Letztes Jahr habe ich die ersten beiden Bände ihrer Feuervogel-Chroniken vorgestellt und gemeinsam mit ihr und Christian Handel und Saskia Dreßler über die slawische Märchenwelt gesprochen. Heute gibt es das Märchensommer Interview mit Ria Winter.
Ria Winter
Ein paar Daten zu dir:
Ria Winter ist in St. Petersburg aufgewachsen, hat dann aber die Newa gegen die Elbe eingetauscht. Heute lebt und schreibt sie in Hamburg. Von den Verkäufen ihrer Bücher finanziert sie sich die großen Notwendigkeiten des Lebens: Bücher, Tee und Katzenfutter. Am liebsten ist sie in Fantasy-Welten unterwegs, die so bunt und vielseitig sind wie das reale Leben. Mit ihrem queeren Jugendbuch „Tal der Toten“ schaffte sie es 2020 auf die Shortlist des SERAPH in der Kategorie „Bestes Debüt“. Danach nahm sie sich in ihrer inzwischen abgeschlossenen Tetralogie „Feuervogel-Chronik“ russische Märchengestalten vor und interpretierte sie in ihrer eigenen Welt neu.
Vorneweg ein paar Fragen zu deinen Märchen:
1. Welches Element deines Märchens war am Schwierigsten umzusetzen?
In meiner Feuervogel-Chronik habe ich Elemente und vor allem Figuren aus ganz unterschiedlichen russischen Märchen verwendet. Es hat Spaß gemacht, meine eigene Version von Baba Yaga, dem Feuervogel und anderen Märchengestalten zu schreiben. Gerade am Anfang fiel es mir schwer, zu entscheiden, wie weit ich mich vom Original entfernen „durfte“. Aber dann habe ich beschlossen, die Märchenwelt eher als Inspiration und weniger als direktes Vorbild zu nehmen, und so war ich dann frei, ganz eigene Charaktere und Verknüpfungen zu schaffen.
2. Was hat dich bei der Arbeit am Märchen am meisten zur Verzweiflung gebracht?
Das Gleiche, was mich auch bei anderen Geschichten zur Verzweiflung treibt: Plotlöcher 😉 Aber bei der Feuervogel-Chronik kam noch hinzu, dass ich immer wieder abwägen musste, wie viel von dem russischen Hintergrund für ein deutsches Publikum auch so verständlich war und was ich lieber erklären sollte. Das fing schon bei einzelnen Wörtern an (kennen alle Deutschen „Babuschka“ oder „Banja“?) und betraf natürlich auch die Märchengestalten. So hat eine russischstämmige Leserin geschrieben, dass sie die Darstellung der Baba Yaga relativ konventionell fand und sich eine originellere Neuinterpretation gewünscht hätte. Gleichzeitig waren andere Lesende ganz begeistert und fanden meine Baba Yaga sehr cool und ungewöhnlich. Klar, man kann es nicht allen recht machen, aber dieser Spagat hat mich doch sehr beschäftigt.
3. Welche Fassung (Film, Erzählung, Adaption) deines Märchens, außer deiner eigenen, magst du am liebsten?
Da ich nicht nur ein Märchen, sondern viele verschiedene verwendet habe, kann ich gar nicht richtig auf diese Frage antworten. Aber wenn es generell um Adaptionen von russischen Märchenstoffen geht, war ich sehr beeindruckt von dem Roman „Deathless“ von Catherynne Valente. Darin verwebt sie die Märchengestalt Koschei der Todlose mit den Ereignissen der Russischen Revolution – eine spannende und aufwühlende Kombi, die mich zum Nachdenken gebracht hat.
4. Ein Film-Mensch kommt auf dich zu und möchte dein Märchen umsetzen. Wen siehst du in den Hauptrollen?
Es tut mir leid, aber ich bin sehr schlecht darin, mir meine Figuren visuell vorzustellen … Ich würde das Casting den Filmmenschen überlassen, aber auf manchen Details bestehen, zum Beispiel dass Nadja von einer mehrgewichtigen Schauspielerin gespielt wird.
5. Was wünscht du dir für die Zukunft deines Märchens?
Ich wünsche mir, dass die Feuervogel-Chronik noch viele weitere Lesende findet 🙂 Und mein (sehr unrealistischer) Wunsch wäre es, zumindest den ersten Band ins Englische übersetzen zu lassen, allein schon damit meine italienische Illustratorin ihn mal lesen kann.
Schauen wir uns deine Märchenleidenschaft mal etwas genauer an…
6. Was ist deine schönste Erinnerung, wenn es um Märchen geht?
Wie ich mir als Kind die schönen Illustrationen in meinem Märchenbuch anschaue.
7. Was magst du lieber? Happy End oder Bad End?
Bittersweet End 😀 Also, ich möchte schon, dass es überwiegend gut ausgeht, aber bitte mit Konsequenzen, denn die Geschichte sollte schon ihre Spuren hinterlassen.
8. Was stört/begeistert dich bei Märchen am meisten?
Ich liebe die unbegrenzte Fantasie in Märchen und dass die absurdesten Dinge nicht erklärt werden müssen, weil sie einfach Teil des Genres sind. Was mich stört, ist die Heteronormativität, die oft eine tragende Rolle spielt (und am Ende gewinnt der Held die schöne Prinzessin für sich und sie heiraten und leben glücklich bis an ihr Lebensende …).
9. Was ist für dich typisch an einem Märchen?
Selbstverständlicher Zauber.
Zum Schluss noch ein paar märchenhafte Fragen:
10. Du triffst auf ein sprechendes Tier, das dir weismachen will, dass es ein verzauberter Mensch ist. Was würdest du tun?
Ich würde es fragen, ob es für mich mit meinen Katzen sprechen kann.
11. Eine gute Fee will dir drei Wünsche erfüllen, was würdest du dir wünschen?
Alle Sprachen auf der Welt sprechen zu können, Teleportationsfähigkeit und mehr Zeit pro Tag.
12. Welchen Märchenweg würdest du wählen um jemanden aus dem Weg zu räumen?
Ich würde diese Person in irgendwas anderes verwandeln.
13. Bonusfrage: Mit welcher Märchenfigur würdest du gerne tauschen?
Bezeichnenderweise fallen mir zuerst nur welche ein, mit denen ich ganz bestimmt nicht tauschen würde … Aber Baba Yaga zu sein stelle ich mir ziemlich cool vor!
Mehr zu Ria gibt es hier:
Homepage: Ria Winter
Facebook: RiaWinterAutorin
Instagram: @riawinter_autorin
Twitter: @RiaSchreibt
Vielen Dank, Ria!
Anne/PoiSonPaiNter