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Schreiberlinge im Interview: Nora Bendzko

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Schreiberling im Interview: Nora Bendzko

Als besondere Kleinigkeit für den Märchensommer habe ich beschlossen – neben den den Märchenspinnerinnen – auch einer weiteren Autorin ein paar Fragen über ihre Adaptionen und Märchen zu stellen.
Und schon sind wir auch schon bei:

Nora Bendzko – Autorin der Galgenmärchen

Ein paar Daten zu Nora:

Man braucht die Dunkelheit, um stärker leuchten zu können.“ – Dieses Motto begleitet Nora Bendzko sowohl durch ihre Geschichten als auch durch ihr Leben.

Geschrieben hat die 22-jährige Münchnerin von Kindheit an, meist fantastische Texte. Einmal begonnen, hat das Schreiben sie nicht mehr losgelassen. Der Wunsch, Literatur zu einem festen Bestandteil ihres Lebens zu machen, brachte sie nach Wien, wo sie seither die Deutsche Philologie studiert.

Neben dem Studium arbeitet sie als Lektorin, unter anderem für den Dead Soft Verlag, und moderiert im Rindlerwahn-Autorenforum. Wenn sie sich nicht mit dem Schreiben beschäftigt, singt sie leidenschaftlich. Beide Passionen darf sie in der Progressive-Metal-Band „Avem“ und der Heavy-Metal-Band „Nightmarcher“ ausleben.

Nach der Veröffentlichung von mehreren Kurzgeschichten war ihr nach etwas Größerem: Mit den „Galgenmärchen“ verwirklicht sie ihre ganz eigene Selfpublishing-Reihe. Der erste Band, die Novelle „Wolfssucht“, steht auf der Shortlist vom Deutschen Phantastik Preis in der Kategorie „Beste deutschsprachige Kurzgeschichte“.

Es soll aber nicht rein bei selbst veröffentlichten Titeln bleiben: Auf ihrem Tisch liegen mehrere fantastische Projekte, die dieses Jahr an die Verlage gehen soll. Wer hier mehr erfahren möchte, besuche ihre Homepage.

Vorneweg ein paar Fragen zu deinen Galgenmärchen:

1. Welches Element deiner Märchen war am Schwierigsten umzusetzen?

Der fantastische Aspekt. Ich wusste anfangs nicht, wie weit ich hier gehen soll – es ominös halten? Oder doch in den reinen Fantasy gehen? Welches Genre haben meine Märchen überhaupt?

Inzwischen sind die Grenzen fließend geworden. Das erste Galgenmärchen „Wolfssucht“ habe ich noch als Horrorthriller verkaufen wollen. So richtig fantastische Elemente sind da auch nicht drin. Trotzdem haben Leser die Schreibweise mehr als Fantasy denn Horror empfunden. Beim zweiten Galgenmärchen „Kindsräuber“ habe ich dann doch ein eindeutig fantastisches Element reingebracht, nämlich Geister.

Wobei ich für die Leser immer noch offen lasse, ob das Fantastische Wirklichkeit ist – oder am Ende doch nur im Kopf der Protagonisten?

2. Was hat dich bei der Arbeit an den Märchen am meisten zur Verzweiflung gebracht?

Mein Zeitmanagement. Viele Geschichten wollen nicht so schnell wie ich oder zu echten Unzeiten.

Nicht selten überkommt mich nachts ein Schreibflash, der bis 5 Uhr morgens oder länger dauert. Geregeltes Leben ist da nicht mehr, auch nicht geregelte Mahlzeiten.

Hätte ich nur das Schreiben, wäre das kein Problem. Aber da ist noch mein Partner, die Uni, Lektorieren muss ich auch zwischendrin…

3. Welche Fassung (Film, Erzählung, Adaption) deiner Märchen, außer deiner eigenen, magst du am liebsten?

Es gibt so gesehen gar keine Lieblingsadaption von mir. Ich mag es, wenn Werke sich intertextuell auf Märchen beziehen und somit eine tiefere Aussage machen. Zum Beispiel der Anime „Revolutionary Girl Utena“: Dort gibt es eine starke Märchensymbolik, allem voran die Rolle des klassischen Märchenprinzen. Der Anime verwendet diese Motive, um kritisch Gender-Stereotypisch und Patriarchalität zu hinterfragen – auf so eine Idee muss man erst einmal kommen! Das finde ich spannend.

4. Ein Film-Mensch kommt auf dich zu und möchte deine Galgenmärchen umsetzen, wen siehst du in den Hauptrollen?

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ehrlich gesagt kann ich mir so gut wie alle meine Geschichten eher animiert denn als Realfilm vorstellen. Mit Animation ist so viel mehr möglich, finde ich. Spontan würde mir aber Benedict Cumberbatch als Erzählstimme einfallen.

