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Märchenspinnerei im Interview: Christina Löw

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Wie schon im letzten Jahr, habe ich ein paar Märchenspinnerinnen im Rahmen des Märchensommers ein paar Fragen über ihre Adaptionen und Märchen gestellt.

Christina Löw – Autorin von „Träume voller Schatten“

Ein paar Daten zu dir:

Sie würde am liebsten den ganzen Tag lang schreiben, um allen Ideen, die ihr durch den Kopf hüpfen, angemessen Aufmerksamkeit zu schenken. Vor allem da ihre Plotbunnies alles zwischen historischem Kinderbuch, Regionalkrimi, Phantastik in unterschiedlichen Ausprägungen, Dystopie und auch englischen Stoffen einschließen. Märchen durften da natürlich ebenfalls nicht fehlen.

Hauptberuflich arbeitet Christina als Literatur-Übersetzerin und Lektorin/Korrektorin. Daneben beschäftigt sie sich als Journalistin vor allem mit kulturellen und sozialen Themen. Außerdem ist sie als Kunstvermittlerin in Museen tätig.

Neben „Träume voller Schatten“ stammt auch die Kurzgeschichte „Eine Krone für die Freundschaft“ in der Märchenspinnerei Anthologie „Es war einmal … ganz anders“ und „Herbstgedanken“ bei neobooks (Wettbewerb „Hallo Herbst“ (2017), 2. Platz) von ihr.

Vorneweg ein paar Fragen zu deinem Band „Träume voller Schatten“ und der Märchenspinnerei:

1. Welches Element deines Märchens war am Schwierigsten umzusetzen?

Mein Protagonist. Patrick ist in vielerlei Hinsicht in seinem Verhalten das komplette Gegenteil von mir – allein beim Gedanken an Schönheitswettbewerbe stellen sich mir die Nackenhaare auf und Menschen, die andere aus vollem Bewusstsein schlecht behandeln, verstehe ich einfach nicht. Auch bin ich eine Person, die sehr (!) viel nachdenkt, geradezu ununterbrochen, da musste ich mich bei ihm an einigen Stellen zusammenreißen, um ihn nicht zu früh zu viel reflektieren zu lassen.

2. Was hat dich bei der Arbeit am Märchen am meisten zur Verzweiflung gebracht?

Beim Schreiben selbst? Da fällt mir tatsächlich nichts Konkretes ein. Klar, hier und da sind meine Figuren mal etwas vom Plot abgewichen oder haben Entscheidungen getroffen, die ich so nicht vorhergesehen hatte … aber schlussendlich hat all das die Geschichte an einigen Stellen runder und an anderen noch etwas tiefergehender gemacht. Geflucht habe ich eher ein bisschen bei der Formatierung bzw. dem Buchsatz, aber auch das ließ sich schließlich bezwingen.

3. Welche Fassung (Film, Erzählung, Adaption) deines Märchens, außer deiner eigenen, magst du am liebsten?

Kennengelernt habe ich das Märchen durch ein illustriertes Kinderbuch und auch bis heute kenne ich Zwerg Nase vorrangig in Buchform. Da gibt es viele schöne illustrierte Fassungen, die über die Jahre erschienen sind. Mit den klassischen Märchenverfilmungen tue ich mich schwer … ich bin da aber auch sehr kritisch.

4. Ein Film-Mensch kommt auf dich zu und möchte dein Märchen umsetzen, wen siehst du in den Hauptrollen?

Oh je. Dafür sollte ich wohl erst einmal genau darüber nachdenken, wie meine Figuren aussehen. 😀 Das überlasse ich für gewöhnlich gerne der Vorstellung der Leser*innen. Wobei, ein paar Anhaltspunkte gibt es: Patrick hat mir erzählt, dass er blaue Augen hat und meine Cover-Designerin hat ihm instinktiv braune Haare dazugegeben. Bei Melissa wird es tatsächlich gar nicht erwähnt im Buch, für mich hat sie aber auf jeden Fall ein freundliches, offenes Gesicht und wirre Locken.

5. Was wünscht du dir für die Zukunft der Märchenspinnerei?

Mehr Märchenadaptionen? Wobei das nicht wirklich ein Problem werden dürfte. An neuen Ideen mangelt es uns eindeutig nicht!

Ich denke, ich wünsche mir weiterhin ein gutes Miteinander, ein stetiges Wir-Gefühl, denn trotz unserer Unterschiedlichkeit – ob bei den Adaptionen oder uns Autorinnen – ist es die Gemeinschaft, die uns verbindet. Wir alle sind Einzelteile, die ineinandergreifen, ein Ganzes, das deutlich mehr ist als ‚nur‘ die Summe seiner Teile.

