er sich so schnell bewegen konnte, war für Regina noch immer ein Rätsel.

»Lass es dir erklären«, bat er sie ruhig und Regina sah Becky an, dass sie zunächst drauf und dran war abzuhauen, aber sich dann doch wieder setzte.

»Mischa ist ein kleiner, dürrer, uralter, grau-getigerter Kater, kein Mensch.« Den Worten fehlte jegliche Emotion und Regina setzte an, Ralf wegen des Magiegebrauchs zu maßregeln, doch er schüttelte nur den Kopf.

»Ich bin ja auch kein Mensch!«, mischte Mischa sich ein und hockte sich mit angewinkelten Beinen auf den Tisch.

Wie in Trance folgte Becky der Bewegung, dann riss sie die Augen auf und Regina bemerkte dadurch, dass Mischa sich vor ihnen zurückverwandelte.

Für einen Moment beobachteten sie, wie der Kater sich aus der Kleidung wühlte, nur um sich dann ausgiebig zu putzen.

»Das ist doch alles nur ein Traum, das ist nicht real!«, entfuhr es Becky, sobald Ralf den Zauber von ihr löste.

»Oh, glaub mir, dass wünsche ich mir seit Monaten!«, pflichtete Regina ihr bei und verschränkte die Arme.

Nun sah Becky Regina verwirrt an, doch bevor sie entsprechende Fragen stellen konnte, schlug Regina vor, den Rest des Tages zu schwänzen, damit sie ihr alles erklären konnte.

Und das tat sie dann auch, nachdem sie es sich im Campus-Park mit Kakao und Keksen auf einer Decke gemütlich gemacht hatten, die Ralf beiläufig herbeigezaubert hatte. Dass es Regina war, die die Kekse gebacken hatte, war Teil ihrer Erklärung. Mit jedem Zaubertrick schien Becky mehr zu verstehen und zu begreifen, die dazugehörigen Geschichten waren ihr allerdings zu absurd.

»Können wir dann jetzt endlich meine neuen Stiefel besorgen?«, drängte Mischa sich in eine Pause der Unterhaltung.

Als Ralf ihr auch das erklärt hatte, stand Regina genervt schnaubend auf und hielt Becky ihre Hand entgegen. »Sieht so aus, als müssten wir dann wohl erstmal shoppen gehen.«

Becky ließ sich aufhelfen, dann fing sie an zu lachen. »Deine Oma ist Frau Holle.«

»Ja?« Regina verstand nicht, worauf ihre Freundin hinauswollte und was daran so lustig war.

»Weißt du noch, als ich im ersten Semester mal bei dir übernachtet habe und sie morgens bei euch war?«

Regina zermarterte sich das Hirn nach der Begebenheit, dann fiel es ihr wieder ein. Gleichzeitig zitierten sie: »Habt ihr auch die Betten ausgeschüttelt?«

Diesmal brachen sie beide in schallendes Gelächter aus und nahmen einander dabei fest in den Arm. Hoffnung und Freude durchströmte Regina, endlich hatte sie ihre beste Freundin wieder und musste ihr nichts mehr verheimlichen!

Und das Katerproblem konnten sie nun gemeinsam lösen.

Nachwort

Auch diesmal behandeln die einzelnen Kapitel wieder märchenhafte Aspekte. Könnt ihr erraten, welches hier thematisiert ist?

Übrigens heißt das Kapitel in meinen Notizen: Des Katers neue Kleider

Ich hoffe, es hat euch gefallen!

Anne/Poisonpainter

Von sprechenden Bänken und unbekannten Sagen

Diesen Märchensommer bekommt ihr seid langem mal wieder einen Beitrag aus meiner Feder und zwar über eine sehr interessante Art mit unbekannten Sagen in Mecklenburg-Vorpommern umzugehen!

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Es war einmal…

Als ich 2021 zu den Lesenächten des Dichtfest Verlag ging, übernachteten wir an einem Ort, der ein mir bis dato unbekanntes Schild sein eigen nannte.

Auf jenem Schild stand:

Sagen- & Märchenstraße MV

Neugierig habe ich es direkt nachgeschlagen und das Tab ist auch heute noch in meinem Handy offen.

Leider schaffte ich es durch die bekannten Einschränkungen nicht, mich näher damit zu befassen.

Doch dieses Jahr begegnete sie mir erneut als für den Brotjob am MV-Tag teilnahm, denn dort präsentierte sie sich auf einer der Bühnen – und natürlich lauschte ich der Erklärung und der Erzählung des Märchens Die drei Spinnerinnen und fand mich später auch in ihrem Landkreis-Pavillon ein, um mich noch etwas auszutauschen, damit ich euch heute diesen Beitrag schreiben kann.

Immaterielles Kulturerbe

Hinter der Sagen- & Märchenstraße steht der gleichnamige Verein mit Sitz in Gadebusch, dessen Bemühungen um das Sagen- und Märchengut des Bundeslandes 2021 in einer Anerkennung als immaterielles UNESCO Kulturerbe mündeten.

