Wie schon im letzten Jahr, habe ich ein paar Märchenspinnerinnen im Rahmen des Märchensommers ein paar Fragen über ihre Adaptionen und Märchen gestellt.
Katherina Ushachov – Autorin von „Zarin Saltan“
Ein paar Daten zu dir:
Ich wurde 1990 in Odessa geboren und habe russische Märchen mit der Muttermilch aufgesogen, wie die deutschsprachigen Kinder die Märchen der Brüder Grimm. Geschichten erzählt habe ich schon immer – mit Hilfe von Bildern und krakeligen kyrillischen Blockbuchstaben, die ich dann herumgezeigt und aufgeschlüsselt habe. Als ich dann schreiben lernte, stellte ich fest, dass Geschichten ohne die ganzen Bilder dazu einfach viel schneller gehen. Seit ich 2001 Microsoft Office für mich entdeckt habe – und die Tatsache, dass Tippen noch mal schneller geht, als handschriftlich zu schreiben, gab es kein Halten mehr. Neben einer Potter-Fanfiction war mein erster Romanversuch mit zehn die Geschichte eines fußballspielenden Mädchens, das es mit einem fiesen Lehrer zu tun bekommt.
Bis ich meinen ersten Roman vollenden konnte, vergingen aber acht weitere Jahre. Er erscheint unter dem Titel „2145 – die Verfolgten“ bald bei O’Connell Press.
Vorneweg ein paar Fragen zu deinem Band „Zarin Saltan“ und der Märchenspinnerei:
1. Welches Element deines Märchens war am Schwierigsten umzusetzen?
Die, die ich weggelassen habe. Ich konnte weder mit dem Babyjungen, der innerhalb eines Tages zum Mann heranreift noch mit der Schwanenprinzessin arbeiten – ich wusste nicht, was ich mit denen tun soll. Schwierig war auch die dritte Frau – neben den Schwestern der jungen Zarin gab es noch eine im Märchen nicht näher beschriebene Frau, die Teil der Intrigen war. Ich musste lange überlegen, ehe ich für die dritte Intrigantin eine Lösung hatte, mit der ich zufrieden war.
2. Was hat dich bei der Arbeit am Märchen am meisten zur Verzweiflung gebracht?
Die Romantikanteile. Das geht schon damit los, dass die zwei Figuren sich in den ersten zwei Kapiteln auf den ersten Blick ineinander verlieben und zieht sich dann durch einen weiteren Teil des Anfangs. Es fiel mir wesentlich leichter, den vertrauten Umgang zwischen dem Paar zu beschreiben, sobald es als solches etabliert war. Das kann ich. Kleine Gesten, Blicke, sowas.
Aber das ganze Verliebtheitsgeplänkel, das hat mir bestimmt ein paar graue Haare eingebracht!
3. Welche Fassung (Film, Erzählung, Adaption) deines Märchens, außer deiner eigenen, magst du am liebsten?
Es gibt glaube ich gar nicht so viele davon … Die Spielfilmfassung habe ich irgendwie kein bisschen in Erinnerung. Als Kind mochte ich die Trickfilmfassung von Sojusmultfilm. Inzwischen sehe ich sie deutlich kritischer, aber andererseits kann der Trickfilm auch nichts für seinen Inhalt, optisch ist er grandios.
4. Ein Film-Mensch kommt auf dich zu und möchte dein Märchen umsetzen, wen siehst du in den Hauptrollen?
Als gesichtsblinde Person, die sich keine Schauspieler*innen merken kann … Öhm … Es ist alles möglich, dank Kontaktlinsen und Co. müssten sie nicht mal die gleiche Augenfarbe haben wie die Charaktere.
Aber ich hätte den Wunsch, dass man auch wirklich Schauspieler*innen mit russischsprachigem Migrationshintergrund castet. Ob es solche im deutschsprachigen Raum gibt, weiß ich allerdings gar nicht. Wobei, bestimmt! Und wenn keine bekannt sind, muss man eben welche casten.
5. Was wünscht du dir für die Zukunft der Märchenspinnerei?
Weiterhin so viel Leidenschaft. Wir haben unglaublich viel erreicht, wenn man mal darüber nachdenkt. Im Grunde genommen starteten wir als kleine Gruppe, die zeigen wollte, dass man im SP gemeinsam mehr erreicht als alleine. Und inzwischen sind wir doch wesentlich bekannter, als vor einem Jahr.
Ich wünsche mir, dass wir dranbleiben und immer weiter durchstarten – mit Energie, Elan und Buchideen, bei dem der Zauber alter Märchen mit der Lebenswelt der heutigen Generation verbunden wird.
