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Adventskalender: Türchen #20

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Eine verdammt gute Ausrede

Nicole schnaubte etwas von „Viel Erfolg“ und „Ich hoffe, du hast mehr Glück als ich“ und blieb dann am Eingang bei den Druckerpressen zurück. Katrin war es nur Recht. Es würde einfacher sein, offen mit Nicholas zu reden, wenn sie das nicht mit sarkastischen Zwischeneinwürfen seiner Schwester tun mussten.

Schummrige Lichter, tausende und abertausende von Buchrücken und der Geruch nach altem, schwerem Papier empfingen Katrin im hinteren Teil der Bibliothek wie alte Bekannte, die sie gerade erst verlassen hatte. Doch sie hatte keine Zeit für andächtiges Staunen und verträumtes Umherstreifen zwischen den Regalen. Sie hastete durch die Gänge ohne einen weiteren Blick für die Wunder ringsum. Wenn sie nach links oder rechts sah, dann lediglich in der Hoffnung, dort Nicholas‘ vertrauten Rücken sehen zu können. Es fiel ihr schwer, sich zu orientieren, wo sie doch beim ersten Mal nur den Weg hinaus, nicht jedoch hinein kennengelernt hatte.

Sie fand ihn schließlich im hintersten Winkel der Bibliothek, als hätte er sich wie ein Murmeltier in Angst vor dem Wintereinbruch zurückgezogen. Schon über seine Schulter hinweg, konnte sie die Unmengen an Bücherstapeln und leuchtenden Laptopbildschirmen sehen, die er vor sich auf dem Tisch positioniert hatte. Wie er in allen gleichzeitig lesen konnte, war ihr ein Rätsel.
Kurz hielt sie inne und versuchte, zu Atem zu kommen. „Nicholas?“, fragte sie dann vorsichtig.
Sie konnte sehen, wie sich seine Schultern verkrampften. Er musste ihre Stimme erkannt haben. Und doch… Und doch drehte er sich nicht um.
Zögernd ging Katrin auf ihn zu. Was, wenn er sie nicht hierhaben wollte? Wenn er doch sauer war wegen des Krampus-Zwischenfalls? Wenn er sich absichtlich nicht gemeldet hatte und Nicole ihm nur einen bösen Streich spielte?
„Tut mir leid“, erklärte sie vorsichtig, während sie nähertrat. „Ich will gar nicht stören. Sieht aus, als hättest du viel zu tun. Aber Nicole sagte…“
Statt sie anzusehen, drehte er den Kopf schief weg, sodass sie wieder nur seinen Hinterkopf anblickte. „Geh weg.“ Es klang beinahe wie ein Knurren. Noch nie hatte Katrin einen derartig verzerrten Klang aus dem Mund eines Menschen vernommen. Noch nie –
Doch dann sah sie wieder den haarigen Körper vor sich, wie er sich aufrappelte und die Muskeln anspannte, bereit, sich auf sie zu werfen, zu verletzen, zu töten…
„Oh nein!“
Sie hatte es gar nicht sagen wollen, doch die Worte entwichen ihr in einem einzigen Luftschwall. Instinktiv stolperte sie vor und griff nach Nicholas‘ Händen – sie waren krallenfrei. Dann streckte sie die Hand um ihn herum nach seinem Kinn aus… und obwohl er dem Druck ihrer Finger nicht nachgab, das Gesicht nicht drehte, konnte sie doch das krause Haar fühlen. Es war zu dicht und zu weich, um es für einen Bart halten zu können.
Wie hatte sie ihm jemals insgeheim vorwerfen können, dass er sich hätte melden müssen? Dass er ihre Verabredung nicht einfach fallen lassen konnte, egal wie wütend er auf sie sein mochte? Sie hätte wissen müssen, dass er einen triftigen Grund gehabt hatte, nicht zu kommen.
„Es tut mir so leid.“ Ohne drüber nachzudenken schlang Katrin die Arme seitlich um seine Schultern und zog ihn in eine Umarmung. Er blieb steif und abwehrend unter ihrer Berührung – aber immerhin, er entzog sich ihr auch nicht.
„Was?“, fragte er mit seiner neuen Raspelstimme.
„Ich hatte ja keine Ahnung! Ich… Wie lange ist das schon so? Wie fühlt sich das für dich an? Wie schnell breitet es sich aus?“
Er schwieg.
„Ist es… Das war zu viel auf einmal, oder?“ Vorsichtig ließ sie ihn los. Sah sich um und zog sich dann einen der Stühle heran, um sich neben ihn zu setzen. Dann wartete sie. Versuchte den eigenen aufgeregten Herzschlag zu beruhigen, all die Fragen auszublenden, die ihren Verstand bestürmten, versuchte nur auf seine Reaktion zu achten.
Und dann, langsam, nachdem ihm wohl aufgegangen war, dass sie nicht weggehen würde, wandte er den Kopf.
Sein Kinn, eine Wange und die Hälfte seiner Stirn waren von dunklem, dichtem Fell überzogen. Eines seiner Augen war gelb. Und jetzt konnte sie auch das kurze Horn sehen, dass sich aus seinen Kopf herauswand. Ein Horn!
Nicholas sah sie an, als würde er damit rechnen, dass sie jeden Moment aufsprang und davonrannte.
„Darf ich…“ Sie räusperte sich. „Ich würde gerne wissen, wie sich das Horn anfühlt. Ist das unhöflich oder dürfte ich es mal…“
Die bärige Seite seines Mundwinkels rutschte ein Stück nach oben.
„Bitte…?“
„Ein halbes Jahr und du hast dich anscheinend kein Bisschen verändert.“
„Und du hast dich anscheinend seitdem nicht mehr rasiert!“
Der zweite Mundwinkel folgte. Dann sanken beide wieder herab. „Du solltest besser gehen.“
„Mache ich dir Angst?“
„Du mir?“
„Du duckst dich weg, wenn ich komme. Du kannst mich kaum ansehen. Du willst, dass ich gehe…“
„Hast du denn keine Angst?“
„Sehr große sogar! Ich will nicht zurückkehren müssen und dich dann erst nächstes Jahr wiedersehen dürfen.“
„Aber ich bin gefährlich!“
Katrin schüttelte den Kopf. „Unsinn. Vielleicht wirst du irgendwann – vielleicht auch nicht. Aber im Moment bist du noch nicht einmal halb verwandelt.“
„Es kommt in Schüben. Was, wenn es jeden Moment –“
„Umso wichtiger, wäre es doch, dass ich dir bei der Suche nach einem Ausweg helfe, oder?“ Sie deutete auf all die Bildschirme und aufgeschlagenen Bücher. „Was hast du bisher herausfinden können?“
„Aber –“
„Ich würde gerne helfen. Wirklich. Irgendwie schulde ich es dir auch, immerhin hast du mir vor einem halben Jahr das Leben gerettet.“
„Das ist nicht –“
„Nur deswegen musste einer von euch zum neuen Krampus werden!“
„Katrin!“ Nicholas krallte die Hände in die Haare, erwischte dabei das Horn – und brach es mit einem Ruck ab, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. „Das damals war allein mein Fehler! Ich habe dich hierher gebracht, ich hab dich dieser Gefahr ausgesetzt. Also schuldest du mir gar nichts, denn ohne mich wärst du gar nicht erst in diese Lage geraten!“
Einen Moment konnte sie nicht anders, als auf das Horn starren, das er zu Boden fallen lassen hatte, wie einen Fingernagelschnipsel. Dann riss sie sich zusammen und sah ihm fest ins Gesicht. „Ich bin ein erwachsener Mensch und treffe freie Entscheidungen. Ich hätte dir nicht folgen müssen, aber ich wollte es und ich würde es wieder tun. Und ich hätte auch heute nicht Nicole folgen müssen, aber ich wollte es.“
„Aber –“
„Denkst du etwa, ich könnte jetzt einfach zurückkehren und Däumchen drehen, während für dich die Zeit tickt? Könntest du das?“
„Katrin…“
„Na also!“ Entschlossen beugte sie sich vor und suchte in dem Chaos aus Büchern nach seinen Notizen. „Dann zeig mal her, was du bisher gefunden hast.“

Behind the Scenes

Die Fortsetzung von Anne Dancks gestrigem Kapitel. Das Bild wie Nicholas einfach dasitzt und das Horn abbricht war für mich eines der Dinge, die ich für dieses („damals“ noch Teil-)Kapitel am meisten im Kopf hatte. Es ist irgendwie so eine schöne Mischung aus kindlichem Trotz und Resignation. Ich finde Anne hat das sehr gut umgesetzt.

Hat eigentlich die Andeutung aus Irina’s Abschiedskapitel schon gereicht, um diese Wendung vorhersehbar zu machen?

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #19

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Im Wein liegt die Wahrheit

Vielleicht hatte Carlos ihren Brief abgefangen und nicht weitergereicht. Katrin zog ihren Mantel enger um sich, während sie weiter voranstapfte. Jeder ihrer Atemzüge hinterließ Nebelwolken in der Luft. Bei ihren letzten Begegnungen war Carlos nicht mehr ganz so offensichtlich ablehnend gewesen wie zum Anfang, sondern beinahe … freundlich. Aber womöglich hatte sie sich getäuscht.
Oder das System der Wünscherfüllungsroutine sah keine direkten Adressaten vor und daher war der Brief als falsch aussortiert worden. Immerhin hatte sie beim letzten Mal keinen Namen explizit außen draufgeschrieben.
Oder aber die Wichtel waren gerade im Streik für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Nein, jetzt machte sie sich lächerlich.
Katrin klaubte in ihrer Jackentasche nach dem Haustürschlüssel. Obwohl sie nur einen kurzen Spaziergang gemacht hatte, um sich die Beine zu vertreten, waren ihre Finger eiskalt. Sie würde sich einfach der unangenehmen Wahrheit stellen müssen: Nicholas wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Was auch immer sie da geglaubt hatte, zwischen ihnen gespürt zu haben … es war entweder nie dagewesen oder erloschen.
Verflucht. Katrin brauchte tatsächlich drei Anläufe, um mit ihren steifen Fingern das Schloss zu treffen. Dann endlich öffnete sich die Tür und gestattete ihr in die lauschige, warme –
„Ah!“ Klirrend landete der Schlüssel auf dem Parkett.

Der dunkle Umriss einer Gestalt zeichnete sich in der Küche ab. Jemand war in ihre Wohnung eingedrungen. Jemand saß an ihrem Küchentresen.
„Da bist du ja endlich.“
Katrin erkannte die Stimme. „Himmel, Nicole!“
„Was?“
Ihr Herz hämmerte noch immer wie wild. „Du kannst doch nicht –… Du hast mich –… Ist das etwa mein Rotwein, den du da trinkst?“
Grinsend prostete Nicholas‘ Schwester ihr zu. „Der ist echt gut. Ich wusste doch, dass du nicht irgendein Gesöff für den Abend mit meinem Bruder besorgt haben würdest.“
“Bitte was?”
“Na Weihnachten. Du warst doch mit Nicholas verabredet.”
“Woher -” Katrin atmete tief durch. “Also ist mein Brief doch angekommen.”
Nicole grinste schief. “Wenn du das Briefgeheimnis gewahrt sehen willst, solltest du deine Post nicht auf diesem Weg verschicken.”
“Wahrung der Privatsphäre aus reiner Höflichkeit wird ja auch eindeutig überschätzt.“ Katrin schälte sich mühsam aus dem Mantel und machte sich daran, ihre Stiefel aufzuschnüren. Die ganze Situation kam ihr unwirklich vor. Sie hatte Nicole seit einem halben Jahr nicht gesehen und jetzt saß sie hier in Katrins Küche, die Beine auf ihrem Stuhl hochgelegt, ihren Rotwein im Glas und scherzte als wäre Katrin nur für den kurzen Spaziergang weggewesen.
Wie geht es Nicholas? Die Fragen brannten ihr auf der Zunge, drängten geradezu schmerzhaft aus ihr heraus. Geht es ihm gut? Warum hat er sich nicht gemeldet?
Doch sie hielt sich mühsam zurück. Einen Rest an Würde besaß sie noch. „Wie geht’s dir?“, fragte sie stattdessen und stützte sich auf die Lehne ihres Lesesessels. „Was macht Joulky? Ist noch Eis übrig?“
Nicole winkte ab. „Wenn das so weitergeht, ist bald nichts mehr mit rotem Mantel und Schlitten, sondern Badeshorts und Wasserski. Aber das ist schließlich nicht unsere Sache. Wenn die Normalsterblichen das so wollen…“
„Beeinträchtigt das eure Fähigkeiten?“
„Die hier?“ Nicole tippte sich auf den Rücken. „Nicht, dass ich es bisher gemerkt hätte.“
„Wenn ich also in zehn Jahren Sehnsucht nach Winter haben sollte, kann ich dich einfach besuchen kommen und dann machst du mir meinen privaten Schneesturm, ja?“
Es hatte ein Scherz sein sollen. Doch noch während sie es aussprach, merkte Katrin selbst, wie hilflos das klang. Bitte, bitte, lass mich wieder zu euch mitkommen.
Nicole legte den Kopf schief, als hätte auch sie die unterschwellige Note herausgehört. „Du vermisst meinen Bruder?“
Ertappt verzog Katrin das Gesicht. „Ja.“
„Gut.“ Nicole leerte das Glas aus und stellte es mit einem melodischen Klingen auf der Arbeitsplatte ab. „War mir nicht ganz sicher. Aber das ist gut. Sehr gut.“
„Warum in aller Welt sollte das gut sein?“, platzte es aus Katrin heraus. „Ihr lasst seit Monaten kein Wort von euch hören und trotzdem gibt es nichts anderes, was mir im Kopf herumspukt! Ich habe versucht, ein Kinderbuch aus dem Erlebten zu machen, um mir endlich klar zu machen, dass es nichts anderes war als das: eine Märchengeschichte. Aber stattdessen habe ich mit jeder Seite gemerkt, wie sehr ich zurückwill. Und das ist nicht gut, das ist dumm. Schließlich weiß ich doch, dass ich nicht zu euch gehöre und niemals mit euren Fähigkeiten und den magischen Portalen und fliegenden Rentieren mithalten könnte. Wie soll man mit jemandem befreundet sein, wenn man ihn nicht mal nach eigenem Belieben besuchen kann? Das ist…“ Sie warf die Hände in die Luft. „Ein Hirngespinst. Unsinn.“
„Vor allem ein verdammt langer Monolog.“
Katrin lachte bedrückt. „Tut mir leid.“ Sie fuhr sich übers Gesicht, das von der Winterluft draußen noch immer kalt und steif war. „Ich hätte diese Dinge einfach nie sehen sollen.“
„Stimmt.“

Ein so schlichtes Wort – und trotzdem fühlte es sich an wie ein spitzer Nadelstich.
„Aber da es nun nicht mehr rückgängig zu machen ist und du ohnehin alles weißt…“ Nicole nahm die Füße vom Stuhl und stand auf. „Kannst du dich ebenso gut nützlich machen.“
„Das heißt?“
„Dass du mich zurückbegleiten wirst.“
„Nach Joulky?“
„Nein, ins Auenland. Natürlich nach Joulky, Dummerchen.“
„Aber –“
„Nun hör mir mal gut zu.“ Nicole wies mit dem Finger auf sie. „Das ist eine Familienangelegenheit und ich würde behaupten, dass sie dich keinen Pfifferling angeht, aber so wie die Dinge stehen, habe ich keine andere Wahl! Klar?“
„Ja – Nein – Worüber redest du?“
„Nicholas weigert sich, mit uns zu reden.“
Katrin blinzelte.
„Er hat sich auch geweigert, deinen Brief zu lesen. Oder auch nur irgendjemanden anzusehen. Er sitzt nur tagein, tagaus in der Bibliothek und zieht sich einen Wälzer nach dem nächsten rein.“
„Aber warum…“
„Tja. Das“, Nicole hob die Brauen, „fragst du ihn am besten selbst.“

Behind the Scenes

Und die letzte Gastautorin: Anne Danck! Nicht nur im Märchensommer war sie fleißig dabei, auch hier hat sie – neben mir – die meisten Kapitel beigesteuert, nur das sie etwas anders aufgeteilt sind, als ursprünglich geplant. 😉

Dieses Kapitel war eines der ersten, die geschrieben wurden, daher mussten wir eine ganze Weile warten, bis die letzten Anpassungen hier gemacht werden konnten, damit ich dann alles hier einpflegen konnte. Das ist für mich immer der nervigste Teil an Adventskalendern: Man fängt irgendwann im Sommer an, ist aber in der Weihnachtszeit immer noch nicht fertig. Zumindest ist das bei mir so … wobei ich vergessen habe, wo mein Rekord mit schnellster Fertigstellung liegt … irgendwas im Dezember (ich hab 17. und 9. im Kopf irgendwie …). 😀 (Anm.: Dieser Beitrag wurde am 13.12. geplant.)