Eines der Projekte, dass dieses Erbe nun der Öffentlichkeit zugänglich macht, sind die sogannten „Sprechenden Bänke“. In ganz Mecklenburg und Teilen Vorpommerns verteilt finden sich Bänke, zum Ruhen, Rasten und vor allem Lauschen. Über QR-Code können Lesungen der am Sitzplatz verorteten Sagen und Märchen angehört werden – für Personen mit Hörbehinderung auch zum Nachlesen und in Braille zumindest ein Hinweis auf die Natur der Bank, aber nicht die Texte selbst.

Die Bank, die zu dieser Aktion inspirierte, steht in Neubrandenburg vor dem Märchenhaus – in dem ich vor ein paar Jahren aus der ersten Anthologie der Märchenspinnerei lesen durfte.

Ein weiteres Projekt der Sagen- und Märchenstraße MV ist eine Heftreihe, die mit der Geschichte einer Buntmalerin beginnt, die auch in den Folgebänden immer wieder erscheint. Aktuell gibt es vier kostenlose Hefte von denen leider der erste Band vergriffen ist. Jeder Band ist in sich abgeschlossen und mit Illustrationen verziert. Inhaltlich ist es eher an jüngere Lesende gerichtet, aber das hat mich noch nie abgehalten in etwas reinzuschmökern.

Wie sieht’s aus, habt ihr ähnliche Projekte bei euch? Ode kennt ihr sogar eine der Bänke?

Lasst es mich gerne wissen, der nächste Märchensommer kommt, in dem wir es vorstellen können!

Anne/PoiSonPaiNter

#CroMär: Kapitel 20

Das #CroMär geht weiter.

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Kapitel 20

Während die Illusionskatzen Mischas neue Besitzerin – Regina wollte sie nicht Herrin nennen – suchten, konnte sie zumindest noch den Rest der Vorlesung mitnehmen, da Ralf auf den Kater aufpasste. Die Antworten auf Beckys Fragen konnte sie zumindest bis zur Pause aufschieben. Gemeinsam gingen sie anschließend dafür in die Mensa, um dort die Zeit bis zur nächsten Vorlesung mit einem schnellen Mittagessen zu verbringen. Was Regina nicht erwartete, war Ralf und Mischa ebenfalls dort zu finden. Gezielt lenkte Regina Becky zur Seite und setzte sich mit dem Rücken zu den anderen, bevor diese sie entdeckten. Gerade wollte sie nicht über Magie und stiefellose Kater nachdenken, sondern einfach nur ein bisschen Zeit mit ihrer besten Freundin verbringen.

»Was ist passiert? Irgendetwas mit deiner Oma?«

Der Ton von Beckys Frage verwirrte Regina, es schwang etwas mit, dass sie nicht zuordnen konnte. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, meiner Oma geht’s gut. Ich musste nur wieder -« jemandem mit einem magischen Problem helfen, konnte sie leider nicht sagen. »eine Besorgung erledigen, die natürlich nicht aufgeschoben werden konnte.« Die Lüge schmerzte, aber somit hatte sie sich in den letzten Monaten immer herausgeredet. Bei ihren Freunden, bei ihren Dozierenden, bei ihrem Nebenjob. Sie alle bekamen Ausreden und Lügen. Dass sie noch nicht über ihr eigenes Netz gestolpert war, grenzte an ein Wunder.

»Entschuldigung?«, beendete eine unerwünschte Stimme die Unterhaltung, bevor sie überhaupt richtig starten konnte.

Regina musste ein verächtliches Schnauben unterdrücken und drehte sich mit genervt zusammengezogenen Brauen zum Kater. Doch dieser beachtete sie nicht, sein Blick starr auf Becky gerichtet, seine Hände strichen nervös übereinander.

»Hannchen?«, fragte Mischa, die Hoffnung deutlich in diesen einem Wort.

Becky sog scharf die Luft ein und Regina schaute verwirrt zwischen den beiden hin und her.

»So-so hat meine Oma mich immer genannt …«, kommentierte Becky im Flüsterton.

Mischa nickte begeistert und setzte sich neben Regina auf die schmale Bank und legte die Hände über Beckys. »Sie schickte mich zu dir«, verkündete er ihr sanft.

Die Augen weit aufgerissen, traf Regina die Erkenntnis wie ein Schlag. Ihre beste Freundin hatte ihre Großmutter verloren und sie war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nichts davon mitbekommen hatte. »Warum hast du nichts gesagt?«, presste sie hervor.

»Ich wollte dich nicht belasten, du hast so viel um die Ohren«, gab Becky kleinlaut zu und Tränen stiegen in ihre Augen.

Ohne Umschweife stand Regina auf, umrundete den Tisch und nahm ihre Freundin in die Arme. »Egal wie beschäftigt ich bin, du kannst mir alles erzählen! Du belastest mich damit nicht!«

Sogleich ließ Becky den Tränen freien Lauf, klammerte sich an Regina und erzählte mit belegter Stimme, wie ihre Oma plötzlich eingeschlafen war.