Schauen wir uns deine Märchenleidenschaft mal etwas genauer an…
6. Was ist deine schönste Erinnerung, wenn es um Märchen geht?
Kurz bevor wir nach Deutschland ausgewandert sind, saß ich mit meiner inzwischen verstorbenen Oma zusammen und sie hat mir Märchen vorgelesen, meine Lieblinge, und das Ganze gleichzeitig auf Kassette aufgenommen. Die Kassette habe ich immer noch, obwohl ich nichts mehr habe, womit ich sie abspielen könnte. Zwischendrin plappert mein sechsjähriges Ich rein oder kommentiert die Märchen. (Oder gibt vollkommen random ein Statement dazu ab, wie hübsch die Barbiepuppe heute aussieht)
7. Was magst du lieber? Happy End oder Bad End?
Das richtige Ende. Ich hasse Enden, die unnötig traurig oder grausam sind genauso, wie das in letzter Zeit um sich greifende „Am Ende müssen alle ein Happy End haben. Die Protagonistin, ihre Mutter, die Cousine ihrer besten Freundin und natürlich auch deren Katze“, wobei sich natürlich das Happy End in einer Hochzeit o.ä. zu äußern hat.
Schön sind Happy Ends mit Wermutstropfen. So nach dem Motto „Das Gute hat zwar gewonnen, aber es sind Menschen gestorben und andere nun traumatisiert“. Das ist einfach realistisch.
8. Was stört/begeistert dich bei Märchen am meisten?
Ich liebe es ja, wie sich russische Märchen herrlich verschachteln lassen. Im Prinzip kannst du nach einem Baukastensystem neue volksmärchenartige Geschichten zusammenstecken. Zu den Bauteilen für den Anfang gehören Elemente wie „Prinz heiratet Prinzessin“, „Von drei Brüdern ist einer dumm“ oder „Es gibt ein Geschwisterpaar“. Danach kannst du wählen, ob du hilfreiche Tiere möchtest, einen König mit unmöglichen Aufgaben etc. Wenn du all diese Elemente aufeinanderstapelst, kannst du Märchen von fast endloser Länge schaffen, die trotzdem Sinn ergeben. Und einfach Spaß machen.
Dagegen bin ich kein Fan sehr kurzer Märchen. Die geben oft nicht genug her, um sich so richtig reinzuträumen.
9. Was ist für dich typisch an einem Märchen?
Es muss dieser Nachhall enthalten sein, das tiefe Gefühl, dass sich unter der offensichtlichen Erzählschicht eine tiefere Wahrheit verbirgt, die sich nicht intellektuell und in Worten erfassen lässt. Die sich nur in einem Gefühl unbewusster Größe erahnen lässt. Das, was einen tiefer einatmen lässt.
Zum Schluss noch ein paar märchenhafte Fragen:
10. Du triffst auf ein sprechendes Tier, das dir weismachen will, dass es ein verzauberter Mensch ist. Was würdest du tun?
Fragen stellen, um herauszufinden, wie viel an dieser Behauptung dran ist. Schöne, fiese Fangfragen. Und nebenbei meine Umgebung auf Mikrophone und versteckte Menschen absuchen.
11. Eine gute Fee will dir drei Wünsche erfüllen, was würdest du dir wünschen?
Einen Zeitumkehrer und einen begehbaren Bücherschrank, der von innen größer ist als von außen. Wunsch drei würde ich erstmal bunkern, man weiß ja schließlich nie.
12. Welchen Märchenweg würdest du wählen um jemanden aus dem Weg zu räumen?
Ich bin eine Slytherin. Eine eingehende Kenntnis vieler Märchen zeigt mir, dass – egal welchen Weg ich wähle, am Ende ich diejenige bin, die ein grausliges Ende nimmt und das möchte ich eigentlich aus naheliegenden Gründen nicht. Ich hänge an meinem Leben.
Ich würde also je nach Setting ganz unmärchenhaft versuchen, irgendjemand anders gegen die Figur auszuspielen – am Ende beseitigen sich die Streithähne gegenseitig.
Ich selbst … naja, ich kann doch kein Wässerchen trüben!
13. Bonusfrage: Mit welcher Märchenfigur würdest du gerne tauschen?
Mit keiner. Ich mag mein Leben. Mir fällt jedenfalls keine Märchenfigur ein, die permanent mit Büchern arbeitet :D. Nein, Belle zählt nicht. Die liest nur und tut sonst nix :P.
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Vielen Dank, Katherina!
Anne/PoiSonPaiNter
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Lies auf Deutsch
Like last year, I asked a few Märchenspinnerinnen (Fairy Tale spinnerettes) a few questions about their adaptations and fairy tales as part of the Fairy Tale Summer.
Katherina Ushachov – Authoress of „Zarin Saltan“ (Tsaritza Saltan)
A few things about you:
I was born in Odessa in 1990 and absorbed Russian fairy tales with my mother’s milk, just as the German-speaking children absorbed the tales of the Brothers Grimm. I have always told stories – with the help of pictures and scrawly Cyrillic block letters, which I have then shown around and decoded. When I learned to write, I realized that stories are much faster without all the pictures. Since I discovered Microsoft Office for myself in 2001 – and the fact that typing is even faster than writing by hand, there has been no stopping me. Besides a Potter fan fiction, my first attempt at ten was the story of a football-playing girl dealing with a nasty teacher.