Abgesehen davon, dass sie die Emotionen toll getroffen hat, finde ich übrigens das alternative Ausflugsziel sehr gut gewählt. 😀

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #18

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Weihnachtswarterei

Endlich stand Weihnachten vor der Tür. Lange hatte Katrin sich darauf gefreut Nicholas wieder zu sehen. Allerdings gab es noch einiges zu tun: Das Haus musste auf Vordermann gebracht und weihnachtlich geschmückt werden. Sie wusste nicht, wie viel Zeit er haben und ob er tatsächlich kommen würde, aber wenn er es tat, sollte alles weihnachtlich aussehen. Auch wenn sie Joulky nicht zu Weihnachten gesehen hatte konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie das Dorf nicht festlich dekorierten. Schließlich war es das Weihnachtsdorf. Ein Bisschen davon in ihr Haus zu bringen, war das Geringste das sie nach allem, was geschehen war tun konnte, damit Nicholas sich auch hier wohl fühlte. Sie hatte ihn und ihre Zeit in Joulky nicht vergessen, ein Teil von ihr befürchtete jedoch, dass er es getan hatte, um über die schrecklichen Ereignisse hinweg zu kommen, wenn er sie nicht sogar dafür verantwortlich machte. Immer wieder hatte sie im vergangenen Jahr Albträume vom Angriff des Krampus gehabt und immer wieder war es Nicholas, der sie vor dem Monstrum rettete, bevor sie schweißgebadet aufwachte. Wieder und wieder hatte sie sich gefragt, wie es ihm wohl ging und ärgerte sich darüber, dass sie nicht Telefonnummern getauscht hatten. Nicholas hatte so verloren gewirkt, als sie sich verabschiedet hatten. Ob er sich überhaupt noch an ihre Verabredung erinnerte? Ob er sie überhaupt wiedersehen wollte? Nein, daran durfte sie nicht denken, auch wenn es bedeutete, dass sie doch etwas Hoffnung in Carlos’ Worte legte. Sie konzentrierte sich einfach darauf, alles für seinen Besuch vorzubereiten.

Heute war Samstag und Katrin hatte schon am frühen Morgen ihre Weihnachtsschallplatten aus dem Schrank geholt und jetzt schallte Andy Williams‘ Stimme mit “The Most Wonderful Time Of The Year” durch die Räume. Gerade hatte Katrin das Wohnzimmer geputzt. Sie richtete sich auf und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus dem Kopftuch gelöst hatte, das sie immer zur Hausarbeit trug. Ein Blick zur Uhr verriet ihr, dass sie nur noch etwa eine Stunde Zeit hatte, bis sie mit ihrem Nachbarn Thomas verabredet war. Er hatte sich bereit erklärt sie zum Weihnachtsbaumkauf zu begleiten und ihr zu helfen den Baum aufzustellen. Katrin schüttete das Putzwasser in die Toilette und kehrte mit einer Kiste mit Weihnachtsdeko zurück ins Wohnzimmer.

Als sie sich schließlich mit Thomas auf dem Gehweg traf, leuchteten in allen Fenstern eine Lichterkette – auch um die Haustür herum hatte sie eine angebracht.
“Hallo Katrin. Und kann’s losgehen?”, begrüßte Thomas sie.
“Unbedingt!”, antwortete sie strahlend, worauf Thomas seinen Wagen aufschloss und die beiden sich auf den Weg machten.
Praktischerweise fuhr Thomas ein relativ großes Auto. Mit Katrins Kleinwagen hätten sie das Ungetüm von Baum, das sie sich aussuchte, vermutlich nicht einmal auf dem Dach transportieren können.

Nachdem der Baum verstaut war, lud Katrin Thomas zum Dank noch auf einen alkoholfreien Glühwein ein.
“Du bist wirklich sicher, dass der Baum in dein Wohnzimmer passt?”, fragte Thomas schmunzelnd. In Händen hielt er die dampfende Tasse und zog den Duft ein.
“Jaaa-ha! Wie oft willst du das noch fragen?”, entgegnete Katrin, verdrehte gespielt genervt die Augen und trank einen Schluck. Ja, er war größer als alle, die sie in den vergangenen Jahren zusammen hatte, aber dies war ja auch ein etwas anderes Weihnachtsfest. “Hast du schon einen Baum?”, wechselte sie das Thema.
“Ne, noch nicht. Aber meiner wird auch deutlich kleiner ausfallen. Ich werde ihn vermutlich am 23. auf dem Weg von der Arbeit irgendwo besorgen.”
“Dann gehörst du also zu denen, die einfach irgendeinen Baum nehmen?”, hakte Katrin nach.
“Vorher lohnt es sich aber einfach nicht, ich bin ja den ganzen Tag arbeiten. Außerdem… die hässlichen Bäume haben auch eine Chance verdient.”
Seine letzte Bemerkung ließ Katrin grinsen. Das war normalerweise auch ihr Gedanke beim Baumkauf, aber dieses Jahr wollte sie es einfach etwas festlicher haben.
Sie plauderten eine Weile weiter, bis sie ausgetrunken hatten und machten sich dann auf den Heimweg.

“Krass! Du stehst echt auf Weihnachten!”
Thomas hätte fast sein Ende vom Baum fallen lassen, als er das Wohnzimmer betrat, das seit heute Vormittag eher einem Winter-Weihnachts-Wunderland, denn einem normalen Wohnzimmer glich.
Katrin wurde leicht rot und nickte unverbindlich, sie konnte ihm ja schlecht sagen, dass sie für einen Santa dekoriert hatte. “Es ist einfach toll. Weihnachten ist die schönste Zeit im Jahr. Man kann wieder Kind sein und sich verzaubern lassen”, erklärte sie stattdessen und es war gar nicht mal gelogen.
Thomas schenkte ihr ein Lächeln und half ihr den Baum in den Ständer zu stellen. Während Katrin sich schon den Kerzen für den Baum widmete, nahm ihr Nachbar alles unter die Lupe. Es gab wirklich einiges zu entdecken. Unwillkürlich fragte Katrin sich, ob sie es vielleicht übertrieben hatte.
“Meinst du es ist zu viel?”, fragte sie verunsichert und hielt im Dekorieren inne.
“Nein. Mir gefällt es irgendwie. Du hast Recht… irgendwie magisch.”, entgegnete Thomas.
“Danke!”, strahle Katrin.
Thomas stand einen Moment etwas unschlüssig da und musterte Katrin aufmerksam.
“Ähm… ja… ich geh dann mal. War nett. Wenn du mal wieder Hilfe beim Baum schleppen brauchst, melde dich einfach”, meinte er schließlich und wandte sich um.
“Oh, ja. Danke! Ich bring dich noch zur Tür!” Katrin flitzte an ihm vorbei, um ihm die Tür zu öffnen und ihm noch kurz nachzuwinken.

Die letzten Tage vor Weihnachten verbrachte Katrin damit den Baum und noch ein paar Ecken ihres Hauses zu dekorieren – Nicholas sollte sich schließlich wohlfühlen – und einkaufen zu gehen. In ihrer Nervosität hatte sie sich auch extra ein neues Kleid zugelegt.

Endlich war Heiligabend gekommen. Gegen Mittag bereitete Katrin das Essen vor. Eigentlich hatte sie auch vorgehabt Kekse und Milch bereit zu stellen, aber irgendwie kam sie sich jetzt doch albern vor. Außerdem wusste sie ja, dass beides von den Wichteln beim Abholen der Briefe verzehrt wurde.
“Was mach ich denn jetzt?”, murmelte sie, die Packung Kekse in der Hand, vor sich hin. Ein Blick zur Uhr zeigte ihr, dass die Geschäfte noch etwa eine Dreiviertelstunde geöffnet hätten. Kurzentschlossen warf Katrin die Kekse auf die Anrichte in der Küche, schnappte ihren Autoschlüssel und ihre Jacke und verließ das Haus. Während sie zu ihrem Auto eilte zog sie die Jacke an und klemmte sich dann hinters Lenkrad. Zum Glück waren die meisten Leute scheinbar schon fertig mit ihren Weihnachtseinkäufen, sodass die Straßen leer waren und Katrin schnell vorankam.
Auf dem bereits menschenleeren Parkplatz stellte sie den Wagen ab und hastete in den Supermarkt. Noch 20 Minuten. Gut, sie konnte sich also etwas Zeit lassen. Katrin nahm am Eingang einen Korb und ging durch die Gänge. Der Laden sah schon ziemlich geplündert aus, was aber um diese Zeit nicht weiter verwunderlich war. Katrin suchte sowohl einen Rot- als auch einen Weißwein aus, Trauben und verschiedene Käse legte sie ebenfalls in den Korb. Dann ging sie zur Kasse. Sie wünschte der Kassiererin frohe Festtage und fuhr zurück nach Hause.

“Mist. Das hat meinen Zeitplan jetzt total durcheinander geworfen. Ich muss doch fertig sein, wenn Nicholas kommt…”, brabbelte sie vor sich hin während sie den Weißwein in den Kühlschrank legte und den Rotwein auf die Anrichte stellte.
“Mal sehen, was muss ich noch machen?”
Katrin hielt inne und lächelte.
“Okay, zuerst einmal muss ich mit den Selbstgesprächen aufhören und mich beruhigen. Ich bin doch kein Teenager mehr, ein Date sollte mich nicht so nervös machen, oder? Außerdem ist es ja auch gar kein Date. Nur zwei Leute, die sich gut verstehen und sich zu Weihnachten verabredet haben”, versuchte sie sich einzureden, merkte aber die Wärme auf ihren Wangen. Allein, dass er dich hergebracht hat und dir seine Welt zeigt, um zu sehen, wie du darauf reagierst, sagt doch schon alles’, hallten Carlos’ Worte in ihrem Gedächtnis wieder und wenn er damit Recht hatte, dann war das hier genauso ein Date, wie Nicholas ein Santa war.
Schließlich schob Katrin den Gedanken beiseite und stattdessen den Braten in den Ofen und ging in der Zwischenzeit duschen. Das neue Kleid war tannengrün und glänzend. Eine ihrer silbernen Ketten passte hervorragend dazu. Auch wenn sie mehrfach schwankte, ob sie es wirklich anziehen sollte, entschloss sie sich schließlich doch dafür. Vielleicht würde Nicholas so ein bisschen aus seinem Schneckenhaus herauskommen und ihr sagen, ob er tatsächlich etwas für sie empfand. Vielleicht würde sie ihn aber auch komplett verschrecken, wenn er davon ausging, dass sie sich nur als Freunde trafen. Sicherheitshalber zog sie noch eine schwarze Strickjacke darüber.
Anschließend deckte sie den Tisch, holte den Braten aus dem Ofen und sah auf die Uhr. Hatten sie überhaupt eine Zeit ausgemacht? Eigentlich ja noch nicht einmal genau den Tag. Bloß Weihnachten. Gut, ein bisschen konnte sie ja noch warten.

Nach fast einer Stunde hatte Katrin wieder eine ihrer Weihnachtschallplatten aufgelegt und ihr Magen knurrte. Durch die ganze Vorbereitung hatte sie heute selbst kaum etwas gegessen. Schließlich machte sie es sich mit einem Teller Braten, Klößen und Rotkohl, den sie gerade in der Mikrowelle aufgewärmt hatte, bequem. Nicholas hatte sicher sowieso keine Zeit etwas mit ihr zu essen und wenn doch, könnte sie ihm ja auch einen Teller aufwärmen wenn er kam.

Schließlich wurde es Mitternacht. Gerade lief “I saw Mommy kissing Santa Claus”. Katrin seufzte enttäuscht. Sie räumte auf, schaltete die Musik ab und ging zu Bett.

“Ja… Ja, Mama… Ja es tut mir wirklich leid, aber ich bin nunmal verabredet… Ja, ich weiß, dass es kurzfristig ist… Ich komme nach den Feiertagen vorbei, versprochen… Was? Nein… Ach Mama, ich würde dir schon sagen, wenn ich einen neuen Freund hätte… Ja… Mhm… Ja ist gut. Hab dich auch lieb. Frohe Weihnachten.”
Katrin legte den Hörer auf und seufzte. Sie hatte genau gewusst, wie ihre Mutter reagieren würde, wenn sie ihren Besuch für Weihnachten absagen würde. Dennoch hatte sie sich für die Absage entschieden. Bestimmt hatte Nicholas an Heiligabend einfach zu viel zu tun gehabt.

Der erste Weihnachtstag endete, ohne dass Katrin etwas von Nicholas sah oder hörte. Nachdem dann auch der zweite Weihnachtstag ohne einen Besucher verging, gab Katrin auf.
Sicher hatte er es sich anders überlegt. Oder hatte sie vielleicht etwas falsch gemacht? Fieberhaft überlegte Katrin, was sie in der letzten Zeit getan hatte, was einen Santa verärgern könnte. Als sie sich mit einem Teller Kekse auf dem Sofa niederließ, fiel ihr Blick auf den Weihnachtsbaum. Vielleicht hatte sie ja doch übertrieben. Oder lag es an Thomas?! Hatte Nicholas da vielleicht irgendetwas falsch verstanden? Aber konnte er überhaupt davon wissen? Oder war er doch sauer auf sie wegen der Sache mit dem Krampus? Schließlich wurde ihr Besuch als Anlass für die Befreiung genutzt. Nachdenklich knabberte Katrin an einem Keks. Warum hatte sie sich überhaupt Hoffnungen gemacht? Zu Carlos hatte sie noch großspurig gesagt, sie würde das erst tun, wenn Nicholas etwas Entsprechendes sagen würde, aber irgendwie hatte sie das nicht durchgehalten. Sie hatten nur knapp eine Woche miteinander verbracht, in der nicht einmal etwas zwischen ihnen geschehen war und doch … Sie verfluchte ihr dummes Herz, dass viel zu viel in eine vollkommen normale Situation hinein interpretierte. Ja, vollkommen normal. Privatführung im Weihnachtsdorf von einem Weihnachtsmann höchstpersönlich … Sie schob sich einen weiteren Keks in den Mund. Natürlich war das frustessen, aber das war jetzt auch egal. Zu einem Ergebnis kam sie an diesem Tag trotzdem nicht.