»Es war ihre Zeit«, kommentierte Mischa trocken als sie endete. Sein Nicken wirkte selbstgefällig und überzeugt. »Es tat ihr leid, dass sie sich nicht mehr persönlich verabschieden konnte, aber sie war froh noch mit euch feletoniert zu haben bevor sie sich zur ewigen Ruhe bettete.«

Becky richtete sich von ihrer Position gegen Reginas Schulter auf. Regina konnte sich das Augenrollen nicht verkneifen, aber Katzen hatten vermutlich kein Verständnis für Taktgefühl.

»Es heißt telefonieren«, korrigierte Ralf unvermittelt, der sich in der Zwischenzeit zu ihnen geschlichen hatte.

Mit einem »Oh« begann Mischa das Wort wiederholt vor sich herzusprechen.

»Was? Wer? Was?« Verwirrt starrte Becky sie nacheinander an.

Regina seufzte. Es war Zeit die Katze aus dem Sack zu lassen. »Das ist Mischa, der Kater deiner Oma.«

Nachwort

Auch diesmal behandeln die einzelnen Kapitel wieder märchenhafte Aspekte. Könnt ihr erraten, welches hier thematisiert ist?

Übrigens heißt das Kapitel in meinen Notizen: Der Kater aus dem Sack

Nächsten Mittwoch geht es weiter!

Anne/Poisonpainter

Von Kompassen und Märchen

Heute stellt Kaja Paulan in ihrem Märchensommer Gastbeitrag eine ganz besondere Sammlung von Märchenadaptionen vor.

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Von His Dark Materials zu den Grimmschen Märchen – Eine fantastische Reise

Philip Pullman ist ein Schriftsteller, der mit seinen Werken neue Maßstäbe in der Fantasy Literatur gesetzt hat. Seine epische „His Dark Materials“ Trilogie ist weltbekannt und begeistert immer noch die Menschen überall. Mit dieser Trilogie eröffnete er seinen Leser*innen nicht nur eine faszinierende Fantasy Welt, er beeindruckte sie auch durch deren philosophische und moralische Elemente. Doch wer von euch weiß eigentlich, dass er sich auch den Grimmschen Märchen zuwandte? Ich selbst bin ziemlich spät darauf gestoßen, und doch ist es eigentlich naheliegend, denn wir alle schreiben ja nicht im luftleeren Raum, auch die berühmtesten Fantasyerzähler nicht.

Der Spiegel schreibt über Philip Pullman: „Wie alle großen Märchenerzähler bedient Philip Pullman sich ohne Scheu aus anderen Märchen. Nach der Maxime »Lies wie ein Schmetterling und schreib wie eine Biene!« hat er, wie er selbst sagt, »Ideen aus jedem Buch gestohlen, das ich gelesen habe«.“

Einige dieser Ideen stammen sicher aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, wie ich euch in meinem Beitrag zeigen möchte.  Dabei beziehe ich mich vor allem auf Pullmans Kommentare und Anmerkungen aus „Grimm Tales: For Young and Old“, erschienen 2012.

In „Grimm Tales: For Young and Old“ hat Philip Pullman 50 Märchen der Brüder Grimm neu interpretiert. Dabei hat er sie nicht umgeschrieben oder verändert, er hat versucht, sie mit seiner eigenen Stimme zu erzählen. Selbst sagte er darüber: „Doch mein vorrangiges Interesse galt immer der Frage, wie die Märchen als Geschichten funktionieren. Mit diesem Buch verfolge ich einzig und allein das Ziel, die besten und interessantesten von ihnen zu erzählen und alles aus dem Weg zu räumen, was ihren freien Lauf hindert. “

Sein Ziel war es also, die Märchen für ein modernes Publikum zugänglicher zu machen, indem er den Erzählstil und die Sprache an die heutige Zeit anpasste. Er wollte die zeitlose Bedeutung und die moralischen Botschaften der Menschen bewahren, aber gleichzeitig auch seinen eigenen, künstlerischen Stil einbringen.

Märchen im Wandel der Zeit – Pullmans kreative Neuerzählungen

Wie eingehend Philip Pullman sich mit den Märchen befasst hat, zeigt sich in mehreren Interviews und Artikeln, die er diesem Thema gewidmet hat. Hier versucht er, dem Wesen der Märchen auf den Grund zu gehen. Er setzt sich mit ihren Figuren, ihrem Tempo, ihrer Poesie und der Bildsprache auseinander. Dabei stellt er fest, dass Märchen nicht einfach Texte sind, die aufgeschrieben wurden und nun unverändert so stehenbleiben wie die Werke großer Schriftsteller. Er meint, dass sich Märchen fortwährend im Wandel befinden, sich durch die Jahrhunderte hinweg ständig verändert haben und verändern werden.  Der Grund ist seiner Meinung nach, dass es mündlich überlieferte Geschichten sind. Viele Details hängen von der Befindlichkeit des Erzählers, der Erzählerin, ab. Pullman also schreibt die Märchen neu mit der Leitfrage im Kopf: „Wie würde ich diese Geschichte erzählen, wenn ich sie von jemand anderem gehört hätte und sie weitergeben wollte?“

Jeder Märchenerzähler, jede Märchenerzählerin drückt den Märchen einen individuellen, unverwechselbaren Stempel auf.  So auch Philip Pullman. Er sieht sich in der Tradition von Märchenerzähler*innen wie Dorothea Viechmann, Otto Runge, Dortchen Wild und all den anderen, die den Brüdern Grimm damals die Märchen erzählt haben, um sie zu bewahren.

