Daily Archives: 13. Juni 2018

Die Baba? Die Jaga? Die Baba Jaga! (Teil 1)

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Heute gibt es wieder einen Gastbeitrag. Diesmal zu einer meiner Lieblingsfiguren und weil Katherina so viel zu ihr schreiben konnte, haben wir entschieden den Beitrag aufzuteilen, ein bisschen was kommt also noch später..

Grimm’sche Hexe und Baba Jaga – zwei Mal Hexe? – Teil 1

Letztes Jahr berichtete ich von den berühmten russischsprachigen Märchensammlern und Dichtern, dieses Jahr beleuchte ich den Unterschied zwischen Baba Jaga und den namenlosen Hexen bei den Brüdern Grimm. Aus Übersichtsgründen fokussiere ich mich dabei vor allem auf die Figur der Baba Jaga in russischsprachigen Märchen, es gibt noch zahlreiche regionale Unterschiede, so die Tradition der „Pechtrababajagen“ im heutigen Kärnten oder eine kleine Region im heutigen Slowenien, in der „Baba Jaga“ früher ein Synonym für den Winter war.

Herkunft und historische Herleitung

Die europäische Hexe ist allen bekannt, hier möchte ich nur die Basics auffrischen. Magiekundige Frauen sind schon bei Homer belegt und auch das nicht gerade positiv, sowohl Kirke als auch Medea haben kein gutes Ende. Hier sind die Hexen allerdings noch junge, attraktive Frauen, die zusätzlich der Zauberkraft mächtig sind.
Grundsätzlich waren zauberkundige Frauen jedoch in der Literatur und Geschichte nicht ausschließlich negativ besetzt – aus großer Macht folgt große Verantwortung und so sieht man hier Frauen, die ihre Zauberkräfte nutzen, um ihre Gelüste zu erfüllen (Kirke), um sich zu rächen oder Frauen, die aufgrund tiefster Verzweiflung ihre Kräfte spielen lassen.

Im Sagenbereich vermischen sich dann Sagen über Hexen mit Geschichten über menschenfressende Figuren. Sagen wir, es ist kompliziert.

Noch komplizierter wird es bei der Baba Jaga, die möglicherweise von einer nornenähnlichen Figur abstammt. Oder einer Göttin. Oder einem Tiergeist. Weiter unten mehr dazu.

Der Name

Ein Unterschied springt sofort ins Auge – während Baba Jaga einen eigenen Namen hat und mit diesem genau eine (in einigen Märchen auch genau drei) Person(en) gemeint ist, ist das Wort „Hexe“ ein Sammelbegriff.

Baba Jagas Name lässt sich in zwei Bestandteile aufschlüsseln. „Baba“ ist ein auch heute noch verwendetes Wort für „Weib“. Heute nur noch im Sinne von „grobschlächtige, nicht feminine, meist ältere Frau“, früher hingegen ein ganz normales Wort. Statt „Babuschka„, dem russischen Wort für Großmutter, bringen außerdem viele Eltern ihren russischsprachigen Kindern erst einmal die vereinfachte Form „Baba“ bei, weil es analog zu „Mama“ und „Papa“ für einen Kindermund angeblich einfacher zu bilden ist.
Schwieriger wird es beim zweiten Teil, „Jaga“. Einige Forscher*innen führen ihn auf den polnischen Vornamen „Jadwiga“ zurück, andere leiten ihn vom urslawischen Wort für „Schrecken“, dem slowenischen Wort für „Zorn“ und dem alttschechischen Wort für „Lamie“ ab. Einige Ethymologen sehen eine Verbindung zum urslawischen Wort für „Schlange“ oder „Untier“. Der erste Beleg für diesen Namen stammt von Giles Fletcher, dem Älteren, einem englischen Dichter und Diplomaten, der in seiner Schrift „Of the Russe Common Wealth “ von 1588 erwähnte, von der Anbetung eines goldenen Götzen der Baba Jaga gelesen zu haben. Es scheint sich also um eine alte slawische Göttin zu handeln.