But it took me eight more years to complete my first novel. It will be published soon by O’Connell Press under the title „2145 – die Verfolgten (The Persecuted)“.
Beforehand a few Questions regarding your book „Zarin Saltan“ and the Märchenspinnerei:
1. Which element of your Fairy Tale was the hardest to transfer?
The one I left out. I couldn’t work with the baby boy who matures into a man within a day or with the Swan Princess – I didn’t know what to do with them. The third woman was also difficult – besides the sisters of the young tsaritza, there was another woman not described in more detail in the Fairy Tale, who was part of the intrigue. I had to think long and hard before I had a solution for the third intriguer that I was satisfied with.
2. What reduced you most to despair working on your Fairy Tale?
The romance parts. This starts with the two characters falling in love at first sight in the first two chapters and then runs through another part of the beginning. It was much easier for me to describe the intimate relationship between the couple once it was established as such. I can do that. Little gestures, looks, stuff like that.
But all that infatuation, that must have given me some gray hair!
3. Which Version (Movie, Tale, Adaptation) of your story, except your own, do you like most?
I don’t think there are that many of them… I somehow don’t remember the feature film version at all. As a child I liked the cartoon version of Sojusmultfilm. Meanwhile I see it much more critically, but on the other hand can’t the animated film be blamed for its content, visually it is terrific.
4. A Movie-Person comes to you and wants to turn your Fairy Tale into a movie, whom do you see in the leading roles?
As a face-blind person who can’t remember any actor*esses… uhm … It’s all possible, thanks to contact lenses and Co. they wouldn’t even have to have the same eye color as the characters.
But I would also like to see actors*esses with a Russian-speaking migration background cast. Whether there are such in the German-speaking area, however, I do not know at all. Of course, I’m sure! And if none are known, one has to cast some.
5. What’s your wish for the future of the Märchenspinnerei?
Continuing to have so much passion. We have achieved an incredible amount, if you think about it. Basically we started as a small group that wanted to show that you can achieve more together in SP than alone. And in the meantime we are much better known than a year ago.
I wish we’d stick with it and keep going – with energy, vigour and book ideas that combine the magic of old Fairy Tales with the world of today’s generation.
Let’s take a closer look at your passion for Fairy Tales …
6. What is your loveliest memory regarding Fairy Tales?
Shortly before we emigrated to Germany, I sat together with my now deceased grandmother and she read me Fairy Tales, my favourites, and recorded the whole thing on tape at the same time. I still have the tape, although I have nothing left to play it on. In between, my six-year-old self babbles in or comments on the Fairy Tales. (Or gives a completely random statement about how pretty the Barbie doll looks today)
7. What do you prefer? Happy End or Bad End?
The right ending. I hate endings that are unnecessarily sad or cruel just as much as the recent „In the end everyone must have a happy ending. The protagonist, her mother, her best friend’s cousin and of course her cat“, whereby of course the happy ending has to express itself in a wedding or the like.
Happy endings with drops of bitterness are beautiful. According to the motto „Good has won, but people have died and others have now been traumatised“. That’s just realistic.
8. What bothers/enthuses you the most about Fairy Tales?
I love how Russian Fairy Tales can be wonderfully nested. In general, you can put together new folk-like stories using a modular system. Elements such as „Prince marries Princess“, „One of three brothers is stupid“ or „There is a brother and sister“ belong to the components for the beginning. Then you can choose whether you want helpful animals, a king with impossible tasks, etc. If you stack all these elements on top of each other, you can create tales of almost endless length that still make sense. And are simply fun.
But I’m not a fan of very short Fairy Tales. They don’t always give enough to really dream themselves into them.
9. What is typically for a Fairy Tale for you?
There must be this resonance, the deep feeling that under the obvious narrative layer there is a deeper truth that cannot be grasped intellectually and in words. Which can only be guessed in a feeling of unconscious greatness. The one that makes you take a deeper breath.
At the End a few fantastical Questions:
10. You meet a talking animal, that makes you believe they’re an enchanted human. What would you do?
Ask questions to find out how much of this claim is true. Nice, nasty trick questions. And while I‘ m at it, check my surroundings for microphones and hidden people.
11. A Fairy Godmother wants to grand you three wishes, what would you wish for?
A Time Turner and a walk-in bookcase that is larger from the inside than from the outside. I’d bunker wish three for now, you never know.
12. Which Fairy Tale way would you choose to get rid of someone?
I’m a Slytherin. A detailed knowledge of many fairy tales shows me that – no matter which way I choose, in the end I am the one that comes to a gruesome end and for obvious reasons I don’t want that. I’m hanging on to my life.
So, depending on the setting, I would try to play someone else off against the character in an unlikely manner – in the end, the squabblers eliminate each other.
I myself… well, I don’t have a mean bone in my body!
13. Bonusquestion: With which Fairy Tale character would you like to trade places?
None. I like my life. Anyway, I can’t think of a Fairy Tale character who works with books all the time :D. No, Belle doesn’t count. She just reads and doesn’t do anything else :P.
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