Logik und Dramaturgie – Die Quellenforschung

Insgesamt hat Philip Pullman eine Menge Arbeit in seine Märchensammlung investiert. Er las die Kinder- und Hausmärchen in allen verschiedenen Auflagen und untersuchte ihre Veränderungen, er befasste sich mit ihren Quellen und wählte für seine Nacherzählung immer die seiner Meinung nach passendste Version aus. Er erklärt in den Anmerkungen zu „Grimm Tales: For Young and Old“, warum er gerade diese Versionen ausgewählt hat, wie er versuchte, logische Schwächen auszugleichen und aus dramaturgischen Gründen kleine Details hinzufügte. Pullman hat jedes Märchen gründlich untersucht und dabei Bezüge zu anderen Märchen hergestellt. Er untersuchte Quellen und entdeckte manchmal sogar Logikfehler, die im Verlaufe der Märchenbearbeitung durch die Brüder Grimm aufgetaucht sind. Auch hier beziehe ich mich wieder auf sein Buch „Grimm Tales: For Young and Old“. Seine Kommentare zu jedem einzelnen Märchen sind dort zwar recht knapp gehalten, aber dennoch äußerst informativ und interessant.

Denkanstöße und Veränderungen – Tradition und Moderne

Während Philip Pullman die meisten Märchen unverändert ließ und ihnen nur durch seinen Erzählton eine eigene Note gab, fügte er an anderen Stellen kleine Verbesserungen hinzu. Beispielsweise gab er im Märchen „Brüderchen und Schwesterchen“ dem Reh die Möglichkeit, an Stelle der Kinderfrau den König über die böse Hexe aufzuklären. Denn es ist für ihn, und da stimme ich ihm zu, völlig unverständlich, warum dieses Reh keine andere Funktion mehr im zweiten Teil des Märchens übernimmt. Im Märchen von Rapunzel griff er eine ursprüngliche Nuance auf, indem er die Schwangerschaft der Hauptfigur wieder einführte. Pullman dachte auch über die Rolle des Vaters im Märchen von Hänsel und Gretel gründlich nach. Er versuchte, logische Schwächen auszugleichen und ergänzte aus dramaturgischen Gründen kleine Details. In einigen Fällen entwickelte Pullman sogar alternative Versionen oder Lösungen für die Märchen. Im Märchen „Allerleirau“ suchte er nach einer Möglichkeit, den Vater zu bestrafen, der sein Kind durch geplanten Missbrauch aus dem Palast trieb. Jedoch veränderte er das Märchen nicht direkt, sondern fügte seine Gedanken und Ideen in die Kommentare ein, um die Lesenden zum Nachdenken anzuregen.

So stellt er die Märchen auf den Prüfstand, gibt moralische und philosophische Denkanstöße und liefert Diskussionsstoff für heutige Betrachtungs- und Erzählweisen.

Philip Pullman – Märchenerzähler des 21. Jahrhunderts

Mit „Grimm Tales: For Young and Old“ hat Philip Pullman bewiesen, dass er nicht nur ein Meister der Fantasy-Literatur ist, sondern auch ein herausragender Interpret der Grimmschen Märchen. Pullmans gründliche Untersuchung und seine Ideen für Verbesserungen oder alternative Versionen verleihen diesen Märchen eine neue Tiefe und regen dazu an, sie heute aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Philip Pullman hat mit seinem Werk einen wertvollen Beitrag zur Märchentradition geleistet und den Leser*innen die Möglichkeit gegeben, die Grimm’schen Märchen in einem neuen Licht zu sehen. Seine Interpretationen laden dazu ein, über die moralischen, philosophischen und zeitlosen Botschaften der Märchen nachzudenken und sie in den heutigen Kontext zu übertragen.

Quellen

Die Autorin

Kaja Paulan ist eine Autorin, die bereits als Kind ihre Liebe zum Schreiben entdeckte. Sie verbrachte Stunden damit, abenteuerliche und spannende Geschichten zu erfinden und in fantastischen Buchwelten zu versinken. Sie hat bereits mehrere Veröffentlichungen vorzuweisen, darunter den Fantasyroman „Ragnamar – Einbruch der Dämmerung“.

Die Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten begleitet sie auch in ihrer Arbeit als Grundschullehrerin. Kaja Paulan hat zwei erwachsene Kinder und wohnt mit ihrem Mann in der Nähe der Ostsee. Dort arbeitet sie unermüdlich an weiteren Geschichten und Romanen.

Homepage: Kaja Paulan
Facebook: Kaja Paulan Autorin
Instagram: @kajapaulan_fantasy oder @kajapaulan_kinderbuch

Nächste Woche erfahrt ihr noch mehr über Kaja und Ragnamar, bleibt gespannt!

Anne/PoiSonPaiNter

#CroMär: Kapitel 19

Das #CroMär geht weiter.