Das Wort „Hexe“ ist etymologisch sehr schwierig. Man kann es auf Wörter wie „Hagzissa“ zurückführen und es ist mit dem modernen englischen „hag“ verwandt (das wiederum was mit Zäunen zu tun hat). Oder mit alten norwegischen Wörtern für „Elbin“ und „Dienstmädchen“. Ähm. Es ist schwierig. Das Wort selbst scheint jedoch erst mit der Christianisierung wirklich die Bedeutung „Frau, die (Schadens-)Zauber wirkt“, angenommen zu haben.

Andere Wissenschaftler*innen interpretieren den Namen nicht als Zaun- sondern als Zaunlatte und diesen als Vorform des Flugbesens. Tatsächlich gibt es Geschichten, in denen das Reitgerät der Hexe eine solche ist, sodass auch die Möglichkeit besteht, dass der Name für die Hexe von ihrem ursprünglichen Reitgerät benannt wurde.
Das deutsche Wort ist seit 1402 belegt.

In der mittelalterlichen Lebenswelt war der Zaun das, was das Dorf vom Wald abgrenzt – eine auf dem Zaun sitzende oder reitende Gestalt wäre somit – ähnlich wie Baba Jaga – ein Wesen, das zwischen der Menschenwelt und der Welt der Dämonen sitzt.

Das Aussehen

Hier sind sich die Märchensammler der Vergangenheit einig – sowohl die Grimm’sche Hexe als auch Baba Jaga sind hässliche, alte Frauen. Weniger einig ist man sich darüber, wie viele Hexen es eigentlich gibt.

Während die europäische Hexe austauschbar ist, ist „Baba Jaga“ schließlich ein Eigenname. Ähnlich wie es im keltischen und nordischen Sagenkreis jedoch zauberkundige Frauen gibt, die eine Dreieinigkeit bilden – Jungfrau, Mutter, Alte – gibt es auch Varianten der Geschichte von Baba Jaga, in der drei gleichnamige Schwestern unter einem Dach wohnen: Ein Mädchen, eine Matrone und eine Alte.
Reste davon finden sich in Märchen, in denen eine ungeliebte Stieftochter von der Stiefmutter zu „ihrer Schwester Baba Jaga“ geschickt wird, angeblich, um Nadel und Faden zu holen.
Wichtig ist außerdem, dass die Baba Jaga beispielsweise bei Vladimir Dal bewusst als „mit unbedeckten Haaren und in einem ungegürteten Hemd“ beschrieben wird, was bei den christianisierten Slawen als anstößig gilt.
Baba Jaga wird meist als große, bucklige Frau mit einer langen Nase beschrieben. Oft wird sie auch als „Baba Jaga Knochenbein“ bezeichnet – denn in einigen Geschichten besteht eines ihrer Beine nur aus … Gebein. So kann sie mit einem Fuß im Diesseits, mit dem anderen im Jenseits stehen.

Die Hässlichkeit einer Grimm’schen Hexe dient als äußerer Ausdruck ihrer Boshaftigkeit. Das Märchen kehrt sozusagen das Innere nach außen.

Fähigkeiten

Auf den ersten Blick haben die beiden Hexen viele Gemeinsamkeiten: Beide können zaubern und fliegen. Beiden wird in einigen Märchen Kannibalismus nachgesagt (vgl. „Hänsel und Gretel“ auf der Grimm’schen Seite und Aleksey Tolstois Version des Märchens „Wilde Schwäne„, wenn auch nicht in der Version von Afanasjev und dem Märchen „Baba Jaga„, in dem die Schwester der Hexe ihre ungeliebte Stiefschwester zu ihr schickt. Das Codewort „Ich soll Nadel und Faden holen“ ist für Baba Jaga das Signal, dass ihr das Mädchen als Opfergabe geschickt wurde – also um es zu essen).
Oft hat Baba Jaga eine große Dienerschaft – im bereits erwähnten Märchen „Baba Jaga“ dient ihr ein Hund, ein Kater, Birkenbäume und ein Dienstmädchen, die von der Heldin bestochen werden müssen, damit sie entkommen kann.
Auch eine Hexe wird oft von Tieren begleitet: Meist schwarze Katzen, Raben, Eulen oder Kröten. Manchmal begleiten auch kleine Hunde die Hexe.
Beide können außerdem Menschen in Tiere und Dinge verwandeln – und umgekehrt.
Baba Jaga verschenkt gelegentlich auch Zauberdinge oder etwas Hilfreiches an den vorbeiziehenden Recken oder den gutmütigen Jüngling. Ob sie diese Zauberdinge selbst herstellt, geht aber aus den Märchen meist nicht hervor.
Anders als Baba Jaga (deren Fluggefährt ein Mörser ist), fliegt eine Märchenhexe meist auf einem Besen und reibt sich mit Hexensalbe ein – von Baba Jaga ist eine solche nicht überliefert.