Schauen wir uns deine Märchenleidenschaft mal etwas genauer an…

6. Was ist deine schönste Erinnerung, wenn es um Märchen geht?

In den Anfängen war es das Vorlesen bzw. das wohlige Gefühl, die Geschichten vorgelesen zu bekommen. Mit großen Augen und gespitzten Ohren zu lauschen, mit den Helden mitzufiebern, ab und an auch zu bibbern, und am Ende erleichtert aufzuatmen, wenn alles gut ausgegangen ist.

7. Was magst du lieber? Happy End oder Bad End?

Früher war mir das Happy End sehr wichtig, das gehörte einfach dazu. Inzwischen ist mir das am liebsten, was am besten zur jeweiligen Geschichte passt.

8. Was stört/begeistert dich bei Märchen am meisten?

Heute stört es mich, wenn ich allzu sehr mit Stereotypen beworfen werde oder gefühlt in jedem zweiten Satz darüber stolpere. Bei der Adaption von Märchen kommt mir so etwas aber natürlich gerade recht, das sind dankbare Ansatzpunkte, um damit zu brechen. Ich mag Märchen mit Heldinnen, die z.B. nicht auf einen Prinzen warten, sondern eher einen befreien/retten – gibt es nicht ständig, aber doch hier und da. Und irgendwie habe ich eine kleine Schwäche für Tier-Begleiter … wie einem vielleicht auch in meiner Adaption auffällt. 😉

9. Was ist für dich typisch an einem Märchen?

Hm, das ist wirklich schwierig. Ich könnte jetzt alle möglichen Merkmale herunterbeten, die einem bei einem klassischen Märchen so einfallen können, aber das wäre langweilig, finde ich. Was mir als Autorin besonders auffällt, ist, dass es selten Erklärungen gibt – zum Beispiel funktioniert Magie für gewöhnlich ‚einfach so‘, es steckt kein erkennbares Magie-System dahinter. Auch sind die Motivationen, wieso eine Reise unternommen, ein besonderer Gegenstand gefunden werden soll, oft eher weniger existent. Doch auch da gibt es natürlich Ausnahmen.

Zum Schluss noch ein paar märchenhafte Fragen:

10. Du triffst auf ein sprechendes Tier, das dir weismachen will, dass es ein verzauberter Mensch ist. Was würdest du tun?

Wahrscheinlich würde ich mich erst einmal freuen, endlich ein Tier gefunden zu haben, dem ich nicht zuschreiben muss, was es mir sagen könnte, sondern das wirklich mit mir redet. Und dann würde ich wohl ausprobieren, ob ich diesen Menschen nicht erlösen kann – es sei denn, er/sie ist als Tier viel glücklicher.

11. Eine gute Fee will dir drei Wünsche erfüllen, was würdest du dir wünschen?

Kann ich mir damit auch erst einmal wünschen, dass ich unendlich viele Wünsche bekomme, die zudem auf andere Menschen übertragbar sind? Ich finde, hier und da kann jede/r mal einen Wunsch gebrauchen, der sich wie durch Magie erfüllen lässt. Allerdings immer unter der Voraussetzung, dass damit niemand anderem Schaden zugefügt wird.

12. Welchen Märchenweg würdest du wählen um jemanden aus dem Weg zu räumen?

Ganz pauschal? Keinen. Erst einmal wüsste ich gerne, wer genau aus welchem Grund ‚aus dem Weg geräumt‘ werden soll und ob damit automatisch ‚umbringen‘ gemeint ist oder ob das auch anders interpretiert werden kann.

13. Bonusfrage: Mit welcher Märchenfigur würdest du gerne tauschen?

Puh. Kann ich bitte einen Crash-Kurs haben, mit dem ich alle existierenden Märchenfiguren in meinen Kopf trichtern und nach Pros und Cons sortieren kann? Denn mit denen, die mir auf Anhieb einfallen – und das sind schon recht viele –, mag ich nicht unbedingt tauschen.

Mehr zu Christina gibt es hier:

Homepage: Christina Löw
Facebook: Christina Löw
Twitter: @christina_loew

Vielen Dank, Christina!

Anne/PoiSonPaiNter
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Lies auf Deutsch

Like last year, I asked a few Märchenspinnerinnen (Fairy Tale spinnerettes) a few questions about their adaptations and fairy tales as part of the Fairy Tale Summer.

Christina Löw – Authoress of „Träume voller Schatten“ (Dreams filled with shadows)

A few things about you:

She would love to write all day long to pay appropriate attention to all the ideas that jump through her mind. Especially since her plot bunnies include everything between historical children’s books, regional crime novels, fantasy in different forms, dystopia and also English materials. Of course, fairy tales shouldn’t be missing either.

Christina works as a literary translator and proofreader. In addition, as a journalist she mainly deals with cultural and social topics. She also works as an art agent in museums.