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Kapitel 19

Als Ralf endlich ankam, stand Regina mehrere Meter von Mischa entfernt. Ihre Nase lief, ihre Augen tränten und am liebsten wäre sie einfach weggerannt und hätte den Kater stehen lassen. Ihr schlechtes Gewissen ließ das nicht zu.

»Du siehst -«, noch bevor Ralf den Satz beenden konnte, tat Regina es für ihn: »Scheiße aus. Ich weiß.«

Ohne, dass sie fragen musste, reichte er ihr eine Tinktur, die sie sogleich hinunterstürzte. Zum Glück dauerte es nicht lange bis die Wirkung einsetzte, sodass sie endlich wieder frei atmen konnte. Nach einem knappen Danke, brachte sie ihn auf den aktuellen Stand während sie zu Mischa zurückkehrten.

»Der Zauber des gestiefelten Kater, lässt das Tier die neue Person spüren, wenn der Besitz wechselt«, erklärte Ralf ruhig. »Das heißt, wenn du dich weiter durch die Stadt bewegst, wirst du irgendwann Hannchen begegnen und sie erkennen.«

»Dann is doch alles geregelt?«, wollte Regina die Situation so schnell wie möglich beenden. Vielleicht konnte sie so doch noch ein paar Vorlesungen heute mitmachen.

»So einfach ist das leider nicht. Ja, ohne die Stiefel aktiv zu tragen, kann die Verwandlung aufrechterhalten werden, aber nur für einen begrenzten Zeitraum.« Ralf sah Mischa eindringlich an. »Je länger es dauert, deine Stiefel oder deine neue Herrin zu finden, umso mehr wirst du vergessen wen du suchst und was deine Aufgabe ist.«

»Ich hasse Zeitfenster«, brummte Regina genervt und verschränkte die Arme. Das hätte ihr bei der Entzauberung von Wolf schon mal fast das Genick gebrochen. »Wie schlimm wäre es, wenn das passiert?«

»Das kommt auf Mischa an«, entgegnete Ralf und hob eine Augenbraue in Richtung des Katers. »Wenn du ein ganz normaler Kater werden willst, kannst du den Zauber auslaufen lassen.«

Entsetzt riss Mischa Augen und Mund auf. »Niemals!«, schrie er ihnen entgegen und Regina war sich sicher, ein Fauchen hinter dem Wort zu hören. »Meine Herrin hat mich Hannchen vermacht und ich werde sie unterstützen und beschützen, bis sie im hohen Alter einschläft und mich weitergibt!«

Regina war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Wenn sie den Zauber richtig verstand, war der Kater nahezu ein Sklave der Magie, allerdings schien er ihm auch gewisse Freiheiten wie den Gestaltwandel und die damit verbundenen Möglichkeiten zu geben. Und wer war sie ihm seinen Lebensstil auszureden?

»Seit wie vielen Generationen bist du schon Gestiefelt?«, fragte Ralf unvermittelt und kramte nebenbei in seiner Tasche.

Mischa kratzte sich mit der eingeknickten Hand am Ohr, sah hin und her, dann zuckte er mit den Schultern. »Die Zeit ist so lang, ich habe die ersten mittlerweile vergessen. Vor meiner alten Herrin erinnere ich mich an vier andere, aber ich weiß, da waren mehr.«

»Und du bleibst immer bei ihnen bis sie sterben?«, hakte Regina nach, während sie im Kopf nachrechnete, wie alt der Kater sein musste und ob er dadurch älter war als Ralf.

»Oder sie mich weiterschicken«, kommentierte Mischa nur mit einem erneuten Schulterzucken.

»Es gibt einen Weg, wie wir die Suche beschleunigen können«, verkündete Ralf und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden.

Mischa folgte ihm sogleich in die Hocke und sah ihn neugierig an, Regina betrachtete die Szene vor sich skeptisch. Auf Ralfs Schoß lag ein Zeichenblock, neben ihm ein schwarzes Kästchen mit einem seltsamen Stein und einem Pinsel. Aus einer Flasche tropfte Ralf etwas Wasser in das Kästchen und rieb dann in langsamen Kreisen den Stein darüber. Diesen Vorgang wiederholte er einige Male, dann sah er Mischa erwartungsvoll an.

»Ich brauche einen Tropfen Blut von dir für den Zauber.«

Erschrocken fiel Mischa auf den Hosenboden, aber dann streckte er pflichtbewusst die Hände über die Flüssigkeit, die sich im Kästchen gesammelt hatte, und piekte sich mit dem spitzen Fingernagel in den Finger der anderen Hand. Ein einzelner Tropfen fiel in die seltsame Mischung und Ralf zog erneut einen Kreis, diesmal mit dem Pinsel. Dann setzte er diesen auf das Papier und begann zu zeichnen. Erst jetzt verstand Regina, dass er eine Art Kalligraphie-Technik verwendet, um den Zauber zu wirken.

Einen Zauber, der ein reales Ebenbild der gezeichneten Katze aus dem Papier steigen ließ.

Nachwort

Auch diesmal behandeln die einzelnen Kapitel wieder märchenhafte Aspekte. Könnt ihr erraten, welches hier thematisiert ist?

Übrigens heißt das Kapitel in meinen Notizen: Der Zauberer der Katzen malte

Nächsten Mittwoch geht es weiter!