Um sich von diesem Desaster abzulenken, beschloss sie gleich am nächsten Morgen zu ihrer Familie zu fahren, aber nicht ohne auf ihrer Anrichte einen Zettel für Nicholas zu hinterlassen. Nur für den Fall, dass er doch noch auftauchte und sie nicht da war.

Eine Woche war seit Weihnachten vergangen, das neue Jahr hatte mit einem Feuerwerk begonnen und Nicholas hatte sich immer noch nicht gemeldet. Katrin machte sich langsam wirklich Sorgen. Irgendwie hatte sie so ein komisches Gefühl, immer wenn sie an Nicholas dachte. Was wenn bereits einer seiner Familie der nächste Krampus geworden war? Was wenn es einen der Jungs … Nein, daran wollte sie gar nicht denken …
Nicholas hatte bestimmt einen guten Grund, trotzdem entschied sie sich ihm zu schreiben, wenn er sich schon nicht meldete.

Lieber Nicholas,

schade, dass es dieses Weihnachten nicht mit deinem Besuch geklappt hat. Ich hatte mich schon sehr darauf gefreut, aber vermutlich hattest du einfach zu viel um die Ohren.

Dir ging es schlecht, als wir uns das letzte Mal gesehen haben und ich hatte gehofft so zu erfahren, ob es dir besser geht. Wenn du nicht gekommen bist, um nicht wieder an die Ereignisse meines Besuchs erinnert zu werden, kann ich das vollkommen verstehen. Vermutlich ist dieser Brief eine entsprechend blöde Idee und es tut mir Leid, aber ich möchte eigentlich einfach nur wissen, ob es dir gut geht (und ob es vielleicht doch an mir liegt, dass unser Treffen nicht stattgefunden hat).

Da wir dummerweise keine Nummern ausgetauscht haben (meine ist übrigens: +49160/8846125), kann ich auch nur wieder diesen Weg nehmen um dir zu schreiben, in der Hoffnung, so eine Antwort zu bekommen.

Alles Liebe

Katrin

Sie steckte den Brief in einem Umschlag auf den sie unter das Für Santa, damit die Wichtel ihn auch fanden und mitnahmen, ein kleines Nicholas in Klammern schrieb und ergänzte ein Von Katrin auf der Rückseite. Mit einem Glas Milch und ein paar Keksen, die noch vom Weihnachtsbacken ihrer Schwester übrig waren, von ihrer Nichte hübsch verziert mit Perlen und rosa Zuckerguss, stellte sie ihn auf die Kommode. Mit einem Seufzen ließ sie sich auf ihren Lesesessel plumpsen. Nun hieß es abwarten.

Behind the Scenes

Dieses Kapitel ist irgendwie eine direkte Zusammenarbeit von Marina/DarkFairy und mir. Nicht unsere erste, schreiben wir doch an Warlords zusammen und darüber als DFPP Entertainment – und endlich auch wieder ein Stück weiter! Sie hat das Grundgerüst geschrieben und Thomas eingeführt und ich habe mit den Sachen ergänzt, die zum Rest der Geschichte ver- öhm -linken? Ah, verweisen!, denn als Buchhändlerin in Ausbildung hat Marina einen straffen Zeitplan und es leider nicht geschafft die vorherigen Kapitel ausführlich genug zu lesen, um das selbst einzubauen. Aber ich denke, die Mischung ist uns ganz gut gelungen. 🙂

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #17

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Abschied und Erinnerungen

Nicole, Nikolai, Klaus … sie alle bemühten sich wirklich um Nicholas. Dieser jedoch antwortete wenn überhaupt nur recht einsilbig. Nicht einmal der Sonnenschein Carlos mit seiner fast unerschütterlichen Frohnatur konnte ihn aufheitern, obwohl er sich redlich bemühte. Katrin versuche ebenfalls ihn zu erreichen, was immerhin etwas besser gelang, als bei seiner Familie. Aber auch wenn er etwas aus seiner Lethargie erwachte, tat er nicht sehr viel mehr als sich entschuldigen.
Daher beschloss die Familie ihn vom Begräbnis für den Krampus fernzuhalten. Alles wurde so geplant, dass er am Morgen mit Katrin aufbrechen konnte, um diese nach Hause zu bringen, während der Rest des Dorfes dem Verstorbenen die Letzte Ehre erwies. Immerhin war er ein Teil der Familie gewesen.

Still ging Nicholas an Katrins Seite durchs Dorf. Warum auch immer, sie hatte darauf bestanden, sich von einigen Bewohnern persönlich zu verabschieden. So auch von Carlos. Während sie hinein ging, wartete er vor der Tür, starrte hinüber zur Fabrik. Erneut lief die ganze Szene wie wie ein Film in seiner Erinnerung ab. Er suchte nach einer Möglichkeit, wie er die Situation hätte retten können, ohne den Krampus zu töten. Aber er fand keine. Außer wenn er Katrin gar nicht erst hierher gebracht hätte. Oder hätte er doch versuchen sollen, mit ihm zu reden. Sicher hätte es eine Möglichkeit gegeben.
Unwillig schüttelte er den Kopf, drehte sich um und sah durchs Fenster, wie Katrin von Carlos im Arm gehalten wurde. Eifersucht wallte in ihm auf. Schon unter normalen Umständen wäre es unmöglich gewesen, auch nur eine Freundschaft mit Katrin in Erwägung zu ziehen. Aber sie dann mit Carlos zu sehen, der das Dorf jederzeit verlassen konnte … das tat weh. Mehr als es sollte und er erwartet hatte.

Wenig später öffnete Nicholas das Portal, das Katrin nach Hause bringen sollte. Eigentlich hatte er ja vorgehabt, sie mit dem Schlitten zu fahren, aber die Familie war dagegen gewesen. Schweigend gingen sie den Weg vom Wald bis zu Katrins Haus. Sie setzte mehrmals an, um etwas zu sagen, entschied sich aber doch immer wieder dagegen. Sie hatte ihre Hände tief in ihre Taschen vergraben und nicht wie so oft in den vergangenen Tagen an seinem Arm. Ein Teil von ihm hätte gerne in diesen letzten Minuten noch einmal ihre Nähe gespürt, dem anderen war es lieber, dass sie Abstand voneinander nahmen. Immerhin würde er sie vermutlich sowieso nie wieder sehen.

Vor ihrer Tür angekommen stellte er ihre Rucksack ab. Er wusste nicht, was er sagen sollte und starrte einfach nur auf den Boden.
“Bis Weihnachten?” Ihre Worte ließen ihn aufblicken. Katrin sah ihn intensiv an. Ein Blick, den er nicht deuten konnte. Er wollte, dass es bedeutete, dass er ihr wichtig war. Aber konnte er das sein? Nach allem was passiert war? Er wusste es nicht, bezweifelte es.
„Ja natürlich“, erwiderte er daher schwach, wandte sich ab und ging.

Als er durch das Portal zurück nach Haus kehrte fühlte er eine Kälte, die nach ihm griff. Schob das aber auf seine allgemein nicht gute Verfassung und legte sich einfach ins Bett. Am Liebsten würde er alles vergessen. Nicht das was mit Katrin zu tun hatte, aber den Rest. Warum hatte er es nur soweit kommen lassen? Wie dumm konnte man eigentlich sein? Es gab all die Regeln ja nicht zum Spaß! Tatsächlich würde er aber um Katrin zu beschützen jederzeit wieder so handeln. Absprache hin oder her, dass sein Bruder ihm das unter die Nase gerieben hatte schmerzte. Auch wenn es ein Wunder war, dass Katrin überhaupt noch mit ihm redete, nachdem er zum Mörder geworden war. Sie behauptete zwar dankbar zu sein, aber er sah ihr an, dass auch sie ihn insgeheim dafür verurteilte. So wie auch seine Familie.

Da er auch nach Stunden keine Ruhe geschweige denn Schlaf finden konnte, schlüpfte er wieder in seine Kleidung. Vorsichtig lauschte er, er wollte niemandem von seiner Familie begegnen. Endlich hatte er die Haustür erreicht und trat hinaus in die Nacht. Er lief durch das schlafende Dorf, sah in den Himmel, ließ sich einfach treiben. Ebenso wie seine Gedanken, ohne ein bestimmtes Ziel. Und doch landete er immer wieder bei dem „Was-Wäre-Wenn“ … Wenn er nicht bei Katrin gelandet wäre, wenn sie nicht diesen Brief geschrieben hätte, wenn … wenn … wenn … Es war einfach frustrierend.
Mit Katrin hatte sich alles viel leichter angefühlt, einfacher. Jetzt war dieses Gefühl weg, begraben unter seinem schlechten Gewissen, den Zweifeln, die er einfach nicht los wurde.
Kein Wunder, dass keiner ihn mochte. Schon gar nicht Katrin. Er hatte sie beinahe umgebracht. Nicht nur sie, er hatte das ganze Dorf in Gefahr gebracht. Dass er den Krampus nicht selbst befreit hatte, spielte da auch schon keine Rolle mehr.

Als der Morgen hereinbrach ging er zurück ins Haus. Das Letzte was er brauchen konnte waren Vorhaltungen seiner Mutter, warum er nicht zum Frühstück gekommen war. Und ganz sicher hatten seine Geschwister auch noch ein paar Worte mit ihm zu wechseln.
Während er mit den Anderen am Tisch saß und so tat als höre er ihnen zu, ging er wieder und wieder ihren Abschied durch. Natürlich fielen ihm jetzt tausend Dinge ein, die er hätte sagen können. Witzige Dinge, charmante Dinge, nette Dinge. Alles besser, als „Ja, natürlich“, jedenfalls.
Aber die Chance hatte er verpasst. Wahrscheinlich würde sie nicht mal da sein, wenn er mit dem Schlitten vor ihrem Haus halt machen würde. Wieso sollte sie auch auf ihn warten? An ihm war nichts Besonderes. Er war nicht einmal der einzige Weihnachtsmann. Nicholas hatte genau gesehen, dass sie über diese Information sehr überrascht war. Bestimmt dachte sie, dass er es alleine nicht auf die Reihe bekäme, genau wie seine Geschwister. Und wahrscheinlich hatte sie sogar recht. Er konnte ja nicht mal in seinem eigenen Dorf auf sie aufpassen.
Nach dem Frühstück machte er sich an seine Arbeit. Musste aber immer öfter eine Pause mache. Ihm war kalt. Schrecklich kalt, so als ob er von innen am Erfrieren wäre und nicht einmal der Pullover seiner Mutter half dagegen.

*

Katrin konnte am Abend ihrer Rückkehr kaum einschlafen. Die ganze Zeit drehten sich ihre Gedanken darum, was sie alles erlebt hatte. Fast eine ganze Woche war sie in einem Märchenland gewesen. Hatte Zeit mit dem Weihnachtsmann – nein, den Weihnachtsmännern, -frauen und -wichteln verbracht, sich das Dorf und die verschiedenen Auslieferungsschlittentypen angesehen, die Wunscherfüllungs- und die Geschenkverteilungsroutine erklären und das Postamt und die Fabrik der B-Waren-Reparatur zeigen lassen und Rentiere hinter sicher verschließbaren Stallanlagen gestriegelt. Na gut, ein Rentier. Aber dafür ein Rentierkalb namens Lucifer.
Sie hatte duftende Pancakes gegessen, wunderbar warme von Mama Maros gestrickte Winterkleidung getragen und herausgefunden, dass auch die ganze Arbeit der Santas von eigenen Steuern finanziert wurde.
Ihr Herz machte einen besonders dollen Hopser, als Katrin daran dachte, dass der Bibliothekar sich noch an ihre Sonderwunscherfüllung, an das Buch, welches Nicholas ihr als Dankeschön für das Ausleihen der Ofenbürste gebracht hatte, erinnern konnte.

Schließlich wandten sich ihre Gedanken der Familie mit ihrer ganzen Geschichte und ihrer Herkunft sowie dem Thema „Krampus“ zu und sie verspürte ein Ziehen in der Brust. So ganz ungetrübt war die Idylle nach einem Blick hinter die Kulissen leider doch nicht gewesen. Zum Glück hatte sich alles aufgeklärt, die Vorurteile über sie als Fremde und möglicherweise Verantwortliche aus dem Weg geräumt und es herrschte wieder Sicherheit, aber dennoch blieb ein schaler Beigeschmack. Vor allem was Nicholas‘ Verfassung anging. Sie hoffte einfach nur, dass es ihm bald besser gehen und sie ihn dann Weihnachten wiedersehen würde.

Am nächsten Morgen musste sie wieder arbeiten gehen. Die Kinder würden fragen, warum sie eine Woche nicht da war. Ob sie wieder gesund sei, auch wenn sie das nicht gewesen war, und wieder mit ihnen spielen und ihnen Geschichten erzählen würde.
Und WAS für Geschichten könnte sie erzählen!
Aber was DURFTE sie erzählen? Katrin war zur Geheimhaltung verpflichtet, das hatte Nikolai ihr zum Abschied klargemacht. Niemand durfte von dem Dorf wissen, oder zumindest nicht, wo es lag.
Und wie könnte sie gewährleisten, sich nicht etwa zu verplappern oder – aus Nervosität – Widersprüche zu verbreiten?
Sie müsste sich Notizen machen. Notizen und Stichworte zur Reihenfolge der Geschehnisse. Die Namen verfremden, das Dorf anders beschreiben. Sollte in ihrer Version der Geschichte nicht doch die Geschenke lieber alle neu produziert werden? Oder könnte sie damit vielleicht auf die Recyclingmöglichkeit und gegen die Wegwerfgesellschaft ein Statement setzen? Sollte sie den Kindern gegenüber den Krampus erwähnen? Von Vorurteilen und deren Wiedergutmachung sprechen?
Von ihrer Begegnung mit dem waschechten Weihnachtsmann mit Motorschlitten und Rentieren hatte sie bereits berichtet – das müsste sie auch so stehen lassen.
Was also, wenn sie… wenn sie sich nicht nur Notizen machte? Sicherlich ließe sich auch ein ganzes Buch mit der Darstellung der Geschehnisse füllen! Vor ihrem inneren Auge erschien ein Buch, dick eingebunden mit einem roten Lederumschlag, und vorn eine grazile Zeichnung des Wohnzimmers samt angeheiztem Ofen und der im Schaukelstuhl sitzenden und strickenden Natascha.
Die erste Seite dieses Buches würde von den Worten geziert „für Nicholas“ und auf der nächsten würde ihre Geschichte beginnen!
Gerade weit genug von der Wahrheit entfernt, um das Dorf und die Familie und ihre Freunde zu schützen, könnte sie von ihren Erlebnissen berichten.
Meine Woche mit Santa‘ – oh Gott nein, das klänge wie eine Liebesschnulze! Katrins Lächeln verwandelte sich bei dem Gedanken in ein Grinsen. ‚Die Magie des Nordens‘, ja, das hingegen könnte man nehmen.
Mit diesem Gedanken schlief Katrin schließlich ein.