Und damit machen wir Schluss für heute …

Die Autorin

Katherina Ushachov zog im Alter von sechs Jahren aus dem sonnigen Odessa nach Deutschland. Zwanzig Jahre später machte sie Vorarlberg zur neuen Wahlheimat. Sie schreibt seit der Schulzeit, weil sie ohne das Schreiben nicht mehr leben kann. Wenn die freie Lektorin nicht gerade an einem ihrer Romane arbeitet, textet sie für mehrere gemeinschaftlich geführte Blogs oder erzählt auf ihrer Homepage vom Alltag als junge Autorin.

Homepage: Keller im 3. Stock
Lektorat: Phoenixlektorat
Weltenbau: Weltenschmiede
Facebook: Katherina Ushachov – Autorin
Twitter: @evanesca

Was euch in Teil 2 erwartet:

  • Die Behausung der Hexe und der Baba Jaga (auch wenn ihr letzteres eventuell schon kennt)
  • Die Bedeutung der Baba Jaga (und der Hexe) und
  • das Fazit

Bleibt also gespannt, was es über diese faszinierende Hexe noch zu erfahren gibt.

Anne/PoiSonPaiNter

P.S. Der Beitragstitel ist ein Zitat aus einem der unzähligen russischen Märchenfilme in denen Baba Jaga auftaucht.

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Lies auf Deutsch

The Baba? The Jaga? The Baba Jaga! (Part 1)

Today we have another guest contribution. This time to one of my favorite characters and because Katherina could write so much to her, we decided to split the contribution, so some things will come later.

Grimm’s Witch and Baba Jaga – Twice a Witch? – Part 1

Last year I talked about the famous Russian Fairy Tale collectors and poets, this year I illuminate the difference between Baba Jaga and the nameless witches at the Brothers Grimm. For reasons of clarity, I focus primarily on the figure of Baba Jaga in Russian fairy tales, there are still numerous regional differences, such as the tradition of „Pechtrababajagen“ in today’s Carinthia or a small region in today’s Slovenia, where „Baba Jaga“ used to be a synonym for winter.

Origin and historical background

Everybody knows the European witch, here I just want to refresh the basics. Women who know magic are already documented by Homer and this is not exactly positive either, neither Kirke nor Medea have a good ending. Here, however, the witches are still young, attractive women who also have the power of magic.
Basically, however, magical women were not only negatively represented in literature and history – with great powers comes great responsibility and so here you see women who use their magical powers to fulfill their desires (Kirke), to avenge themselves or women who let their powers unfold because of deepest desperation.

In the legend area legends about witches mix with stories about man-eating characters. Let’s just say it’s complicated.

It gets even more complicated with the Baba Jaga, which possibly comes from a norn-like figure. Or a goddess. Or an animal spirit. More on this below.

The name

One difference is immediately obvious – while Baba Jaga has her own name and by this one (in some fairy tales also exactly three) person(s) is meant, the word „witch“ is a collective term.

Baba Jaga’s name can be broken down into two parts. „Baba“ is still used today for „woman“. Today only in the sense of „coarse, not feminine, mostly older woman“, but in former times a completely normal word. Instead of „Babushka„, the Russian word for grandmother, many parents also teach their Russian-speaking children the simplified form „Baba“, because it is supposedly easier to make for a child’s mouth, analogous to „Mama“ and „Papa“.
The second part, „Jaga“, is more difficult. Some researchers attribute it to the Polish first name „Jadwiga“, others derive it from the original Slavic word for „horror“, the Slovenian word for „anger“ and the Old Czech word for „Lamia„. Some ethymologists see a connection to the original Slavic word for „snake“ or „beast“. The first evidence of this name comes from Giles Fletcher, the Elder, an English poet and diplomat, who mentioned in his 1588 book „Of the Russe Common Wealth“ that he had read about the worship of a golden idol of Baba Jaga. So it seems to be an old Slavic goddess.