Anne/Poisonpainter

Märchensommer Buchvorstellung #2

Willkommen in der dritten Woche des Märchensommers!

Auch dieses Mal stelle ich euch wieder Märchenadaptionen vor, die seit dem letzten Mal erschienen, bzw. die ich seit dem letzten Mal entdeckt habe!

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Mit Schätze neu erzählt hat Katharina Gerlach eine ganze Reihe Kurzgeschichten-Märchenadaptionen erschaffen, die ich euch heute vorstelle. Mehrere von ihnen gibt es auch jeweils in Sammelbänden!

In einer Welt, in der Technik (Steampunk) und Märchen aufeinandertreffen, wandelt Katharina die bekannten und weniger bekannten Märchen ein wenig ab.

Cover "Der Zwerg und die Zwillinge"
Cover "Die Stiefmutter"
Alt "Des Königs Mechanikerin"

Der Zwerg und die Zwillinge (Schneeweißchen und Rosenrot) wir der Zwerg zum Flcuhthelfer, noch ehe die Schwestern geboren werden, Die Stiefmutter (Brüderchen und Schwesterchen) wandelt die im Märchen dargestellte böse in eine besorgte Stiefmutter und Des Königs Mechanikerin (Die Schöne und das Biest) ist eine begabte junge Frau, die ihren Bruder und sich mit ihrer Handfertigkeit vor Unheil bewahrt oder doch eher stiftet?

Cover "Die Waldhütte"
Cover "Hannes und Maggie"
Cover "Bellarosa"

Die Waldhütte (Die Hütte im Wald) ist tatsächlich ein Märche, dass ich noch nicht kenne. Ein Fluch auf einer Hütte im Wald und ein Mechanik-Verbot, dass eindeutig nach einer Folge des letzten Bandes klingt …
Hannes und Maggie (Hänsel und Gretel) sind zur Abwechslung mal keine Geschwister! Und werden entsprechend auch nicht ausgesetzt, stattdessen werden junge Mädchen aus der Stadt entführt. Können sie das Rätsel lösen? In Bellarosa (Dornröschen) finden wir heraus, was sie in ihrer langen Schlafenszeit träumt oder doch erlebt?

Cover "Schwanenprinz"
Cover "Der Wettstreit"
Cover "Amber Ash"

In der Schwanenprinz (Die wilden Schwäne) begeben wir uns in die Märchenwelt des Hans Christian Andersen und folgen der Geschichte von in Schwänen verwandelten Brüdern, deren Flug ein jähes Ende findet. Im Der Wettstreit (Das kalte Herz) bekommt Willhelm Hauffs düsteres Märchen eine ganz anderen Hintergrund und nicht mehr der Schatzhauser, sondern zwei Wettstreitende experimentieren hier mit dem Herzen eines Menschen. Amber Ash gibt dem altbekannten Aschenputtel ein bisschen mehr Eigeninitiative und spannenderweise einen Stiefvater an die Seite.

Cover "Das Erbe"
Cover "Die Talkshow"
Cover "Obsidianherz"

Das Erbe (Der gestiefelte Kater) bedient ein Märchen, dass mich diesen Märchensommer ein bisschen verfolgt und auch hier gibt es einen Twist, denn das sprechende Katertier ist selbst verflucht! Die Talkshow (Der Teufel mit den drei goldenen Haaren) zeigt, wie der der Teufel seine goldenen Haare wiederbekommt – und warum er überhaupt so viel Unheil anrichten musste. Obsidianherz (Die Schwestern mit den Glasherzen) ist auch wieder ein mir unbekanntes Märchen von Richard von Volkmann-Leander und verbindet den Inhalt mit dem Lied „Jet Black Heart“ von 5 Seconds of Summer und gibt auch hier wieder den Charakteren mehr Handlungsmacht.

Cover "Die Wiege"

Als Teaser der Reihe gibt es auch noch das ganz kurze Die Wiege (Der kleine Hävelmann) in dem die Geschichte aus der Perspektive der Mutter erzählt wird.

Zusammengefasst, lässt sich die Reihe beschreiben als: Was wäre wenn die Brüder Grimm/Andersen/etc. einen Aspekt der Geschichte falsch verstanden/interpretiert oder nicht berücksichtigt hätten?

Wirklich sehr spannenende Art eine Adaption zu schreiben!

Dieses Jahr gibt es noch ein Interview mit Katharina, bleibt also gespannt!

Habt ihr eines oder mehrere der Bücher schon gelesen?

Anne/PoiSonPaiNter

#CroMär: Kapitel 18

Das #CroMär geht weiter.

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Kapitel 18

Resigniert nahm Regina das Handy aus der Tasche und schrieb Becky, dass sie es nicht schaffen würde und dass sie sie bitte abmelden und ihr die Mitschrift schicken solle. Auf die Nachfrage, ob etwas Schlimmes sei, kommentierte Regina nur, es sei nervig und fragte sich wiederholt, ob sie ihre Freundin einweihen sollte und ob sie das überhaupt durfte. Uni für den Tag abgehakt, ging sie ein paar Schritte Beiseite und rief ihren Joker in Sachen magische Probleme an. Es dauerte einen Moment bis er mit einem verschlafenen »Guten Morgen« antwortete.