5. Was wünscht du dir für die Zukunft der Galgenmärchen?

Dass sie noch weiterhin einige Leser begeistern, sodass ich die Reihe gut fortführen kann … Ich habe ja noch einige Ideen [Anm.: Einige von ihnen deutet Nora bereits in ihrer brillianten Nacherzählung des Märchens „Das singende, springende Löweneckerchen“ an, die sie für die Märchenrallye verfasst hat]! Vielleicht auch, dass sie so bekannt werden, dass ich einmal eine Anthologie mit Gastautoren veröffentlichen kann, oder Co-Autoren in die Reihe mit aufnehmen.

Schauen wir uns deine Märchenleidenschaft mal etwas genauer an…

6. Was ist deine schönste Erinnerung, wenn es um Märchen geht?

Mein Vater hat mir immer Märchen vorgelesen, als ich noch ein Kind war. Nicht nur Grimms Märchen, auch Andersen und arabische Märchen und die Märchen von der Bernsteinküste. Letztere habe ich besonders geliebt, denke sehr oft an diese Zeit zurück und habe dem alten, gefledderten Märchenbuch einen besonderen Platz in meinem Regal gegeben.

7. Was magst du lieber? Happy End oder Bad End?

Meist gefällt mir etwas dazwischen – so ein bittersüßes Ende, bei dem nicht alles Schwarz und Weiß ist. Manchmal haben die Hauptcharaktere am Ende einer harten Reise aber einfach nur ein Happy End verdient, und gewisse Geschichten erfordern das Bad End als Konsequenz. Mehr als alles andere will ich hier überrascht werden.

8. Was stört/begeistert dich bei Märchen am meisten?

Ich liebe das Magische im Märchen. Das man nie so ganz weiß, was Zauberei, Einbildung und Wirklichkeit ist. Stören tut mich manchmal, dass die Welten in Märchen oft nur in Gut und Böse eingeteilt sind, keine Schattierungen zulassen. Aber zum Glück gibt es ja die Kunstmärchen, die hier etwas mehr in die Tiefe gehen. Wenn ich schon bei diesen bin: Ich liebe deren verspielte Sprache!

9. Was ist für dich typisch an einem Märchen?

Dass man nie genau weiß, was echt ist und was Teil einer magischen Welt, die man als Mensch nie verstehen wird.

Zum Schluss noch ein paar märchenhafte Fragen:

10. Du triffst auf ein sprechendes Tier, das dir weismachen will, dass es ein verzauberter Mensch ist. Was würdest du tun?

Ich würde es fragen, ob es nicht Lust hätte, bei mir zu wohnen. Wer weiß, was mit so einem Tier passiert, wenn es an die falschen Leute gerät? Am Ende wird es in einem Zirkus eingesperrt! Da wird es einiges besser bei mir leben.
[Anm.: Tina Skupin, wollte mit dem Tier nach Las Vegas. 😉 ]

11. Eine gute Fee will dir drei Wünsche erfüllen, was würdest du dir wünschen?

Gesundheit für das ganze Leben, ein Haus am Meer und Weltfrieden.

12. Welchen Märchenweg würdest du wählen um jemanden aus dem Weg zu räumen?

Ich würde jemanden in eine Kröte verwandeln, ganz klar!

13. Bonusfrage: Mit welcher Märchenfigur würdest du gerne tauschen?

Mit dem gestiefelten Kater! Er ist nicht so eine langweilig und vorhersehbar wie andere Märchenfiguren, sondern klug und gewitzt.

Ich finde es beeindruckend, dass er nicht Magie benutzen muss, um von der einfachen Katze zum Edelmann zu werden. Er ist einfach nur ein Trickser, seines eigenen Glückes Schmied. Dabei vergisst er dennoch nicht, was er tatsächlich ist. Er besiegt ja einen Zauberer, indem er ihn überlistet, sich in eine Maus zu verwandeln, und verspeist ihn dann – am Ende ist er nämlich doch nur eine Katze.
Und er hat einen fantastischen Klamottengeschmack!

Mehr zu Nora und ihren dunkelbunten Welten gibt es hier:

Homepage: Nora Bendzko
Facebook: Nora Bendzko
Twitter: Nora Bendzko

Vielen Dank, Nora!

PoiSonPaiNter
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Lies auf Deutsch

As a special something for the Fairy Tale Summer I’ve decided to – besides the Märchenspinnerinnen – ask another authoress a few questions about her adaptations and Fairy Tales.
And here we are with:

Nora Bendzko – Authoress of the Gallows Fairy Tales

A few things about Nora:

You don’t need darkness, to shine more brightly“ – This motto accompanies Nora Bendzko through her stories and liefe.

The 22-year old woman from Munich writes since her childhood, mostly fantastical texts. Once started, writing had never let go of her. The wish, to make literature a part of her life bought her to Vienna, where she is studying German Philology.

Besides studying she also works as Copy Editor, amongst others for the Dead Soft Verlag (publisher), and moderates the Rindlerwahn-Authors-Forum [N.B.: Rindlerwahn is a pun on the name of the founder and the German word for mad cow disease Rinderwahn]. When she isn’t busy with writing, she sings passionately. She lives out both passions in the Progressive-Metal band„Avem“ and the Heavy-Metal-Band „Nightmarcher“.