Als sie am nächsten Morgen von der Meute wissenshungriger Kinder umgeben war, von denen sich einige an sie kuschelten und im wahrsten Sinne des Wortes an ihrem Rockzipfel hingen und andere sich bereits hingesetzt hatten und sie um eine neue Geschichte baten, langte Katrin ins Regal, um ein Buch herauszunehmen, das sich mit den Abenteuern der Biene Maja beschäftigte und begann, daraus vorzulesen. Schließlich fing der Sommer gerade an und eine weitere Weihnachtsgeschichte zu erzählen, wäre wahrlich noch zu verfrüht.

Am Nachmittag, nachdem die Kids sich draußen auf dem Spielplatz ausgetobt und begonnen hatten zu malen, fiel Katrins Blick auf einen Prospekt, der in einem Projekt vor einem Jahr entstanden war. Der Kindergarten hatte zu einem Tag der offenen Tür eingeladen und statt Fotos für die Broschüre zu verwenden, waren die spielenden Kinder von einem Zeichner eingefangen und in Bleistiftskizzen verewigt worden. Die Bilder waren sehr gut angekommen und viele Eltern haben sich gewünscht, eine Kopie des Originals, auf dem ihr Kind zu sehen war, zu bekommen.
Auch Katrin hatten die Bilder gut gefallen – trotz der einfachen Skizzentechnik strahlten sie Lebensfreude aus, Bewegung, Dynamik. Der Zeichner hatte es verstanden, die Gesichtsausdrücke festzuhalten, den Bleistiftfiguren einen Charakter zu geben.
Was wäre, wenn Katrin diesen Zeichner für die Arbeit an ihrem Kinderbuch gewinnen könnte? Wenn sie mit ihm zusammen ein Projekt auf die Beine stellen könnte, dessen Ergebnis sie in der Vorweihnachtszeit im Kindergarten vorlesen und ausleihen könnte? Was, wenn sie dieses Buch sogar an einen Verlag vermitteln und die Geschichte so noch mehr Menschen zugänglich machen könnte?
Kurzentschlossen schnappte sie sich die Broschüre, recherchierte im Internet nach den Kontaktdaten und rief den Zeichner an.

Drei Tage später hielt Katrin die ersten Skizzen in der Hand. Noch nicht mal ein Foto hätte den Krampus, die Schlitten und den Stapel Pancakes besser erfassen können als der Zeichner es binnen einiger Minuten vermochte.

Behind the Scenes

Heute gibt es ein Doppelkapitel, ein zusammengefügtes Kapitel und das sogar von zwei verschiedenen Autorinnen (mit kleinen Ergänzungen meinerseits). Nicholas‘ Sichtweise stammt von  Irina Christmann, Katrins ist von Nebu. Nebu brauchte drei Ansätze, um diese Fassung so hinzubekommen, wie sie es wollte ohne einfach nur nachzuerzählen, was zuvor schon stand. Auch Irina musste nochmal nachbessern, denn sie ist etwas spät in die Szene eingestiegen und musste zusätzlich noch auf mein vorheriges Kapitel reagieren.

Ursprünglich waren es einzelne Kapitel, aber da an anderer Stelle die Aufspaltungen notwendig waren, musste es eben auch ein paar Zusammenführungen geben und hier passte es auch thematisch ganz gut.

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #16

Read in English

Der Krampus

Im zweiten Fabrikgebäude fanden sie ihn schließlich. Er stand alleine am Ende eines stillstehenden Fließbands und tüfftelte an einem kleinen metallischen Spielzeugauto.
“Hallo Heinrich”, grüßte Carlos ihn, nicht viel von seiner normalen Freundlichkeit war zu hören.
“Hab ich Post bekommen, Carlos?”, fragte er ohne aufzusehen.
“Nein. Wieso bist du hier alleine? Der Chef hat gesagt, wir sollen immer zu zweit unterwegs sein”, antwortete dieser stattdessen.
“Schmarrn. Nach der Aussortierung heute Vormittag weiß jeder, dass der Krampus nur hinter unartigen Menschen her ist”, winkte Heinrich unbekümmert ab und schraubte weiter an einem kleinen Rad, “Ich hab nichts unartiges getan, also bin ich vor ihm sicher und kann in Ruhe arbeiten.”
“Interessante Sichtweise”, kommentierte Carlos und warf Katrin einen vielsagenden Blick zu. Sie nickte und er stellte sie vor, wobei er sie etwas vor sich schob: “Katrin hier, möchte dir ein paar Fragen stellen.”
Heinrich sah auf und rückte seine Brille zurecht. “Die berühmte Besucherin. Wie kann ich helfen? Möchtest du Tipps, wie man ein Spielzeugauto effizient repariert?”
“Nein, ich möchte wissen, ob es stimmt, dass Nikolaus Maros Ihnen Pläne zur Überarbeitung eines Spielzeugs abgekauft und als seine eigenen ausgegeben hat?”, fragte sie geradeheraus.
“Wie kommst du darauf?”, versuchte Heinrich es runterzuspielen.
“Er hat es mir selbst erzählt, ich möchte Ihre Version davon hören.”
“Er hat -? Sieht er auf seine alten Tage doch noch seine Fehler ein?” Heinrich lachte bitter. “Nein, er hat sie mir nicht abgekauft. Ich habe nie Geld für meine Pläne erhalten. Er hat sie sich einfach genommen.”
“Und das konnten Sie nicht auf sich sitzen lassen? Sie mussten etwas dagegen tun?”, hakte Katrin nach.
“Worauf spielst du an, junge Dame?”, versuchte er sie aus der Reserve zu locken, aber Katrin hatte keine Lust auf Spielchen: “Den Krampus.”
“Was hat der damit zu tun?”, wunderte sich Heinrich, aber ein leichtes Zittern war in seiner Stimme zu hören.
“Den ältesten Santa mit Hilfe des Krampus als unartig zu entlarven, klingt nach einer sehr passenden Rache, oder was meinst du, Carlos?” Katrin rief sich alle Kriminalisten ins Gedächtnis, von denen sie je gelesen hatte und tat ihr Bestes es ihnen gleich zu tun in der Überführung des Täters. Auch wenn es vermutlich albern wirkte und ihr Herz wie wild pochte.
“J-ja, das klingt nach einer gelungenen Rache”, bestätigte Carlos etwas verwirrt.
“Und wie soll ich das bitteschön angestellt haben?”, wollte Heinrich wissen und verschränkte die Arme herausfordernd.
“Sie haben sich von Natascha hergestellte Decken besorgt um damit nach und nach das Eis zu schmelzen, dass den Krampus eingesperrt hielt. Meinen Aufenthalt, der Nikolaus sowieso schon ein Dorn im Auge war, haben Sie dann als perfekte Gelegenheit gesehen, um Ihren Plan zu vollenden. Sie haben sich irgendwann eine Kopie der Schlüssel zugelegt, die Arme und Beine abgetaut, die Ketten geöffnet und eine Decke so lange über den restlichen Eisblock gelegt, bis er sich von selbst befreien konnte”, fasste Katrin zusammen.
“Eine schöne Theorie”, erklärte er leicht beeindruckt, schaute sie dann aber herablassend an: “Aber beweisen kannst du sie nicht.”
“Das brauchen wir auch nicht. Wir brauchen dich nur zu einem der Santas zu bringen und die werden schon herausbekommen, ob du unartig warst Heinrich”, erinnerte ihn Carlos mit einem fiesen Grinsen.
Heinrichs Gesicht verfinsterte sich und er griff nach dem Auto, nur um es kurz danach Carlos an die Stirn zu werfen und in die andere Richtung davonzulaufen. Doch weit kam er nicht. Direkt neben ihm zerbarst ein Fenster und der Krampus sprang auf das Fließband, beäugte ihn wie ein Jäger seine Beute.
“Nein, nein, nein! Du sollst ihn bestrafen! Nicht mich! Er hat es verdient!”, schrie Heinrich den Krampus an, doch das interessierte das Monstrum nicht. Er sprang vom Fließband und ging gemächlich auf ihn zu, seine Hufen klackten laut auf dem Fliesenboden, ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle. Katrin war erstarrt und auch Carlos presste nur die Hand an seine Stirn. Blut tropfte aus einer Wunde an seiner Schläfe. Sie mussten etwas tun. Sie konnte nicht zulassen, dass der Krampus Heinrich tötete. Aber sie wusste nicht, wie sie ihn aufhalten konnten. Stattdessen schubste sie Carlos zu Boden, damit sie aus dem möglichen Blickfeld verschwanden. Wenn sie schon nichts für Heinrich tun konnte, dann musste sie wenigstens Carlos beschützen, den sie mit reingezogen hatte. Unter dem Fließband hindurch sah sie, dass Heinrich sich nicht mehr bewegte, er war wie eingefroren, während der Krampus immer weiter auf ihn zuging. Sie musste den anderen Bescheid geben. Sie griff nach ihrem Handy, nur um festzustellen, dass sie es in ihrem Zimmer hatte liegen lassen. Wunderbar. Sie brauchte etwas das Krach machte, etwas Lautes, etwas – ihr Blick fiel auf eine Handglocke, die zusammen mit anderen Kleinigkeiten im Regal neben Carlos stand, der zu benommen war, um sich zu bewegen. Sie griff an ihm vorbei und begann, so laut sie konnte damit zu läuten.

Kaum hatte sich der erste Ton aus dem Metall gelöst, so stoppte der Krampus. Seine Hände legten sich über seine Ohren und mehr und mehr krümmte er sich bis seine Stirn den Boden berührte. Sein erbärmliches Brüllen hallte durch die Fabrik. Als Katrin das sah hörte sie nicht auf die Glocke zu läuten und versuchte ihn so in Schach halten, bis endlich Hilfe kam, doch bald schon begann sich Angstschweiß auf ihren Händen auszubreiten.
Heinrich war derweil in sich zusammengesunken. Katrin starrte unter dem Fließband hindurch auf den Krampus und bemerkte nicht, wie Nicholas im Raum erschien.
Dieser nahm die Szene vor sich auf. Noch war der Krampus wehrlos, noch könnten sie ihn bändigen und zurück ins Eis sperren. Doch während er überlegte, wie er ihn am besten festhalten konnte bis seine Geschwister kamen, rutschte Katrin die Glocke aus der mittlerweile schwitzigen Hand und landete mit letzten verklingenden Tönen unter dem Rollcontainer am Ende des Fließbandes.

Verängstigt ließ Katrin sich auf den Boden fallen und angelte danach, doch sie konnte sie nicht erreichen. Sogleich rappelte der Krampus sich auf und setzte an in Katrins Richtung zu springen. Doch weit kam er nicht. Sein Bein machte einen letzten Schritt, dann sackte er der Länge nach zu Boden, ein großer Eiszapfen ragte aus seinem Rücken.
“Es ist vorbei…”, verkündete Nicholas, die Hand noch halb im Wurf. Sein Herz und seine Gedanken rasten. Panik stieg in ihm auf. Was wenn er dadurch eines seiner Geschwister, schlimmer, einen seiner Neffen dazu verdammt hatte, der nächste Krampus zu werden?
Vorsichtig lugte Katrin unter dem Fließband hervor. Vor ihr schrumpfte der haarige Körper und sie sah weg. Sie wollte nicht mit ansehen, wie aus dem Monster wieder ein Mensch wurde.

Bald darauf erschienen Nicholas’ Geschwister.
“Bist du von allen guten Geistern verlassen?”, fragte Nick aufgebracht, als er den Krampus sah, “Verstehst du das unter NICHT töten? Ist dir überhaupt klar, was du dadurch angerichtet hast?!”
“Ich-ich…”, setzte Nicholas an, aber brachte keinen Ton mehr raus. Wie ein Häufchen Elend kniete er vor der Leiche.
“Es ist meine Schuld. Er hat mich beschützt”, mischte Katrin sich ein, die sich damit abgelenkt hatte, Carlos’ Wunde so gut es ging zu versorgen, um nicht den toten Körper ansehen zu müssen.
“Das alles ist deine Schuld!”, fuhr Nick nun sie an, “Wärst du doch bloß nie hergekommen!”
“Sei still!”, befahl Nicole ihrem jüngeren Bruder, “Es ist nicht ihre Schuld, dass jemand die Gelegenheit nutzt um sowas abzuziehen!”
“Nicht jemand. Heinrich”, offenbarte Katrin und deutete vage in die Richtung ihres Verdächtigen.
Nicole beugte sich zu ihm und prüfte seinen Puls und sah dabei, was er getan hatte. “Verdammte Scheiße…”, kommentierte sie und strich sich über das Gesicht. Sie sah sich kurz in der Fabrik um und holte schließlich eine Plane aus einem Regal und legte sie über den Leichnam. “Nick reiß dich zusammen und geh Klaus holen! Sag ihm was passiert ist”, befahl sie ihrem Bruder, während sie sich zu ihrem jüngsten hinkniete.
Nick wollte widersprechen, beließ es aber bei einem Schnauben und verschwand.
“Alles gut bei dir, Kleiner?”, fragte Nicole vorsichtig und legte ihrem Bruder einen Arm um die Schulter. Nicholas schüttelte nur seinen Kopf und starrte weiter auf die Hand mit der er den Eiszapfen geworfen hatte. Nicole zog ihren Bruder in eine feste Umarmung und sogleich begann dieser zu schluchzen und krallte sich an sie, ganz so, als wäre er wieder ein kleiner Junge und seine Brüder hätten ihm einen fiesen Streich gespielt. Zärtlich strich sie ihm über den Rücken und die Haare um ihn zu beruhigen. “Alles wird gut, Kleiner, wir schaffen das”, versicherte sie ihm wieder und wieder.

Als er sich etwas gefasst hatte, zwang sie ihn aufzustehen und mit ihr zum Ausgang zu gehen. Er schlurfte mehr, als das er ging und Nicole bugsierte ihn mit einem Arm auf seinem Rücken. Katrin sprang auf und stellte sich den beiden in den Weg. Ohne Vorwarnung schlang sie ihre Arme um Nicholas. “Danke.” Ihr ging es nicht aus dem Kopf, dass er für sie ein Leben genommen hatte, auch wenn sie gerade nicht darüber nachdenken wollte. Dennoch wollte sie ihm zumindest zeigen, dass sie dankbar dafür war, dass sie ihres noch hatte.
“Wofür? Dass ich einen aus meiner Familie dazu verdammt habe zum Krampus zu werden?”, erwiderte er bitter und mit trockener Kehle.
“Dafür, dass du mir – uns”, sie deutete auf Carlos, der noch immer etwas benommen am Regal lehnte, “das Leben gerettet hast.”
Nicholas sah die beiden an und dann zur Seite. “Zu welchem Preis?”, murmelte er nur und wandte sich ab. Er hatte versagt. Er wollte seine Familie schützen, Katrin beschützen und hatte doch alles viel schlimmer gemacht. Nicole blickte kurz zu den beiden, dann kümmerte sie sich wieder um ihren Bruder, den sie einfach nur aus der Fabrik raus haben wollte. Katrin wandte sich schließlich Carlos zu und half ihm auf die Beine.
“Es gibt hier bestimmt irgendwo eine Krankenstation, oder?”, fragte sie ihn in der Hoffnung, er wäre noch – oder wieder – klar genug, ihr den Weg zu beschreiben.
“Ja, da links”, sagte er und deutete nach rechts.

Nachdem Carlos versorgt war, traute Katrin sich nicht die Familie zu stören und verzog sich in ihr Zimmer, in der Hoffnung sie würde geholt werden, wenn sie gebraucht wurde. Stattdessen wurde ihr gegen Mittag eine Portion Essen gebracht, aber der Wächter reagierte nicht auf ihre Fragen.