In addition to „Träume voller Schatten“ (Dreams filled with Shadows, the short story „Eine Krone für die Freundschaft“ (A Crown for Friendship) in der Märchenspinnerei Anthologie „Es war einmal … ganz anders“ (Once Upon a Time … quite different) and „Herbstgedanken (Autumn Thoughts) at neobooks (competition „Hallo Herbst“ – Hello Autumn (2017), 2nd place).

Beforehand a few Questions regarding your book „Träume voller Schatten“ and the Märchenspinnerei:

1. Which element of your Fairy Tale was the hardest to transfer?

My protagonist. Patrick is in many ways the complete opposite of me in his behaviour – just when I think about beauty contests, my neck hair stands up and I just don’t understand people who treat others badly in full consciousness. I am also a person who thinks a lot (!), almost without interruption, so I had to pull myself together in some places in order not to let him reflect too much too early.

2. What reduced you most to despair working on your Fairy Tale?

While writing? I can’t think of anything specific. Sure, here and there my characters have deviated a bit from the plot or made decisions I hadn’t foreseen… but in the end all this has made the story rounder in some places and deeper in others. I rather cursed a little during the formatting or the book typesetting, but even this could finally be overcome.

3. Which Version (Movie, Tale, Adaptation) of your story, except your own, do you like most?

I got to know the fairy tale through an illustrated children’s book and even today I know Nose, the Dwarf primarily in book form. There are many beautiful illustrated versions that have appeared over the years. With the classic fairy tale adaptations I have a hard time… but I’m also very critical here.

4. A Movie-Person comes to you and wants to turn your Fairy Tale into a movie, whom do you see in the leading roles?

Oh, dear. I guess I should think about what my characters look like first. I usually leave that to the imagination of the readers. Patrick told me that he has blue eyes and my cover designer instinctively gave him brown hair. With Melissa it is actually not mentioned in the book, but for me she definitely has a friendly, open face and chaotic curls.

5. What’s your wish for the future of the Märchenspinnerei?

More fairy tale adaptations? Which shouldn’t really be a problem. There is clearly no shortage of new ideas!

I think I wish for a good togetherness, a constant we-feeling, because despite our differences – whether in adaptations or us authoresses – it is the fellowship that unites us. We are all individual parts that interlock, a whole that is much more than ‚just‘ the sum of its parts.

Let’s take a closer look at your passion for Fairy Tale …

6. What is your loveliest memory regarding Fairy Tales?

In the beginning it was the reading aloud or the comforting feeling to have the stories read aloud. To listen with big eyes and sharpened ears, to share the excitement with the heroes, to shiver from time to time, and finally to breathe a sigh of relief when everything has gone well.

7. What do you prefer? Happy End or Bad End?

In the past, the happy ending was very important to me, that was just part of it. Meanwhile, I prefer what fits best to the respective story.

8. What bothers/enthuses you the most about Fairy Tales?

Today it bothers me when I find myself too much pelted with stereotypes or stumbled upon them in every other sentence. But when it comes to adapting fairy tales, these are grateful starting points for breaking with them. I like fairy tales with heroines who, for example, don’t wait for a prince, but rather rescue a prince – there are not many, but still here and there. And somehow I have a little weakness for animal companions… as you might notice in my adaptation. 😉

9. What is typically for a Fairy Tale for you?

Hm, that’s really difficult. I could now recite all sorts of characteristics that can come to mind in a classic fairy tale, but that would be boring, I think. What particularly strikes me as an author is that there are rarely explanations – for example, magic usually works ‚just like that‘, there is no discernible magic system behind it. Also the motivations, why a journey should be undertaken, a special object should be found, are often rather less existent. But even there are of course exceptions.

At the End a few fantastical Questions:

10. You meet a talking animal, that makes you believe they’re an enchanted human. What would you do?

I would probably be happy to have finally found an animal to whom I don’t have to attribute what it could tell me, but who really talks to me. And then I would probably try to see if I can’t save this person – unless he/she is much happier as an animal.

11. A Fairy Godmother wants to grand you three wishes, what would you wish for?

Can I wish I had an infinite number of wishes that can also be transferred to other people? I think that here and there everyone can use a wish that can be fulfilled as if by magic. However, always under the condition that no harm is done to anyone else.

12. Which Fairy Tale way would you choose to get rid of someone?

All in all? None. First of all, I would like to know exactly who is to be ‚getting rid of‘ for what reason and whether this automatically means ‚killed‘ or whether this can also be interpreted differently.

13. Bonusquestion: With which Fairy Tale character would you like to trade places?

Whew. Can I have a crash course with which I can funnel all existing fairy tale characters into my head and sort them by pros and cons? Because I don’t necessarily like to swap with those who come to my mind right away – and there are quite a few of them.

More about Christina here:

Homepage: Christina Löw
Facebook: Christina Löw
Twitter: @christina_loew

Thank you very much, Christina!


Anne/PoiSonPaiNter