The word „witch“ is etymologically very difficult. It can be traced back to words like „Hagzissa“ and it is related to the modern English „hag“ (which in turn has to do with fences). Or with old Norwegian words for (female) „alb“ and „maid“. Um. It is difficult. However, the word itself only seems to have taken on the meaning „woman casting (damage) spells“ with the Christianization.
Other scientists interpret the name not as a fence but as a fence batten and this as a preform of air broom. In fact, there are stories in which the witch’s riding device is one, so there is also the possibility that the name for the witch was named after her original riding device.
The German word „Hexe“ has been used since 1402.
In the medieval world, the fence was what separates the village from the forest – a figure sitting or riding on the fence would therefore be – similar to Baba Jaga – a being sitting between the human world and the world of demons.

The appearance

Here the fairy tale collectors of the past agree – both Grimm’s witch and Baba Jaga are ugly, old women. There is less agreement about how many witches there are.

While the European witch is interchangeable, „Baba Jaga“ is after all a proper name. Similar to the Celtic and Nordic myths, however, there are magical women who form a trinity – virgin, mother, old woman – there are also variants of the story of Baba Jaga, in which three sisters of the same name live under one roof: A girl, a matron and an old lady.
Remains can be found in fairy tales in which an unloved stepdaughter is sent by the stepmother to „her sister Baba Jaga“, allegedly to get a needle and thread.
It is also important that the Baba Jaga is consciously described by Vladimir Dal, for example, as „with uncovered hair and in an unbelted shirt,“ which is considered offensive by the Christianized Slavs.
Baba Jaga is usually described as a tall, hunchbacked woman with a long nose. Often she is also called „Baba Jaga bone leg“ – because in some stories one of her legs consists only of… bone. So she can stand with one foot in this world, with the other in the hereafter.

The ugliness of a Grimm witch serves as an external expression of her malice. The fairy tale turns the inside out, so to speak.

Abilities

At first glance, the two witches have a lot in common: Both can do magic and fly. Both are said to be cannibalistic in some fairy tales (see „Hansel and Gretel“ on the Grimm side and Aleksey Tolstoy’s version of the tale „The Magic Swan Geese„, although not in the version of Afanasjev and the tale „Baba Jaga„, in which the witch’s sister sends her unloved stepsister to her. The code word „I shall get needle and thread“ is the signal for Baba Jaga that the girl was sent to her as a sacrifice – that is to eat her).
Baba Jaga often has a great servanthood – in the aforementioned fairy tale „Baba Jaga“ a dog, a tomcat, birch trees and a maid serve her, who must be bribed by the heroine so that she can escape.
Even a witch is often accompanied by animals: Mostly black cats, ravens, owls or toads. Sometimes even small dogs accompany the witch.
Both can also turn people into animals and things – and vice versa.
Baba Jaga occasionally gives away magical things or something helpful to the passing heroes or the good-natured young man. Whether she makes these magic things herself, however, usually does not originate from the fairy tales.
Unlike Baba Jaga (whose flying vehicle is a mortar), a fairy tale witch usually flies on a broom and rubs herself with witch ointment – there is no such story of Baba Jaga.

And that’s the end of it for today…

The Authoress

Katherina Ushachov moved from the sunny Odessa to Germany at the age of six. Twenty years later she turned Vorarlberg into her new chosen home. She is writing since school times, as she can’t live without writing any more. When the free Copy Editor isn’t working on one of her novels, she writes for several collaboratively lead Blogs or talks about her every day life as young authoress on her homepage.

Homepage: Keller im 3. Stock
Copy Editor: Phoenixlektorat
Worldbuilding: Weltenschmiede
Facebook: Katherina Ushachov – Autorin
Twitter: @evanesca

What you can expect in Part 2:

  • The house of the witch and the Baba Jaga (even if you may already know the latter)
  • The Meaning of Baba Jaga (and the Witch) and
  • the Conclusion

So stay tuned for more information about this fascinating witch.

Anne/PoiSonPaiNter

P.S. The post’s title is a quote from one of the many Russian Fairy Tale movies Baba Jaga appears in.