Endlich, als es Abend wurde, holte Nicole sie und brachte sie ins Wohnzimmer.
“Erzähl uns was geschehen ist”, forderte Nikolai sie auf. Er klang nicht wütend, aber auch sonst schwangen keine Emotionen in seiner Stimme mit, was es noch wesentlich schlimmer machte.
Katrin holte tief Luft bevor sie alles erzählte. Vom Gespräch mit Nikolaus, von der Konfrontation Heinrichs, vom Erscheinen des Krampus bis zum bitteren Ende.
“Woher wusstest du, dass die Glocke ihn aufhalten würde?”, hakte Nikolai nach.
“Wusste ich nicht, ich habe nur nach etwas Lautem gesucht, um auf uns aufmerksam zu machen. Im Nachhinein betrachtet war es eine dumme Idee, da ich ihn dadurch auch hätte ablenken können, sodass er uns stattdessen angreift…”, dachte Katrin laut nach.
“Ich glaube nicht, dass er euch angegriffen hätte”, merkte Klaus an, dessen Bein bandagiert auf einem kleinen Hocker ruhte. “So wie ich das verstehe, hat er sich nur dir zugewandt, weil das Glockenläuten ihn gestört hat. Du fällst nicht in sein Beuteschema.”
“Das heißt, hätte ich nicht durch Zufall seine Schwachstelle gefunden, hätte Nicholas ihn nicht -” Sie konnte nicht weiter reden. Nicht bei dem Anblick den Nicholas bot, wie er zusammengekauert an der Wand hockte, die Arme eng um seine angezogenen Beine geschlungen.
“Ich befürchte, wir hätten sowieso keine andere Wahl gehabt”, gestand Nikolai ein, “unsere Kräfte sind einfach nicht darauf ausgelegt, ein Wesen wie den Krampus festzuhalten, ohne ihm zu Schaden.” Er betrachtete seinen jüngsten Sohn mit einem mitleidigen Blick. “Dass das Los auf Nicholas gefallen ist, ist…bedauernswert.” Er wusste nicht, wie er es sonst ausdrücken sollte. Nicholas hatte sich schon immer Dinge viel zu sehr zu Herzen genommen und er befürchtete, dass sein Sohn noch eine ganze Weile daran zu knabbern haben würde, dass er ein Leben genommen hatte, um andere zu retten. “Alles was wir jetzt tun können, ist Entwarnung zu geben und ihm ein angemessenes Begräbnis zu geben.”
“Und einander im Auge behalten, wer in seine Hufstapfen tritt”, kommentierte Nick bitter.

Behind the Scenes

In der Ursprungsfassung dieses Kapitels gab es Carlos noch nicht, aber irgendwie hat Irina’s Postbeamter sich mehr und mehr auch in die anderen Kapitel geschlichen … auch die Reaktion auf die Tötung fiel anfangs etwas spärlich aus, das kam dann erst, als es an die Umsetzung ging.

In der Bearbeitungsphase gehörte die erste Unterhaltung von Katrin und Carlos noch mit zu diesem Kapitel, aber da es zu lang wurde und noch zu gestern gepasst hat, habe ich sie verschoben.

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #15

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Monsterjagd

So sehr sich Nikolaus auch sträubte, er konnte sich gegen seinen Sohn und seine Enkel nicht durchsetzen. Er musste im Haus bleiben und stets war jemand an seiner Seite. Auch Katrin durfte nicht weiter raus gehen, da Nicholas für die Suche gebraucht wurde. Nicht mal in die Bibliothek ließen sie sie. Immerhin hatte man ihr noch ein paar Bücher zum Lesen gegeben. Doch irgendwann ging es nicht mehr. Sie konnte nicht länger einfach nur rumsitzen und in alten Märchenbüchern blättern.

Überall in den Fluren standen Wachen, vermutlich einfache Arbeiter, die den Krampus nicht zu fürchten hatten oder nicht fürchteten. An ihren Hüften hingen Taser statt Waffen, der Befehl war klar: Der Krampus darf nicht getötet werden. Höflich fragte Katrin eine der Wachen, wo Nikolaus sich gerade aufhielt und er verwies sie auf das Wohnzimmer. Mit einem ‘Danke’ machte sie sich auf den Weg. Auch hier standen Wachen, aber sie ließen sie ohne Probleme ein, auch wenn Nikolaus sich nicht über ihre Anwesenheit freute.
“Was willst du hier, Mädchen?”, fuhr er sie an.
“Ihnen Gesellschaft leisten”, antwortete Katrin aufrichtig, “und vielleicht mit Ihnen zusammen herausfinden, wer Ihnen schaden möchte.”
“Willst Detektivin spielen, was?”, schnaubte der Alte.
“Nein, ich möchte helfen”, widersprach Katrin, auch wenn sie wusste, dass es schon ein wenig in die Richtung ging.
“Lass dir gesagt sein, Mädchen, das hier ist kein Spiel. Hier geht um Leben und Tod und wenn du dich einmischt, wer weiß, ob du nicht die Nächste bist, die zerfleischt und zerrissen auf dem Boden liegt”, drohte er ihr unbekümmert.
“Ich habe mir nichts zu schulden kommen lassen. Wenn der Krampus wirklich auf unartige Menschen reagiert, dann bin ich kein Ziel für ihn”, erwiderte sie selbstbewusst und sah ihn herausfordernd an: “Bei Ihnen bin ich mir da nicht so sicher.”

Derweil hatten Nick und Klaus einen Plan entwickelt, um den Krampus in eine Falle zu locken. Durch das Gespräch hatten sie erfahren, dass er womöglich auf Unartigkeit reagiert und nun war es an Nicole und Nicholas unter den übrigen Arbeitern diejenigen herauszufiltern, auf die dies zutraf, während Klaus und Nick einen passenden Ort für die Falle suchten. Für Nicholas und Nicole war es einfacher die Kandidaten zu finden, jeder von ihnen konnte fühlen, wenn jemand unartig war, aber im Gegensatz zu ihren Geschwistern brauchten sie beide meist keinen Körperkontakt dafür. Es dauerte nicht lange, da hatten sie einen kleinen Teil Arbeiter in einen extra Raum gebeten und Nicole erklärte den Plan. Einige von ihnen hatten Angst ihren Job zu verlieren, andere Angst um ihr Leben, dennoch gab es einen Mutigen, der bereit war, sein schlechtes Verhalten dadurch wieder gut zu machen. Mit dem Köder in der Falle legten die vier sich auf die Lauer.

Es dauerte mehrere Stunden bis sie ein Anzeichen vom Krampus hörten, aber dann kam er. Wie sie erwartet hatten, stürzte er sich direkt auf ihren Köder, aber Klaus war schneller. Er schleuderte eine Ladung Hagel in den Weg des Krampus. Er wich zurück und setzte erneut an, nur um ebenso von einer Reihe Eiszapfen davon abgehalten zu werden. Wütend versuchte dieser den Köder von einer anderen Seite zu erwischen, doch diesmal schlug Nick ihm ein Schnippchen indem er den Köder mit einem Windstoß außer Reichweite pustete. Nicole legte nach und umschloss den Krampus mit Schneeflocken. Er schlug aus und versuchte wieder ein freies Sichtfeld zu bekommen, doch immer mehr Flocken blockierten ihn. Nick und Klaus nutzten die Gelegenheit und nahmen die bereitgelegten Stahlseile, die sie um das Monstrum wickelten. Er wand und wehrte sich, aber schließlich hatten sie ihn so fest verschnürt, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Mit ihrer Beute auf einen Transportschlitten gebunden, machten sie sich auf den Weg zur Höhle, um ihn dort wieder festzuketten.

“Du hast Mumm, dass muss ich dir lassen”, machte Nikolaus Katrin ein Kompliment, was Katrin zunächst verwunderte.
“Also gibt es wirklich etwas, dass jemanden zu solch drastischen Maßnahmen veranlasst haben könnte?”, vermutete sie.
“Ja, da könnte es eine Situation gegeben haben, die jemandem sehr missfallen hat…”, gab er schließlich widerwillig zu, “Es ist Jahre her. Nicole und Klaus waren damals vielleicht etwas jünger als die Jungs heute. Ich war noch der Leiter der Produktion und wir waren gerade dabei von Eigenproduktion auf Ausbesserung umzustellen. Es war ein großer Schritt und wir brauchten gute Entwürfe, um es flüssig und schnell umsetzen zu können. Ein junger Mitarbeiter hatte damals einen wirklich guten Entwurf eingereicht und ich habe ihn ihm abgekauft und als meinen eigenen ausgegeben. Es wurde eines unserer besten Spielzeuge. Meines Wissens hat er sich nie direkt darüber beschwert, aber er hat einigen weiß machen wollen, dass es sein Entwurf war, was ich aber wieder und wieder abgestritten habe.”
“Arbeitet er noch hier?”, hakte Katrin nach.
“Soweit ich weiß, ja. Er heißt Heinrich und ist vermutlich noch heute in der Produktion tätig”, bestätigte Nikolaus.
“Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich ihn darauf anspreche?”, bot Katrin an.
“Du? Das sollte eher jemand aus meiner Familie übernehmen…”, wies er sie ab.
“Die sind gerade damit beschäftigt die Belegschaft zu schützen und Ihren mörderischen Bruder einzufangen”, gab Katrin zu bedenken.
Nikolaus zögerter, sie konnte sehen wie es in ihm arbeitete. Schließlich gab er nach und Katrin machte sich sogleich auf die Suche nach ihm.

Die vier hatten gerade das Haupthaus hinter sich gelassen, als der Krampus sich zur Seite warf und den Schlitten mit sich umriss. Vor Schreck ließen Klaus und Nick die Seile los und er konnte einen Arm befreien. Seine Klaue fand ihren Weg in Klaus’ Bein. Nicholas stieß seinen vor Schmerzen aufbrüllenden Bruder zur Seite, um ihn außer Reichweite zu bekommen. Diese Chance nutzte der Krampus, um sich Nick zu widmen, der bereits wieder an den Fesseln zog. Da das zweite Ende noch locker am Boden lag, brachte es nichts und stattdessen nutzte der Krampus Nicks Momentum aus und rammte ihm seine Hörner in die Brust. Keuchend fiel dieser zu Boden. Nicole versuchte ihm mit ihren Schneeflocken erneut die Sicht zu nehmen, doch der Krampus schleuderte ihr das Seilende entgegen, das sie mitten im Gesicht traf und nach hinten warf. In einem letzten Versuch ihn aufzuhalten griff Nicholas nach dem zweiten Ende, doch sein ziehen half genauso wenig und der Krampus nutzte es eher, um sich aus dem Seil zu entwinden. Kurz darauf war er im Wald, der das Dorf umgab, verschwunden.
“Verdammt…”, fluchte Klaus und schlug auf den Boden.
“Ich finde ihn”, versprach Nicholas und eilte dem Monstrum hinterher.

Es war nicht einfach herauszufinden, ob Heinrich noch im Dorf war und noch wesentlich schwerer aus dem Haupthaus rauszukommen, um mit ihm zu reden. Letzten Endes war es Carlos, der Postbeamte, der sie zu ihm brachte, da auch er wissen wollte, ob Heinrich wirklich dahinter steckte. Auf dem Weg dorthin beobachtete er Katrin, als wäre sie ein ansteckender Fremdkörper. Schließlich war es ihr zu bunt. Mitten auf dem Weg blieb sie stehen und konfrontierte ihn: “Was ist dein Problem mit mir? Denkst du auch, dass ich es war, die den Krampus freigelassen hat?”
Carlos sah zur Seite. “Nein, du bist nicht unartig. Sonst hätte dir Nicholas kein Geschenk gebracht”, widersprach er und ergänzte: “oder dich hergebracht.”
“Was ist es dann?”, verlangte sie zu wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Carlos druckste, sah sie nicht an und wollte es ihr am Liebsten nicht sagen.
“Bitte Carlos, ich möchte doch nur wissen, was ich falsch gemacht habe, dass du mich so abstoßend findest”, bat sie ihn ehrlich und lockerte ihre Arme.
“Nicholas ist ein toller Kerl. Ich möchte nicht, dass du ihm das Herz brichst”, offenbarte er ihr und leichte Röte stieg ihm ins Gesicht.
“Du-du magst ihn?”, vermutete sie und Carlos nickte kaum merkbar. “Ich-er-wir, da war nichts! Ja, wir verstehen uns gut, aber mehr war da nicht, mehr ist da nicht!”, versuchte sie ihm zu erklären, “Es würde mich wundern, wenn er überhaupt ein solches Interesse an mir hat …”
Carlos sah verwundert auf. War sie so blind? “Natürlich hat er das, allein, dass er dich hergebracht hat und dir seine Welt zeigt, um zu sehen, wie du darauf reagierst, sagt doch schon alles”, widersprach er.
“Solange ich es nicht aus seinem Mund höre, mache ich mir keine Hoffnungen, das führt zu nichts. Und jetzt lass uns Heinrich suchen”, beendete sie das Thema, über das sie gerade nicht weiter nachdenken wollte.
“In Ordnung”, gab Carlos nach, nun etwas offener als zuvor. Vielleicht war sie doch nicht so verkehrt.

Behind the Scenes

Hier habe ich versucht die Kampfszenen mit den ruhigeren Sprachszenen zu kombinieren, ihr müsst entscheiden, wie gut mir das gelungen ist. 😀

Ich fand es vor allem wichtig zu zeigen, dass selbst in der Weihnachtsfamilie bzw. unter deren Arbeitern schwarze Schafe sind und nicht alle lupenreine Westen haben.

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Adventskalender: Türchen #14

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Das Familiengeheimnis

Ein paar Stunden waren vergangen, als einer der Wichtel in die Bibliothek kam und Nicholas am Ärmel zupfte, der gerade ein Buch durchblätterte. Er hielt ihm einen Zettel entgegen, den dieser nahm und schnell las.
“Wir sollen zurück ins Haupthaus kommen”, erklärte er Katrin und stand auf.