Verdammter Langschläfer, sie wollte auch zurück ins Bett!

»Raaaalf! Du musst mir helfen!«, flehte sie durch den Hörer. »Ich habe einen gestiefelten Kater ohne Schuhe und Herrin und muss die ganze Zeit niesen. Das pack ich nicht allein, wenn ich ihm helfen soll!« Zur Bestätigung tat sie genau das.

»Kannst du nicht deine Oma fragen?«

»Was meinst du, von wem ich die Katzenhaar-Allergie habe?« Sie wusste nicht, ob das so stimmte, aber so konnte sie jemanden anderen die Schuld in die Schuhe schieben. Immerhin hatte der Kater sie vermutlich aufgrund ihrer Magie oder magischen Aura oder so etwas überhaupt erst angesprochen.

Ralf seufzte, rieb sich vermutlich die Augen, wie sie es schon oft gesehen hatte, wenn sie sich verquatscht hatten und es spät geworden war. »Okay«, sagte er schließlich. »Was ist genau passiert?«

Regina murmelte eine Kurzfassung, beschäftigt damit, ihre laufende Nase zu bändigen.

Wieder seufzte Ralf, verstand sie ohne viele Worte. »Wo bist du?«

»In der Uni, wo ich eigentlich die Vorlesung hätte, auf die ich mich schon die ganze Woche freue!« Ihr Frust war unverkennbar in ihrer Stimme. Im Augenwinkel sah sie, wie Mischa sich zusammenkrümmte, aber das war ihr nur recht.

»Gib mir zwanzig Minuten, dann bringe ich dir was für deine Nase. Bis dahin hast du vielleicht schon mehr aus dem Katerchen herausbekommen.«

»Einverstanden. Danke!«

Sie drehte sich wieder zu Mischa und nahm den vorherigen Faden wieder auf. »Du hast dir dann also Klamotten besorgt und bist hergekommen?«

»Genau, die hingen auf einer Leine!«

Regina nickte, das erklärte zumindest die unpassende Kleidung, aber eine Sache nicht: »Wie kannst du überhaupt menschliche Gestalt annehmen ohne Stiefel?«

»Ich muss meine Stiefel nicht tragen, um es zu können, aber sie dürfen nicht zerstört werden, dann verwandel ich mich wieder zurück. Außer meine neue Herrin schenkt mir neue Stiefel.«

»Hast du denn den Namen von ihr?«

»Hannchen«, verkündete er stolz.

»Und sie geht hier zur Uni?«

Das ließ ihn in sich zusammensinken. »Meine Herrin hat immer gesagt, was für ein kluges Mädchen ihr Hannchen ist.«

»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«

»Ich habe Orte gesucht, wo kluge Menschen sind und dann habe ich Euch bemerkt.« Der Kater verbeugte sich, was Regina noch mehr irritierte als die Förmlichkeit. Immerhin wusste sie jetzt, dass er ihre Magie tatsächlich erkannt.

»Du hast also keine Ahnung, wer sie ist, wo sie wohnt und wie du sie finden kannst«, fasste Regina die Situation zusammen.

Mischa zuckte mit den Schultern, ein unschuldiges Lächeln im Gesicht.

»Großartig.«

Nachwort

Auch diesmal behandeln die einzelnen Kapitel wieder märchenhafte Aspekte. Könnt ihr erraten, welches hier angedeutet ist?

Übrigens heißt das Kapitel in meinen Notizen: Der Kater der auszog, sein neues Zuhause zu finden

Nächsten Mittwoch geht es weiter!

Anne/Poisonpainter

#CroMär: Kapitel 17

Auch in diesem Märchensommer möchte ich die Geschichte um Regina weitererzählen und habe ein Update des #CroMär für euch vorbereitet.

Das Märchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "Märchensommer" über einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grünen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Doch zunächst …

Was bisher geschah …

Regina soll ihrer kranken Oma etwas zu Essen vorbeibringen. Auf dem Weg dahin begegnet sie ihrer Tante, die ihr einen Diät-Apfel andreht und ihrem Jugendschwarm Wolf, der sie zum Wunderjunggesellenball einlädt. Hin und hergerissen schließt Regina einen Deal um den ersten Kuss des Abends mit einem seltsamen Förster, damit sie den Apfel, den sie grad erst entsorgt hat, zurückbekommt.
Allerdings war das erst der Anfang der bizarren Ereignisse, denn bald stellt sich heraus, dass ihre Oma keine geringere als Frau Holle ist und mit der Baba Yaga eine ernstzunehmende Rivalin hat.
Das am Ende des Ballabends Wolf dann ein Frosch ist, war auch nicht das was Regina davon erwartet hatte.

