Warum ziehen Superheld*innen sich immer so komisch an?

Read in English

Gestern habe ich euch ja von dem Begriff „Capes“ für Superheld*innen erzählt, heute nimmt sich Diandra Linnemann die Kleidung der Superheld*innen an sich an, denn es geht um:

KEINE CAPES – oder: Vor- und Nachteil der Superheldenaufmachung

Spätestens, seit sie es mal wieder in die Kinos geschafft haben, kommt keiner an ihnen vorbei: Superhelden. Und eigentlich kennen und lieben wir sie doch alle: Iron Man, Batman und Robin, The Flash, Captain America, …
Stellen wir uns jetzt einmal vor, jemand von einem anderen Stern kommt für ein Praktikum auf der Erde vorbei und schlägt nichtsahnend einen Superheldencomic auf. Wahrscheinlich erkennt er die Helden auch komplett ohne Vorkenntnisse auf den ersten Blick.

Und woran liegt das?

An ihren Kostümen. Nicht alle tragen dabei natürlich explizit heroische Maßanfertigungen –der Hulk ist einfach nur grün – aber in den meisten Fällen sind sie allein schon an ihrer Kleidung hervorragend zu identifizieren. In den Anfängen der Comiczeit hatte das vielleicht noch praktische Gründe, denn die Qualität der Druckerzeugnisse war nicht so hoch wie heute, es gab nur eine begrenzte Menge Farben und Kosten sparen wollte man natürlich auch. Also verwendete man für Superhelden die immer gleichen, möglichst auffällig und eindeutig gefärbten Kleidungsstücke. Wer außer Wonder Woman trug denn schon Sternchen-Shorts? Außerdem konnte man durch wehende Capes Dynamik in die Bilder bringen und Bewegung andeuten. Später wurden dann verschiedene Erklärungen dafür herangezogen, warum Superhelden besondere Kleidung tragen mussten – Doctor Stranges Umhang ist magisch, Batman trägt ein hochtechnisiertes Batcape, mit dem man fliegen und Leute fesseln kann und Superman – tja, das ist eben Superman. Der braucht keine Erklärung.

Bereits im sechzehnten Jahrhundert galten Schwert und Umhang in Italien übrigens als Standardausstattung eines Kämpfers – der Umhang sah nicht nur cool aus, sondern konnte auch zur Verteidigung oder sogar im Angriff verwendet werden. Wer Beispiele dafür sehen möchte, ist bestimmt mit Filmen über die drei Musketiere oder, nur ein paar hundert Jahre später, Zorro gut bedient. (Zorro war übrigens einigen Quellen zufolge die Inspiration für Batman. Andere Quellen nennen Zirkus-Performer als Vorlage für den Cape-und-Spandex-Look. Wer weiß?)

Captain America wiederum hat zwar kein Cape, aber dafür seine Uniform mit Stern, wenigstens in den Comicheften (die ersten Bilder von „Infinity War“ lassen ja etwas anderes erwarten), als Symbol für Patriotismus und Mut, und bei Iron Man bin ich mir nicht einmal sicher, ob Tony Stark der Held ist oder nicht doch seine Hightech-Sardinenbüchse, die man natürlich auch überall und jederzeit erkennt.

Wer sich allerdings schonmal in Cosplay probiert hat, stößt schnell an die Grenzen seines Verständnisses für den heroischen Look. Die wahre Superheldenkraft scheint nämlich zu sein, dass der Spandex einem nicht konstant in die Pofalte kriecht und man sich nicht mit dem Cape versehentlich stranguliert. Aus rein praktischen Gesichtspunkte sind gerade Capes und Umhänge mal so ziemlich das Dämmlichste, was man sich einfallen lassen kann. Daran ändern auch das römische Paludamentum der Kriegsherren und der Königspurpur nichts – nicht alles, was früher gemacht wurde, war wirklich klug.

Warum trägt die typische Superheld*in eigentlich eine Verkleidung?

Ein Argument, das häufig bemüht wird, ist die Anonymität. Die könnte man zwar auch ohne Cape haben, aber abgesehen davon finde ich diese Idee gar nicht so blöd. Schließlich brechen Superhelden oft geltendes Recht, um schlimmeres Unheil zu verhindern. Und spätestens beim Phänomen des Internet-Trolls wird schnell klar, dass Anonymität tatsächlich den Mut steigern kann – für gute wie für schlechte Zwecke. (Das erklärt dann übrigens auch die absurd verkleideten Bösewichte aus den Comics.) Wenn man erst anonym, quasi „gesichtslos“ ist, entfallen die Erwartungen, mit denen das soziale Umfeld einen für gewöhnlich fesselt. Stattdessen wird das Superhelden-Outfit zur selbsterfüllenden Prophezeiung, denn wer mutig genug ist, in einem grünen Strampler herumzulaufen, dem ist alles zuzutrauen.