Im Wohnzimmer hatten sich bereits wieder alle versammelt. Nicole tigerte hin und her und auch Nick trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch.
“Wo wart ihr? Du solltest im Haus bleiben!”, fuhr Nikolaus seinen Enkel erneut an.
“Ich-wir-”, stotterte Nicholas und wurde sogleich mit einem “Jetzt red endlich!” unterbrochen. Er blickte zur Seite und kniff die Augen zusammen. “In der Bibliothek”, brachte er gepresst hervor, ohne seinen Großvater anzusehen.
“Hast du gedacht, er holt sich etwas zum Lesen, bevor er sich sein nächstes Opfer sucht?”, fragte der Alte hämisch.
“Nein, aber es hätte Aufzeichnungen von vorherigen Ausbrüchen geben können!”, mischte Katrin sich nun ein, da Nicholas sich scheinbar nicht verteidigen wollte.
“Das war eine gute Idee”, versuchte Natascha zu schlichten und strich ihrem Sohn zärtlich über den Rücken, “lasst uns anfangen und sehen, was jeder rausbekommen hat.”
Sie setzten sich unter Nikolaus’ verächtlichem Blick und Nikolai begann zu erzählen. “Wir haben in der Höhle Wasser entdeckt und Fetzen einer Decke. Die Fesseln wurden aufgeschlossen, nicht aufgebrochen. Eine Spur konnten wir auf dem gefrorenen Boden nicht erkennen.” Er wirkte enttäuscht.
“Ich hab mich danach ein wenig unter den Arbeitern umgehört. Keiner konnte sagen, was Ivana in der Gegend gemacht hat, aber sie haben anklingen lassen, dass sie nicht gerade die Netteste war. Einer bezeichnete sie sogar als ‘Poison Ivy’, weil sie wohl immer irgendwelche Gerüchte verbreitet  und die Stimmung damit vergiftet hat”, berichtete Nicole und man merkte, wie es in ihr arbeitete, aber etwas fehlte ihr, um eine Schlussfolgerung zu treffen.
“Da hat jemand den Comic nicht verstanden…”, brummte Nick völlig am Thema vorbei.
“Das ist doch egal”, schnauzte Nicole ihn an und setzte sich endlich hin. “Das ergibt doch alles keinen Sinn…” Verzweifelt verbarg sie ihr Gesicht hinter ihren Händen.
“Doch tut es…”, dachte Katrin laut nach. Alle Augen landeten auf ihr. “Ich meine, ich hätte eine Idee, wie es zusammenhängt, aber vielleicht hab ich auch einfach zu viele Krimis gelesen…”, versuchte sie ihre Aussage etwas zurückzunehmen.
Natürlich schnaubte Nikolaus daraufhin, aber sein Sohn wollte hören, was sie zu sagen hatte.
“Frau Maros, Natascha, gibt es auch Decken mit Ihrer Magie?”, war das Erste was sie fragte.
“Ja, ein paar Arbeiter haben mich um Decken für die kälteren Nächte des Winters gebeten, aber was – oh – du meinst die Fetzen stammen von einer meiner Decken, die auf das Eis gepackt wurden?”, verstand Natascha.
“Genau. Wer auch immer den Krampus befreit hat, brauchte also keinen Fön, sondern hat die Decken genommen”, bestätigte Katrin und verwendete ihr eigenes Beispiel von zuvor zur Verdeutlichung. “In den Sachen, die wir in der kurzen Zeit in der Bibliothek gefunden haben, wurde immer wieder gesagt, dass der Krampus unartige Kinder bestraft beziehungsweise frisst, wenn Ivana also wirklich gerne Gerüchte verbreitet hat, dann wird sie wohl zu den unartigen gezählt haben”, fuhr sie fort.
“So betrachtet ergibt das wirklich Sinn…”, pflichtete Nicole ihr bei.
“Also müssen wir bei den verbliebenen Arbeitern prüfen, wer zu den unartigen zählt, um diese besser schützen zu können”, überlegte Klaus.
“Aber wie können wir sie schützen? Wie können wir den Krampus ausschalten?”, wollte Nick wissen.
“Wir können ihn nicht ausschalten, wir müssen ihn wieder einsperren”, widersprach Nikolaus. Er schaute seine Familie nicht an, erwartete aber gehorsam.
“Sie verheimlichen etwas”, kommentierte Katrin verwundert.
“Was willst du damit sagen?”, raunte er sie an, aber etwas stimmte in seiner Tonlage nicht. Er schien sich ertappt zu fühlen.
“Wenn ein Kind partout nicht zugeben will, dass es Schuld an etwas ist, attackiert es andere, um von sich selbst abzulenken. Sie verhalten sich gerade genauso”, versuchte sie sachlich zu erklären.
“Jetzt vergleichst du mich mit einem Kleinkind?! Was erdreistest du dich?!”, schrie er nun fast.
“Far! Beruhige dich!”, trat Nikolai dazwischen.
Nikolaus schnaubte, aber schwieg. Seinen Sohn sah er dennoch nicht an.
“Sie hat recht, nicht wahr? Du verheimlichst uns etwas”, hakte Nikolai nach.
Nikolaus rutschte in seinem alten Sessel hin und her. Sah seine Enkelkinder einzeln an, ließ seinen Blick kurz auf Katrin ruhen und wandte sich dann seinem Sohn zu. “Ja, es gibt eine Sache, die ich euch noch nicht erzählt habe…”, gab er widerwillig mit einem Seufzen zu. “Es war noch lange vor deiner Geburt, Nikolai, als ich noch ein junge Mann war, noch jünger als Nicholas. Damals war der Krampus, den wir in der Höhle angekettet hatten, alt und klapprig, mit schneeweißem Fell. Eines Tages sackte er einfach in sich zusammen und war tot. Wir dachten, wir wären ihn endlich los geworden, aber dann kam alles anders.” Er pausierte und strich sich mit der altersfleckigen Hand übers Gesicht. “Ein paar Monate später beschloss mein Vater, dass ich das nächste Familienoberhaupt werden sollte, nicht mein älterer Bruder. Das gefiel ihm gar nicht. Er war wütend, auf mich, auf unseren Vater. Seine Wut schlug in Aggressivität um und bald darauf war er nicht mehr er selbst.” Wieder hielt er inne, lehnte sich in seinen Sessel zurück und sprach Richtung Decke weiter: “Er war zum Krampus geworden.”
“Dein Bruder ist der Krampus?”, versicherte sich Nikolai mit trockener Stimme.
Sein Vater nickte nur. “Kurz darauf fing er an zu töten und nur mit viel Mühe gelang es mir ihn einzufangen und schließlich in der Höhle einzufrieren.”
“Warum hast du mir das nie erzählt?” Das Entsetzen und die Enttäuschung klang aus Nikolais Stimme heraus.
“Wie hätte ich es dir denn sagen sollen?”, fuhr Nikolaus ihn an, “Das Ding in der Höhle ist übrigens dein Onkel?”
Nikolai sah betreten zur Seite.

“Das heißt, wenn wir den Krampus töten, dann könnte einer von uns der nächste werden?”, schloss Klaus aus der Erzählung und brach das Schweigen, dass sich über den Raum gelegt hatte.
“Ja, das ist gut möglich…”, musste Nikolaus zugeben.
“Und vermutlich wird er es auf dich abgesehen haben”, fügte Nicole an ihren Großvater gewandt hinzu, “wir sollten sichergehen, dass dir nichts geschehen kann.”
“Ich verschanz’ mich doch nicht in meinem eigenen Heim!”, widersprach er ihr vehement.
“Far, sei doch vernünftig! Du bist nicht mehr der Jüngste und noch einmal wirst du es nicht schaffen ihn in Schach zu halten!”, pflichtete Nikolai seiner Tochter bei.
“Wir aber auch nicht, wenn wir nicht wissen, wie wir ihn einsperren können ohne ihn zu töten…”, ergänzte Nick und ließ die Hände auf den Tisch fallen.
“Scheiße…”, kommentierte Nicole und sprach damit aus, was alle dachten.

Behind the Scenes

Da es hier nochmal explizit auftaucht: Wir bzw. ich haben uns (nach einem Vorschlag von Nebu) für das norwegische „Far“ entschieden, wenn die Väter angesprochen werden und in einem vorherigen Kapitel gab es auch „Mor“, das ist dann natürlich die Mutter. Und ja, dieses kleine Detail sollte trotz Sprachzauber vorhanden sein. 😉

Abgesehen davon, kann ich voll und ganz nachvollziehen, wie Katrin zu ihrem Gedankengang kommt. Wenn man viele Krimis liest – oder schaut – dann findet man einfach die Hinweise schneller bzw. kann sie besser kombinieren.

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #13

Read in English

Böses Erwachen

Noch etwas benommen vom Schlaf konnte Katrin das Geräusch erst nicht zuordnen, doch dann begriff sie und schreckte auf. Jemand schrie. Laut und schrill. Eine Frau. Dann war alles still. Katrins Herz raste. Was war geschehen? Sie sprang auf und ging zum Fenster. Mehrere Arbeiter, nur einen Mantel über den Schlafanzug geworfen, eilten in Richtung des Schreis, auch Klaus und Nikolai reihten sich ein. Kurz darauf wurde eine große, laute Glocke geläutet. Sie erinnerte Katrin an Sirenen zu Hause.

Ein lautes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Ohne auf ihre Antwort zu warten kam Nicholas herein. “Zieh dich an, es gibt gleich eine Versammlung”, befahl er mehr, als dass er bat, ohne sie anzusehen und verschwand sogleich wieder.
Katrin folgte der Anweisung und ging vorsichtig auf den Flur, als sie fertig war. Nicole winkte ihr zu, mit runter zu kommen.

Vor dem Haupthaus hatte sich die Belegschaft und die Familie versammelt. Nicole schob Katrin in die Menge, sodass sie zwischen den Arbeitern stand und ging selbst zurück zu ihren Geschwistern. Nicholas warf ihr gelegentlich einen besorgten Blick zu, schaute aber sonst in die Richtung, in die sein Vater und Bruder gegangen waren. Es herrschte eine gedrückte Stimmung, einige tuschelten, andere schwiegen einfach nur. Dann endlich kamen die Männer wieder, die nachgesehen hatten. Nikolai und Klaus wurden von der Menge durchgelassen und berieten sich kurz mit dem Rest der Familie, bevor sie sich an die Versammelten wandten.
Nikolai atmete tief durch. “Meine Lieben, ich habe schlechte Nachrichten.” Er hielt inne und ließ seinen Blick über die Leute wandern. “Der Krampus konnte sich befreien und hat auf seiner Flucht Ivana getötet.”
Die Menge schwieg betroffen, dann wurden die Fragen laut. Wie konnte das geschehen? Was tun wir jetzt? Wie können wir uns schützen? Nikolai hob die Hände, um sie wieder zu beruhigen.
“Wir müssen ruhig bleiben. Panik hilft uns nicht weiter. Wir werden einen Weg finden, ihn wieder einzufangen, bis dahin: Geht nicht allein durch die Straßen und passt aufeinander auf! Haltet Augen und Ohren offen und wenn ihr ihn seht, gebt uns Bescheid und macht keine Einzelgänge! Dennoch bitten wir euch auch in dieser schweren Zeit die Arbeit nicht niederzulegen, wir haben schließlich ein Weihnachtsfest vorzubereiten”, befahl er seiner Belegschaft. “Wer von euch dennoch nach Hause zu seiner Familie möchte, packt seine Sachen und findet sich hier in einer Stunde wieder ein. Klaus wird euch mit dem Schlitten begleiten, während ihr mit den Wagen in den nächsten Ort fahren könnt. Wir geben euch dann Bescheid sobald sich die Lage beruhigt hat”, ergänzte er, leicht in der Hoffnung, nicht zu viele würden das Angebot annehmen.
Noch etwas unsicher blickten die Arbeiter einander an, dann gingen sie langsam auseinander.  Katrin nutzte die Gelegenheit um sich neben Nicholas zu stellen, da sie nicht wusste, was sie nun tun sollte. Er legte ihr beruhigend eine Hand auf den Rücken und schob sie sanft ins Haupthaus hinein. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, doch bevor Katrin etwas fragen konnten, folgte der Rest der Familie.

“Wie konnte das passieren?”, fragte Nikolai ratlos in die Runde.
“Gestern morgen war alles in Ordnung”, merkte Nick an, “irgendwer muss danach noch dagewesen sein…”
“Nachmittags gab es auch noch keine Anzeichen für einen Ausbruch”, fügte Nicholas hinzu.
“Warum warst du da? Du hattest doch keinen Dienst?”, hakte Klaus nach.
Anstatt zu antworten schaute er zu Katrin, die nun den Blicken der Familie ausgesetzt war.
“Du hast einer Außenseiterin den Krampus gezeigt?!”, fuhr Nikolaus seinen Enkel an.
“Ich-”, setzte Nicholas an, doch weiter kam er nicht.
“Erst schleppst du sie ohne Absprache an, dann bringst du sie in die Höhle! Da haben wir doch schon den Grund, wie er sich befreien konnte!”
Erzürnt bäumte Katrin sich auf: “Wie hätte ich denn die armdicke Eisschicht entfernen sollen? Mich mit einem Fön hinsetzen und warten dass sie schmilzt?” Sie schaute zwischen dem Alten und seiner Familie hin und her. In ein paar Blicken sah sie Mitleid, in anderen Verachtung. Schließlich zuckte sie ratlos mit den Schultern. “Ich weiß nicht mal ob es da Strom gibt.”
Stille senkte sich über das Zimmer und keiner wagte etwas zu sagen. Katrin funkelte den Alten herausfordernd an, aber dieser schnaubte nur verächtlich.
“Warte, hast du gerade ‘armdick’ gesagt?”, hakte Nikolai nach.
“Ähm, ja, ungefähr so dick wie mein Arm lang ist?”, versuchte Katrin zu erklären.
“Das kann nicht sein!”, mischte sich nun Nicole ein, “Da war eine fünf Meter dicke Eisschicht davor!”
“Das heißt, es muss schon vorher jemand am Eis gewesen sein”, schlussfolgerte Nicholas und versuchte so seine Familie auf Katrins Seite zu ziehen.
“Warum ist das dann keinem von uns aufgefallen?”, wollte Nick herablassend wissen, seine Arme vor der Brust verschränkt.
Katrin kam eine Idee. “Nicholas hat erzählt, dass täglich jemand nachsieht, ob noch alles in Ordnung ist – “
“Und was hat das damit zu tun?”, wurde sie unwirsch unterbrochen.
“Ich kann nur mutmaßen, aber bei meinen Kindern, die ich nahezu täglich sehe”, fuhr sie unbekümmert fort, “bemerke ich auch erst nach den Sommerferien, wenn sie wieder ein Stück gewachsen sind.”
“Deine Kinder?”, fragte Nicole verwundert am Thema vorbei und auch in den Blicken der anderen konnte Katrin Verwirrung sehen.
“Nicht meine Kinder. Ich bin Kindergärtnerin, also die Kinder in meinen Gruppen”, versuchte sie sich zu erklären, “Aber trotzdem: Wenn man etwas oder jemanden täglich sieht, sieht man meist keine Veränderungen, erst wenn man etwas Abstand gewinnt.”
Erneut legte sich Schweigen über sie. Diesmal war es Klaus, der es brach.
“Es ändert aber nichts daran, dass wir ihn wieder einfangen müssen, bevor noch mehr Leute zu schaden kommen.”

Während Nick und Klaus bereits anfingen zu planen nahm Natascha Katrin zur Seite und bugsierte sie in die Küche.
“Katrin, ich muss mich für meinen Schwiegervater entschuldigen. Er ist auf seine alten Tage etwas ruppig geworden.” Sanft legte sie Katrin die Hand auf die Schulter.
“Es ist schon in Ordnung. Ich hätte vermutlich genauso reagiert an seiner Stelle. Ich bin nunmal nur zu Besuch und dann passiert sowas…”, erklärte Katrin mit einem matten Lächeln.
“Du weißt, dass das auch heißt, dass du noch etwas länger bei uns bleiben musst?”, fügte Natascha mit strengem Blick hinzu.
“Länger bleiben, muss?”, versicherte sich Katrin.
“Ja, solange der Krampus frei rumläuft können wir kein Portal öffnen um dich nach Hause zu bringen. Die Gefahr ist zu groß, dass er mit hindurch schlüpft und dann bekommen wir ihn nicht mehr zu fassen. Bevor du fragst: Das nächste Dorf bringt dir auf einer Heimreise nichts, der nächste Flughafen ist weit entfernt und wir können niemanden entbehren, der dich dahin bringt”, erklärte Natascha, “aber ich verspreche dir, dass wir auf dich Aufpassen werden und dir nichts geschehen wird.”
Insgeheim hatte Katrin gehofft, das alles hinter sich zu lassen, bevor es zu schwer wurde wirklich zu gehen, nun begann ihr Herz wild zu pochen und sie sah sich hilfesuchend um, doch niemand außer Natascha war bei ihr.
“Keine Angst, wir werden ihn schnell finden, da bin ich mir sicher”, versuchte Natascha sie zu beruhigen, aber helfen tat es nicht.