After publishing a several Short Stories it was time for something larger: With the „Galgenmärchen“ she fulfilled her very own self-publishing series. The first book, the novella „Wolfssucht“ is on the shortlist for the German Phantasic Price in the category „Best German Short Story“.

But it should end with only self-published titles: Several fantastic projects are lying on her table, that will go out to publishers this year.

Beforehand a few Questions regarding your Galgenmärchen:

1. Which element of your Fairy Tales was the hardest to transfer?

The fantastical aspect. In the beginning I didn’t know how far I should go – keep it omnious? Or go into the true Fantasy? Which genre even are my Fairy Tales?

By now the lines became fluent. The first Galgenmärchen „Wolfsucht“ (Wolfaddiction) I still tried to sell as a horror thriller. There aren’t that many fantastical elements in it anyway. Still my readers felt the writing style was more Fantasy than Horror. With the second Galgenmärchen „Kindsräuber“ (Childthief) I build in an obvious fantastical element, Ghosts.

Though I do leave it open for my readers if it really is a fantastical reality – or in the end only in the head of the protagonist?

2. What reduced you most to despair working on your Fairy Tales?

My time management. Many stories don’t want as fast as I do or to really mistimed.

Not rarely am I overcome by a writing flash that lasts until 5 in the morning or longer. A regulated life is not a part of that, neither are regular meals.

If I only had the writing that wouldn’t be a problem. But there is also my partner, the uni, copy editing has also be done in between…

3. Which Version (Movie, Tale, Adaptation) of your stories, except your own, do you like most?

There is not actually a favourite adaptation for me. I like it when works intertextually include the airy Tale and therefore make a deeper statement. For example the Anime „Revolutionary Girl Utena„: There is a strong Fairy Tale symbolic, to critically challenge gender-stereotypical and Patriarchy – you have to think up something like that first! I  think this is exciting.

4. A Movie-Person comes to you and wants to turn your Fairy Tales into a movie, whom do you see in the leading roles?

I never thought about that. Honestly can I rather imagine all of my stories as animation than real movie. With animation a lot more is possible, I think. Spontaneously Benedict Cumberbatch as narrators‘ voice would come to mind.

5. What’s your wish for the future of the Galgenmärchen?

That they will continue to enthuse some readers, so that I can continue the series … I still have so many ideas! [N.B. Some of them are hinted at in Nora’s brilliant retelling of the Fairy Tale „The Singing, Springing Lark“ that she wrote for the Märchenrallye] Maybe even that it gets that famous that I one day can publish an anthology with guest authors, or take co-authors into the series.

Let’s take a closer look at your passion for Fairy Tale …

6. What is your loveliest memory regarding Fairy Tales?

My father always read Fairy Tales to me when I was still a child. Not only the Grimm Fairy Tales, but also Andersen and arabaic Fairy Tales and the Fairy Tales of the Amber Coast. The latter I loved most, think back to the time and have given the tattered Fairy Tale book a special place in my shelf.

7. What do you prefer? Happy End or Bad End?

Most of the time I like something in between – a bittersweet end, where not everything is black and whit. Sometimes the main characters simply deserve a Happy Ending after a hard journey, and some stories require a Bad End as consequence. More than anything I want to be surprised here.

8. What bothers/enthuses you the most about Fairy Tales?

I love the magical in Fairy Tales. That you never really know what is sorcery, imagination or reality.
It sometimes bothers me that the worlds in Fairy Tales are only divided into good and bad, no shades allowed. But luckily there are Artificial Fairy Tales that go into more depth. As I’m already there: I love their playful language!

9. What is typically for a Fairy Tale for you?

That you never know what is real and what is a part of a magical world that you will never understand as a human.

At the End a few fantastical Questions:

10. You meet a talking animal, that makes you believe they’re an enchanted human. What would you do?

I would ask it, if it would like to live with me. Who knows what might happen to an animal like this, if it fell into the wrong hands? In den end it would be caged in a circus! It would have a much better life with me. [N.B.: Tina Skupin, wanted to take the animal to Las Vegas. 😉 ]

11. A Fairy Godmother wants to grand you three wishes, what would you wish for?

Health for all of my life, a house at the sea and world peace.

12. Which Fairy Tale way would you choose to get rid of someone?

I would turn them into a toad, obviously!

13. Bonusquestion: With which Fairy Tale character would you like to trade places?

With the Puss in Boots! He isn’t as boring and predictable as other Fairy Tale characters, but clever and witty.

I’m impressed that he doesn’t have to use magic to turn from a simple cat into a nobleman. He is simply a trickster, who forges his own destiny. Still, he does not forget what he truly is. He defeats the ogre [N.B.: In the German version it’s a sorcerer] through tricking him to turn into a mouse, and eats him – in the end he really is just a cat.
And he has a fantastic taste in clothes!

More about Nora and her darkstained (dunkelbunt) worlds here:

Homepage: Nora Bendzko
Facebook: Nora Bendzko
Twitter: Nora Bendzko

Thank you very much, Nora!

PoiSonPaiNter