Am nächsten Morgen hat Regina ein schleimiges Erwachen, denn sie hat Wolf mit nach Hause genommen. Mit Hilfe ihrer Familie und dem Förster, der eigentlich Ralf heißt und sich als Rumpelstilzchen vorstellt, macht Regina sich daran in wieder zurückzuverwandeln. Was gar nicht so leicht ist, da er einsehen muss, wie sehr sein Handeln sie verletzt hat …

Ausführlich könnt ihr es hier nachlesen: #CroMär

Ein paar Monate später trifft Regina erneut mit Marie zusammen, die verzweifelt ihre mal wieder ausgebüchste Ziege sucht. Doch bald stellt sich heraus, dass sie nicht nur gerne Ralfs Rapunzeln frisst, sondern auch ein verzauberter Mensch ist. Gemeinsam befreien sie die junge Frau von ihrem Fluch. Doch Regina erfährt dabei ein Geheimnis über Ralf, denn Rumpelstilzchen ist nur ein Deckname. Früher nannten sie ihn Koscheii und er ist der Sohn eines Aspekts der Baba Yaga.

Und nun geht es wieder ein paar Monate später weiter mit:

Kapitel 17

Regina war schon wieder viel zu spät dran. Sie hielt die Schlinge ihrer Laptoptasche fest im Griff als sie schnellen Schrittes auf das Unigebäude zulief. Warum musste ihre Mutter auch darauf bestehen, dass sie jetzt jeden Morgen Magieübungen machte, bevor sie aus dem Haus ging? Damit verbrachte sie schon nahezu alle Nachmittage, Abende und Wochenenden. Sie hatte dadurch kaum noch Zeit für ihre Freunde, denn wenn sie nicht übte, musste sie Unikram nachholen, den sie deswegen hinauszögerte. Es war zum Kotzen. Viel lieber würde sie in die Zeit zurückkehren, in der sie eine ganz normale Informatikstudentin gewesen war. Ohne den ganzen magischen Firlefanz. Sollte doch wer anderes den Mantel der Holle übernehmen. Bisher hatte sich noch immer eine passende Frau für die Rolle gefunden.

»Die Magie befindet dich für würdig, du wirst die nächste Holle!«, klingelten ihr die Worte ihrer Oma in den Ohren und Regina schüttelte sie energisch weg.

Algorithmen und Datenstrukturen, das war jetzt wesentlich wichtiger als Wetterzauber oder Backmischungen mit dem gewissen Etwas.

»Entschuldigung?«, riss eine verängstigte Stimme sie aus ihrer Eile.

Regina hielt inne und fand eine merkwürdig gekleidete junge Person an die Hauswand gedrängt. »Ja?«

»Ich brauche Hilfe«, eröffnete die Person, als wenn das nicht offensichtlich wäre.

Die Jacke war viel zu groß, die Hose hingegen zu kurz und Schuhe trug sie gar nicht erst.

»Brauchst du die Polizei? Wurdest du überfallen?«

Die Person schüttelte den Kopf. Aus ihrem androgynen Aussehen konnte Regina nichts ableiten, dass ihr bei der weiteren Identifizierung helfen konnte.

»Ich suche meine Herrin, aber ich bin neu in der Stadt und kenne mich noch nicht mit all dem aus.«

Ein Gefühl beschlich Regina, dass dies ein magisches Problem war, aber sie verdrängte den Gedanken. Stattdessen fragte sie nach einem Namen und stellte sich selbst ebenfalls vor.

»Ich heiße Mischa.« Ihr Gegenüber grinste so breit, dass Regina scharfe Eckzähne erkennen konnte. Auch das sprach für ihre Befürchtung, aber noch gab es dafür keine Beweise. Stattdessen fragte sie nach dem Geschehen.

Nach ein wenig rumdrucksen packte Mischa aus. »Meine alte Herrin ist gestorben und ich soll jetzt ihrer Enkelin zur Seite stehen, also habe ich eine menschliche Gestalt angenommen und mich auf den Weg gemacht. Aber als ich hier ankam, habe ich mich verlaufen und in einer Gasse mich zum Schlafen gelegt. Als ich aufgewacht bin, waren die Sachen weg, die meine alte Herrin mir geschenkt hatte. Inklusive meiner Stiefel! Meiner wunderbaren Stiefel!« Mischa schnupfte, wischte sich mit dem Handgelenk über die Nase.

Regina klappte die Kinnlade runter. Hatte sie das gerade richtig gehört? Menschliche Gestalt angenommen? Sie wiederholte die Worte skeptisch.

»Ja, ich bin ein waschechter gestiefelter Kater!«, verkündete Mischa stolz.

Wie zur Bestätigung nieste Regina. Kein es-kribbelt-in-der-Nase-Niesen, nein, ein Allergie-Niesen. Regina stöhnte. Es war ein magisches Problem.

»Ein gestiefelter Kater, nur, dass …«, sie sah zu seinen schuhlosen Füßen, »du keine trägst.«

»Das ist Teil meines Problems.«

Wieder stöhnte Regina, den Kopf gen Himmel gestreckt. Das konnte heiter werden.

Nachwort

Auch diesmal behandeln die einzelnen Kapitel wieder märchenhafte Aspekte. Könnt ihr erraten, welches hier thematisiert ist?

Übrigens heißt das Kapitel in meinen Notizen: Der ungestiefelte Kater.

Nächsten Mittwoch geht es weiter!

Anne/Poisonpainter