Nach einer kurzen Absprache machten Nikolai und Nicole sich auf den Weg in die Höhle, um dort nach Spuren zu suchen, während Nick auf Patrouille ging. Auf dem Marktplatz hatten sich doch einige Arbeiter eingefunden, sodass Schlitten und Wagen klargemacht wurden, um sie in den nächsten Ort zu fahren, damit sie von da aus zu ihren Familien gelangten. Klaus begleitete sie, um sie im Falle eines Angriffs zu schützen. Nicholas wurde dafür abgestellt Katrin aus allem rauszuhalten. Es würde sich nicht gut machen, wenn eine Außenseiterin zu Schaden käme. Claudia versuchte in der Werkstatt alles am Laufen zu halten, während Natascha versuchte die Stimmung mit Keksen und anderen Köstlichkeiten zu heben. Nikolaus musste auf seine Urenkel aufpassen.

“Habt ihr in der Bibliothek vielleicht etwas zum Krampus? Oder vielleicht gibt es noch ein paar Legenden im Internet?”, versuchte Katrin sich einzubringen. Sie konnte einfach nicht tatenlos rumsitzen und sah Nicholas an, dass er es genauso wenig konnte.
“Es wäre einen Versuch wert…”, murmelte Nicholas nur.
“Na dann lass uns gehen!” Katrin sprang sogleich auf.
Nicholas sah sie fragend an, aber er ließ sich von ihrem Enthusiasmus anstecken nachdem sie anfing ihn am Ärmel zu ziehen.

Als sie in der Bibliothek ankamen, zögerte Ephraim nicht lange und half ihnen bei ihrer Suche.

Behind the Scenes

Eine Geschichte ohne „Big Bad“? Das ja langweilig! 😀 Wobei ich sagen muss, dass mir der Krampus-Ausbruch doch recht spät in der ursprünglichen Entstehungsphase eingefallen ist – und als jemand, die eigentlich so gut wie keine Ahnung von dem Mythos an sich hat (bei uns gibt’s nur Knecht Ruprecht), war es auch gar nicht so einfach, mir die Rahmenbedingungen hier auszudenken. Ein bisschen hab ich mich an dem Viech aus der Grimm Folge „Twelve Days of Krampus“ orientiert, vor allem was das Aussehen angeht.

Na dann, auf zur lustigen Krampus Suche! 😀

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #12

Read in English

Familienessen

Als sie wieder im Haupthaus angekommen waren, machte Nicholas für sie beide eine heiße Tasse Kakao mit der sie sich an den großen Esstisch setzten. Katrin verarbeitete noch immer das Erlebte, also überließ er sie ihren Gedanken.
“In den alten Bräuchen heißt es immer der Krampus bestraft die unartigen Kinder, so wie Knecht Ruprecht, nur etwas brutaler, aber du sagst er tötet, wenn er nicht eingesperrt ist…wie kann der Brauch denn so falsch sein?”, dachte Katrin laut nach.
“Es gibt auch Versionen in denen er die unartigen Kinder frisst…”, erinnerte Nicholas sie. “Ich kann dir nur sagen, was unser Großvater uns über den Krampus erzählt hat. Bevor er eingesperrt wurde hat er im Dorf gewütet und mehrere Arbeiter getötet. Grundlos.”
“Vielleicht waren sie unartig…”, mutmaßte Katrin.
Nicholas schnaubte. “Vielleicht…”
Betreten schwiegen die beiden. Während sie ihren Kakao trank, dessen Wärme ihr viel intensiver vorkam als sonst, ließ Katrin ihren Blick über den großen Raum schweifen und entdeckte eine Anrichte mit Fotos. Sie stellte die leere Tasse ab und ging hinüber. Alles war besser als weiter über das Monster im Eisblock nachzudenken. Viele kleine und größere Bilderrahmen standen auf dem niedrigen Schrank. Sie erkannte Nicole und Nicholas, sowie deren Mutter und Schwägerin. Der Mann an Claudias Seite, auf einem der Bilder, musste demnach Klaus sein, der Nicholas wesentlich ähnlicher sah, als der Blondschopf auf einem anderen Foto.
“Möchtest du Namen zu den Gesichtern, bevor du sie nachher in Person triffst?”, bot Nicholas an, als er sich neben sie stellte.
“Ich- du stellst mich ihnen vor?”, fragte Katrin erstaunt.
“Ich konnte sie überreden, dass zumindest dein Abschiedsessen mit allen stattfindet”, erklärte Nicholas.
“Abschiedsessen? Das heißt, das war’s schon?”, hakte Katrin traurig nach.
“Wir sind nur ein kleines Dorf, so viel gibt es hier nicht zu entdecken”, begründete Nicholas mit einem Schulterzucken, aber auch bei ihm hörte sie Enttäuschung mitklingen.
“Das ist schade. Es ist wirklich magisch hier.” Katrin merkte, wie ihr Herz wieder zu flattern anfing, als Nicholas ihr ein aufrichtiges Lächeln schenkte.
“Freut mich, dass es dir gefallen hat.”
“Sehr, aber ich muss ehrlich sein: Die Schlittenfahrt war das Beste. Und die Bibliothek”, offenbarte sie ihm begeistert, woraufhin er erneut lachte. “Aber ja, ein Crashkurs in Sachen Familie Santa Namen wäre bestimmt hilfreich.” Auf Nicholas skeptischen Blick hin, schlug sie sich die Hand vor den Kopf. “Familie Maros, natürlich, tut mir Leid, das ist noch so drin…”
“Schon in Ordnung, immerhin hast du es dir überhaupt gemerkt”, neckte er sie.
“Ich bin Kindergärtnerin, mein Lieber, ich muss mir jede Menge Namen merken, teilweise sehr merkwürdige Namen, also unterschätz‘ mich nicht!”, hielt sie ihm trotzig entgegen und stemmte die Hände in die Hüften.
Nicholas grinste. “Na gut, dann schauen wir mal, wie gut du dir das merken kannst.” Er zeigte auf das Bild eines älteren Mannes, auf dessen Schoß zwei Jungs unruhig saßen. “Das ist mein Großvater Nikolaus und meine Neffen Tyler und Steven.”
“Die Söhne von Claudia und Klaus”, ergänzte Katrin und zeigte auf das Foto der beiden.
“Genau”, bestätigte Nicholas beeindruckt. “Wie wäre es wenn du weitermachst?”
“Gut. Das ist deine Mutter Natascha und dein Vater Nikolai”, begann Katrin und zeigte auf ein Bild von den beiden mit ihren Enkelkindern. “Das ist deine Schwester Nicole und das müsste dein Bruder Nick sein”, fuhr sie fort und zeigte auf ein Foto der beiden.
“Richtig”, bestätigte Nicholas erneut, noch beeindruckter als zuvor, “wirklich gut. Du solltest für das Abendessen gewappnet sein.”
“Dann bin ich ja beruhigt”, versuchte Katrin ihre Angst zu überspielen. Sie war alles andere als ruhig und hatte schon jetzt etwas Panik davor die Familie Maros kennenzulernen.
“Das wird schon.” Nicholas strich ihr aufmunternd über den Arm und Katrin konnte das Lächeln nicht unterdrücken.

“Darf ich noch ein bisschen durchs Dorf schlendern bis zum Abendessen?”, bat Katrin, als er sie wieder losgelassen hatte.
“Ich darf dich leider nicht alleine gehen lassen, aber ich begleite dich gern.”
“Danke.”
Auf Katrins Wunsch gingen sie noch einmal zu den Rentieren, die heute auf der Wiese hinter den Stallungen grasten. Besonders die Kleinen hatten es Katrin angetan. Sie tollten miteinander und es war einfach wunderbar anzusehen.
“Danke, dass du mich hierher eingeladen hast”, war alles was Katrin dazu sagen konnte, während sie weiterhin die Kälber beobachtete.
“Gern”, erwiderte Nicholas mit einem leichten Lächeln. “Ich werd mal den Trog auffüllen”, wechselte er das Thema und ging in den Stall zurück.
Katrin lehnte sich einfach weiter auf das hölzerne Gatter und beobachtete die Rentiere.

Als es Abend wurde und sie noch einmal eine Runde durchs Dorf gedreht hatten, brachte Nicholas sie ins Esszimmer, das bereits von Bratenduft aus der anliegenden Küche erfüllt war. Nicholas’ Großvater saß am Kopfende des Tisches, Nicole stellte Teller an die verschiedenen Plätze, während ihr Vater das Gleiche mit dem Besteck tat. Als Nicholas und Katrin den Raum betraten hielten sie inne. Nicole lächelte den beiden breit zu, während Nikolaus Katrin misstrauisch anstarrte. Nikolai kam ihr entgegen und reichte ihr die freie Hand.
“Schön Sie kennenzulernen, Katrin”, begrüßte er sie, auch wenn es nicht komplett aufrichtig klang.
“Gleichfalls, Herr Maros, es ist mir eine Ehre hier sein zu dürfen”, erwiderte sie mit einem Lächeln und meinte jedes Wort.
“Du hast ihr sogar unseren Nachnamen verraten, Brüderchen”, kommentierte Nicole grinsend.
Nicholas erwiderte darauf nichts und sah lediglich zur Seite, sein Großvater schnaubte verächtlich.
“Setzen Sie sich, Katrin”, forderte Nikolai sie auf und fuhr dann an seinen Sohn gewandt fort: “Hilf bitte deiner Mutter mit den Klößen.”
“Natürlich, Far.” Nicholas nickte und verschwand durch eine Nebentür.
Katrin setzte sich. Ihr war unbehaglich zumute, aber vermutlich wollte Nicholas’ Familie sich einfach nur eine eigene Meinung von ihr bilden.
“Wie hat Ihnen Ihr kleiner Aufenthalt in Joulky gefallen?”, fragte Nikolai sogleich.
“Es ist wirklich magisch hier”, antwortete sie wahrheitsgetreu, “es waren ein paar wunderbare Tage. Vielen Dank, dass ich das alles hier sehen durfte!”
“Durfte…”, schnaubte Nikolaus, “Der Bengel hat uns einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, indem er dich hergebracht hat.”
“Far! Bitte!”, ermahnte Nikolai seinen Vater.
“Nun nimm’ ihn nicht auch noch in Schutz! Nicholas hat sich das selbst zuzuschreiben! Erst offenbart er sich einer Außenseiterin und dann bringt er sie eigenmächtig einfach her! Ich hab doch gesagt, er ist noch nicht soweit den Schlitten zu fliegen!”, fuhr der Alte unbekümmert fort.
Katrin fühlte sich von Wort zu Wort schlechter. Kein Wunder, dass niemand gut auf sie zu sprechen war, wenn das Oberhaupt der Familie so über sie dachte. Dennoch konnte sie das nicht einfach hinnehmen. “Nicholas ist ein guter Pilot und es ist nicht seine Schuld, dass der Schlitten gestreikt hat!”
“Ach, jetzt kennst du dich mit Schlitten aus?!”, fuhr Nikolaus sie an.
“Nein, aber selbst ich erkenne einen verstopften Auspuff, wenn er neben meinem Fenster knallt”, antwortete sie so ruhig sie konnte.
“Der Auspuff war verstopft?”, mischte sich nun Nicole ein.
“Ja, es gab einen furchtbar lauten Knall und als ich aus dem Fenster gesehen habe, stand da der Schlitten mit einer Rußspur hinter dem Auspuff. Kurz danach hat Nicholas mich bemerkt und mich um eine Ofenbürste gebeten. Damit hat er den Schlitten wieder fahrtüchtig gemacht”, erklärte Katrin.
“Einfallsreich, hätte ich meinem kleinen Bruder gar nicht zugetraut…”, kommentierte Nicole.
Nikolaus schnaubte nur erneut, sagte aber nichts weiter, da sich die Tür öffnete und Klaus mit den Kindern hereinkam, die Katrin stürmisch begrüßten und sie sogar als Nicholas’ Freundin bezeichneten. Sie kam gar nicht dazu zu widersprechen, geschweige denn die Röte zu verhindern, die ihr ins Gesicht stieg. Kurz darauf kamen auch schon Claudia, Nicholas und seine Mutter mit den Speisen, die sie gleichmäßig auf dem Tisch verteilten. Als alle bereits um den Tisch saßen wurde die Esszimmertür schwungvoll geöffnet und der letzte Maros nutzte die Gelegenheit für einen entsprechenden Auftritt. Wie ein Wirbelwind umrundete er den Tisch, begrüßte seine Familie und nahm seinen angestammten Platz, nicht ohne vorher Katrin von allen Seiten zu begutachten.
“Kein schlechter Geschmack, Brüderchen”, kommentierte er, als er sich hinsetzte und erneut stieg den beiden die Röte ins Gesicht.
“Darum geht es doch gar nicht…”, brummte Nicholas und sah zur Seite.
“Genug davon, Nick! Lasst uns essen, bevor es kalt wird!”, bestimmte Natascha und sogleich griffen die Jüngsten nach der Schüssel mit den Klößen.

Das Essen schmeckte köstlich und die Unterhaltung blieb locker und offen. Nicholas’ Großvater ließ keine weiteren Spitzen von sich hören und schwieg den Rest des abends. Nur Nicole und Nick stichelten hin und wieder darüber, wie gut sich Katrin und Nicholas mittlerweile kannten. Ihre Mutter wollte lediglich wissen, was Nicholas Katrin gezeigt hatte und wie es ihr gefallen hatte.

Als schließlich alle satt waren, brachte Klaus seine Kinder ins Bett und Nicole ging in die Küche und kam kurz danach mit einer Kanne voll Grog und einem Tonkrug für jeden wieder. Nach dem ersten Grog zog sich Nikolaus zurück, nicht ohne Katrin noch einen letzten finsteren Blick zuzuwerfen, und auch Natascha und Nikolai ließen die jüngere Generation bald unter sich. Kurz darauf lockerte sich die Stimmung merkbar. Nicholas’ Geschwister erzählten mehr über ihre Fähigkeiten und gaben sogar eine kleine Vorstellung. Nicole ließ ein paar Flocken im Esszimmer schneien und Nick sandte einen kleinen Wirbelwind über den Fußboden. Da Klaus’ Fähigkeit darin bestand einen Blizzard heraufzubeschwören, beließ er es bei einer Erklärung und der Anekdote, dass er schon einmal den Fußboden reparieren musste, als er seine Kräfte noch nicht kontrollieren konnte. Katrin fühlte sich wohl in der Runde und es machte ihr Spaß den Geschichten zu lauschen. Endlich schienen sie sich für sie zu erwärmen und das an ihrem letzten Tag. Ein wenig Trauer mischte sich in ihre Freude, aber sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen.

Sobald der letzte Tropfen Grog alle war löste sich die Runde auf, am nächsten Tag würde es wieder viel zu tun geben. Nicholas brachte sie auf ihr Zimmer und für einen Augenblick standen sie einfach nur da und sahen einander ratlos an.
“Das war ein schöner Abend”, bemerkte Katrin endlich.
“Ja, das lief besser als erwartet”, gab Nicholas zu und strich sich unsicher über den Hinterkopf.
Vielleicht war es der Grog, vielleicht war es sein verlorener Blick, aber irgendetwas ließ Katrin Nicholas umarmen. Sie drückte ihr Gesicht gegen seine Brust, höher reichte sie ihm nicht, und ihre Arme um seine Hüfte. Im ersten Moment rührte er sich nicht, dann legte auch er seine Arme um sie und hielt sie einfach nur fest. “Deine Familie unterschätzt dich”, offenbarte sie ihm, ohne loszulassen und ohne ihm von den ausfallenden Worten seines Großvaters erzählen zu wollen.
Nicholas zuckte nur mit den Schultern. “Ich bin halt nicht so wie meine Geschwister.”
“Das verlangt doch auch keiner. Du bist du und so bist du genau richtig”, erwiderte Katrin und löste sich etwas, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
“Gute Nacht, Nicholas”, schloss sie und ließ ihn los, aber nicht ohne ihm ein letztes Mal aufmunternd über den Arm zu streichen.
“Gute Nacht, Katrin”, entgegnete er und sie sah, dass er nicht wusste, wie er jetzt reagieren sollte. Auch sie war sich nicht sicher, was das Richtige war und bevor sie etwas Falsches taten, beschloss sie einfach in ihr Zimmer zu gehen. Noch einmal winkte sie ihm, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Behind the Scenes

Und da ist die ganze Bande mal an einem Ort. Einige der Szenen haben sich erst beim Schreiben ergeben, aber es machte das Ganze etwas runder. In der ursprünglichen Ausarbeitung der Geschichte in meinem Kopf endete der Abend auch etwas anders – und Katrin hätte ein Ali- Moment, das wäre ja ein Spoiler! 😀 Hab mich dann aber doch für diese Variante entschieden bevor ich die Notizen aufgeschrieben habe, auch wenn ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich meine eigenen Charaktere da wirklich richtig hab interagieren lassen … Meinungen? 😉

Natascha stammt übrigens auch von Eva-Maria Obermann und ja, hier war der Gedanke an Natascha Romanoff aka Black Widow ausschlaggebend für die Auswahl. Wer weiß, vielleicht war auch diese Natascha mal eine Spionin, die Joulky entdeckt hat und sich dann entschieden hat … ich schweife ab, schnell das neue Plotbunny fern halten …

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Adventskalender: Türchen #11

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Die alten Santas

“Heute erzähl ich dir ein bisschen über meine Familie. Ein paar hast du ja bereits kennengelernt”, erklärte Nicholas gespielt dozierend, als er die Türen in das große Kuppelzimmer öffnete.
Ehrfürchtig ging Katrin in den Raum hinein und blickte sich um; überall um sie herum blickten Männer mit beeindruckenden Bärten von Gemälden auf sie herab. “Das sind alles Santas?”, fragte sie schließlich, als Nicholas die Tür geschlossen hatte.
“Die jeweils Obersten Santas zumindest, es gibt meistens mehr als einen pro Generation. So wie in unserer ja auch”, Nicholas wies sie zu einer Sesselgruppe in der Mitte des Raums. “Es ist Tradition, dass der älteste oder am besten dafür geeignete Mann einer Generation diese Aufgabe übernimmt. Momentan ist mein Vater der Oberste Santa.” Er wies auf das Gemälde über der Tür, welches einen Mann zeigte, der Nicholas nicht unähnlich sah, nur, dass er schon einen Graustich in Vollbart und Haar hatte. Unter dem Gemälde stand in geschwungenen Buchstaben ‘Nikolai’. “Allerdings wird mein ältester Bruder Klaus bereits dafür ausgebildet bald zu übernehmen. Fliegen lässt Mutter Vater jetzt schon nicht mehr”, ergänzte er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
“Nikolai, Nicholas, Klaus, das klingt nach Absicht”, vermutete Katrin und drehte sich zu ihm, woraufhin Nicholas auflachte.
“Ja, es ist Absicht. Irgendwann wurde mal festgelegt, dass unsere Namen alle ähnlich klingen sollen, um die Tradition zu wahren”, erklärte er, “Mein Großvater heißt sogar Nikolaus.”
“Das ist doch albern”, lachte Katrin.
“Wirklich? Was meinst du wie es ist damit aufzuwachsen gerufen zu werden und erstmal abzuwarten, ob es bei Nick bleibt oder noch weiter geht?”, scherzte Nicholas.
“Warum macht ihr es dann?”, wollte Katrin wissen.
“Weil es Tradition ist”, zuckte Nicholas mit den Schultern, “wir haben eine Weile versucht auch Jack-Varianten als Vornamen zu nehmen, als Jack Frost beliebt war, aber das hat sich nicht wirklich gehalten. Nur Claudia konnte sich bisher durchsetzen, dass ihre Kinder nicht dem Namensschema folgen. Das war ein Kampf mit Großvater…aber sie hat ihn gewonnen”, ergänzte er beeindruckt.
“Warte. Heißt dein Bruder dann Klaus Claus?”
“Claus?”, Nicholas lachte, “Nein, wir heißen nicht Claus, wir haben vor Ewigkeiten unseren Namen an das russische Väterchen Frost angepasst.” Als Katrin ihn verwirrt ansah, ergänzte er: “Djed Moros heißt es im Original und wir haben Maros daraus gemacht.”
“Nicholas Maros, also”, schlussfolgerte Katrin daraus und wurde etwas rot. Es war ihr peinlich, auch hier wieder auf die amerikanischen Filme hereingefallen zu sein.
“Genau.”

Die beiden schwiegen während Katrin langsam an den Bilderreihen entlang ging. Man merkte den Bildern ihr unterschiedliches Alter an, an einigen standen sogar Jahreszahlen, die weit in die Vergangenheit reichten.
“Deine Familie macht das schon ganz schön lange…”, kommentierte Katrin als sie vor einem Gemälde aus dem fünfzehnten Jahrhundert stand.
“Oh ja, ein paar noch ältere Gemälde sind sicher verwahrt in den Schubladen da hinten”, stimmte Nicholas zu.
“Wie läuft das überhaupt ab? Werdet ihr von Anfang an dafür ausgebildet irgendwann Geschenke auszuliefern?” Katrin setzte sich wieder auf den Sessel und sah Nicholas erwartungsvoll an.
“Nicht direkt. Wir müssen nach und nach verschiedene Aufgaben übernehmen und irgendwann willst du dann mit ausliefern oder zumindest so weit mithelfen, dass die anderen einen sorgenfreien Flug haben.”
“Du hast erzählt, dass du erst dieses Jahr das erste Mal ausliefern durftest, wieso hat das so lange gedauert?”
Nicholas lachte. “Ich bin das jüngste von vier Kindern, normalerweise würde ich gar nicht in die Situation kommen auszuliefern.” Als Katrin ihn verständnislos ansah führte er aus: “Du hast die Schlitten gesehen, wir hatten lange Zeit eigentlich nur zwei, den traditionellen und einen experimentellen Schlitten. Klaus hat, bis die Kinder kamen, den traditionellen gefahren, seitdem macht das Nick. Nicole als Älteste hat die Experimente übernommen, auch wenn Großvater es anfangs nicht gerne sah, dass eine Frau ausliefert. Dieses Jahr hatten wir dann drei Schlitten und Claudia hat vorgeschlagen, dass ich mitfliege, um die Effizienz zu steigern. Das ist alles.” Nicholas zuckte mit den Schultern.
“Ihr hört also auf sobald ihr Kinder habt?”
“Haha, nein, das ist nur Claudia’s Dickkopf. Sie möchte nicht, dass Klaus sich in Gefahr bringt und sie dann mit den Kindern alleine hier ist.”
“Ist das Ausliefern denn so gefährlich?”, wollte Katrin wissen.
“Naja, es kann immer mal was mit dem Schlitten sein…”, versuchte Nicholas abzuwinken, aber es gelang ihm nicht wirklich, “das Wetter kann manchmal auch sehr unberechenbar sein…”
“Warum macht ihr es dann?”, wollte Katrin nach einem Moment wissen.
Nicholas zuckte nur mit den Schultern. “Ich denke, weil es toll ist, zu sehen, wie sich die Kinder über unsere Geschenke freuen. Wunder, Hoffnung und Freude zu verbreiten ist es ja was wir eigentlich tun und gerade das ist doch das Wichtigste für Kinder oder nicht?”
“Ja, da hast du recht. Kinder brauchen einen Weihnachtsmann, auch wenn er mit seltsamen Schlitten fährt”, stimmte sie ihm zu und versuchte die Stimmung etwas aufzulockern.
“Hey, den Schlitten hat meine Schwester entworfen!”, verteidigte sich Nicholas mit einem Lachen.

“Wenn eure Arbeit so gefährlich ist, warum hat dann nur dein Bruder eine Familie?”, wunderte sich Katrin.
Nicholas sah sie verwirrt an. “Wie meinst du das?”
“Naja, braucht ihr dann nicht immer genügend Nachschub sozusagen?”, versuchte Katrin zu erklären und begriff, wie merkwürdig ihre Frage eigentlich war. “Vergiss die Frage einfach”, winkte sie ab, Röte auf ihren Wangen.
Nicholas schmunzelte. “Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ihm als Ältestem wurde angeraten schnell zu heiraten, dass er Claudia gefunden hat, war aber eher Zufall. Bei uns anderen ist das nicht so wichtig, wir dürfen uns die Hörner abstoßen, bevor wir uns eine feste Beziehung suchen, wovon Nicole und Nick ausgiebig Gebrauch machen. Gerade in der Weihnachtszeit stehlen sie sich gern zu Weihnachtsfeiern auf denen Nick leicht bekleidete Weihnachtsfrauen aufgabelt und Nicole zieht sich dementsprechend an, um sich selbst jemanden zu angeln.”
“Und du?”
“Ich strande zufällig vor irgendwelchen Häusern und lasse mir Ofenbürsten leihen”, scherzte Nicholas.
“An der Masche musst du aber noch üben”, kommentierte Katrin und knuffte ihn spielerisch in den Oberarm.
“Ich hätte gerne eine Familie, irgendwann, aber ich hab’s nicht eilig, mich drängt niemand”, offenbarte er ihr ernster.
Katrin wusste nicht, was sie daraufhin sagen sollte. Ja, sie hatte selbst nachgefragt, aber bedeuteten Nicholas’ Antworten, dass er sich insgeheim etwas mit ihr erhoffte? Unsicher sah sie zur Seite. Nicholas schien das ganz recht zu sein. Er stierte einfach vor sich hin.

“Du hast vorhin was von Hörner abstoßen gesagt. Gibt es eigentlich auch einen Krampus?”, änderte Katrin das Thema.
Verdutzt schaute Nicholas sie an und nickte dann kaum merklich, “Ja den gibt es. Ich könnte ihn dir zeigen …?”
Nachdem Katrin dies mit einem Nicken bestätigte und sich warm eingepackt hatte, führte Nicholas sie aus dem Hintereingang in des Esszimmers im Haupthaus hinaus. Hinter dem Haus thronte ein hohes Gebirge, dem sie sich immer weiter näherten. Der Wind pfiff ihnen um die Ohren und Katrin konnte sich gut vorstellen, wie die Fläche und Berge im Winter von einer hohen Schneeschicht bedeckt waren. Aber jetzt im Spätfrühling war davon kaum noch etwas zu sehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit näherten sie sich einer Höhle, die tiefer ins Innere des Gebirges führte.
“Bist du bereit?”, fragte Nicholas vorsichtig. Er stand im Höhleneingang und hatte sich mit besorgter Miene zu ihr umgedreht.
Katrin war sich nicht sicher. Aus Erzählungen von Freunden und ein paar Internet-Artikeln kannte sie Bilder von Leuten, die sich als Krampus verkleideten. Nun würde sie einem echten Krampus begegnen und so wie Nicholas sie ansah, würde es kein angenehmer Anblick werden. Ihr Herz begann zu rasen. War es wirklich klug gewesen, auch das sehen zu wollen? Sie schüttelte den Kopf und traf ihre Entscheidung: “Nein, aber jetzt sind wir hier.”
Nicholas lächelte verhalten und ging voran. Die Höhle war in den Stein gehauen, ein einfaches Loch im Felsen. Beleuchtet wurde der niedrige Raum von Fackeln an den Wänden, alten Fackeln, die rußig vor sich hin qualmten und flackerndes Licht verbreiteten. Nur langsam ließ Katrin ihren Blick zum eigentlichen Inhalt des Raumes schweifen. Die Flammen glitzerten auf dem meterdicken Eisblock in dem eine Kreatur eingeschlossen war. An Armen und Beinen mit metallenen Ringen festgekettet, starrte das Monstrum mit gelben Augen ins Leere, sein Maul war noch wie zum Schrei aufgerissen, sodass Katrin die scharfen Zähne sehen konnte. Noch furchteinflößender waren jedoch die großen, geschwungenen Hörner, die am Haaransatz begannen und deren Spitzen bis zum Hinterkopf reichten, ohne den Kopf weiter zu berühren. Der Körper war über und über mit zotteligem, braunen Fell bedeckt, die Beine endeten in Hufen, die Hände in scharfen Krallen. Das also war der Krampus. Vorsichtig berührte Katrin die Eisschicht, zog ihre Hand aber schnell wieder zurück. Das Eis war kälter, als alles, was sie je zuvor gespürt hatte.
“Es ist magisches Eis”, erklärte Nicholas daraufhin. Auch in seiner Stimme schwang etwas Angst mit, ihm schien es ebensowenig zu gefallen hier zu sein.
“Warum ist er eingefroren?”, hörte Katrin sich flüstern. Sie traute sich einfach nicht lauter zu reden.
“Er würde töten, sobald er freikommt. Deswegen müssen wir darauf achten, dass er nicht aus seinem Gefängnis ausbricht. Es kommt täglich jemand her um das sicherzustellen”, erklärte Nicholas.
“Können wir bitte gehen?”, bat Katrin, ein Zittern in der Stimme.
“Natürlich.”

Behind the Scenes

Weihnachten hat viele Mythen, daher habe ich versucht den klassischen Weihnachtsmann und den doch eher im Süden bekannten Krampus zu kombinieren, den es ja hier oben eher in der Form des Knecht Ruprecht gibt – auch wenn ich nie weiß, ob sie wirklich die Gleichen sind. Wie logisch mir das gelungen ist wird sich später vermutlich zeigen. Ansonsten weiß ich tatsächlich nicht, wie weit die Santas zurückgehen und wer der Anfang war und vor allem wann es angefangen hat. „Nikolaus von Myra„? „Väterchen Frost„? Irgendwer ganz anderes? Vielleicht fällt mir dazu eines Tages irgendetwas passendes ein.

Und ja, mit der Namenskonvention der „Klaus“e und „Nikola(e)us“e hab ich mir ein bisschen selbst ein Bein gestellt und für SEHR viel Verwirrung gesorgt unter den Gastautorinnen. Bei einer wurde Nicholas zu Nick und sorgte dann für Durcheinander. Nikolai stammt übrigens von Nebu, ebenso wie Claudia. Daraufhin beschloss ich den ältesten Santa, den sogenannten <Opa-Santa>, sogar Nikolaus zu nennen. 😀 Und ich glaube, wenn ich mich an meine ganz frühe Planungsphase erinnere, stammt Nicole sogar von InGenius, der ursprünglich auch mithelfen wollte/sollte, es dann aber doch nicht geschafft hat.

PoiSonPaiNter

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I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

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