Für die Abschlussprüfung oder den nächsten Vortrag vor Publikum kann man aus diesem Umstand übrigens tatsächlich Nutzen ziehen, auch wenn man aus individuellen Gründen vielleicht vom Ganzkörper-Lederkondom à la „Black Widow“ absehen möchte. Politikerinnen machen das schon vor, mit dem roten „Powerblazer“, und auch andere berühmte Persönlichkeiten treten bevorzugt im gleichen (oder gleichartigen) Outfit auf, das direkt ihre Rolle definiert und entsprechende Erwartungen beim Publikum weckt – Steve Jobs‘ Rollkragenpulli oder Amanda Palmer mit ihren Corsagen und künstlerisch ambitioniert gestalteten Augenbrauen sind nur zwei gute Beispiele. Die Künstlerin Robyn Rosenberger gestaltet sogar Superhelden-Capes für kranke oder behinderte Kinder, um zu zeigen, wie stark sie eigentlich sind. Das ist natürlich keine magische Kur, aber es muntert die Kinder auf und gibt ihnen Hoffnung.

Ich persönlich bevorzuge übrigens für öffentliche Auftritte keine Capes, sondern Stiefel mit flachen Absätzen und praktisch geschnittene Röcke oder Kleider in wilden Farbmixen – so kann man mich weder aufhalten noch übersehen. Und gerade für eine eher introvertierte Person wie mich sind das ziemlich geniale Superkräfte. ^^

Die Autorin

Die meisten von Diandras Texten entstehen aus Missverständnissen, Wetten oder wirren Träumen. Wenn sie nicht gerade literarische Abenteuer im Rheinland erlebt, übersetzt sie medizinische Texte für schnödes Geld. Sie mag Katzen, Laufschuhe und Pizza. Ihren Blog mag sie theoretisch auch, aber das sieht man immer nur sporadisch.

Blog: Diandras Geschichtenquelle
Twitter: @maerchenquelle
Facebook: Diandras Geschichtenquelle – Diandra Linnemann

Wer Diandra mal live erleben möchte kann das an diesem Sonntag auf der RPC machen, wo sie aus ihrem neusten Roman „Andrea die Lüsterne und die lustigen Tentakel des Todes“ liest: Lesung auf der RPC.

Im morgigen Beitrag stellt euch Ariane von Nerd mit Nadel eine Superheldin aus einem Comic vor, den ihr am Samstag auf dem Gratis Comic Tag erhalten oder mit etwas Glück hier gewinnen könnt.

Anne
____________________________
Lies auf Deutsch

Yesterday I told you about the term „capes“ for superhero*ines, today Diandra Linnemann talks about their clothes , because it’s about:

NO CAPES – or: Advantages and disadvantages of the superhero outfit

At the latest, since they made it back into the theaters, no one can get past them: superheroes. And in a way we all know and love them: Iron Man, Batman and Robin, The Flash, Captain America, …
Now let’s imagine someone from another planet coming over to Earth for an internship and unsuspectingly opening a superhero comic. Probably he also recognizes the heroes completely without previous knowledge at first sight.

And why is that?

By their costumes. Of course, not everyone wears explicitly heroic custom-made clothes – the Hulk is just green – but in most cases they can be easily identified by their clothes alone. In the early days of the comic strip era there were perhaps practical reasons for this, because the quality of the printed products was not as high as it is today, there were only a limited number of colours and costs to save, of course. So they always used the same, as conspicuously and clearly coloured clothes as possible for superheroes. Who else besides Wonder Woman wore star shorts? Furthermore, with billowing capes one could bring dynamics into the pictures and hint at movement. Later, various explanations were used to explain why superheroes had to wear special clothes – Doctor Stranges cape is magical, Batman wears a high-tech batcape to fly and tie people up and Superman – well, that’s Superman. He doesn’t need an explanation.

By the way, already in the sixteenth century sword and cape were considered as standard equipment of a fighter in Italy – the cape did not only look cool, but could also be used for defense or even in an attack. Those who want to see examples of this are certainly well served with films about the three musketeers or, only a few hundred years later, Zorro. (Zorro was the inspiration for Batman, according to some sources. Other sources cite circus performers as models for the cape-and-spandex look. Who knows?)

Captain America, on the other hand, doesn’t have a cape, but his uniform with a star, at least in the comic books (the first pictures of „Infinity War“ suggest something else), as a symbol of patriotism and courage, and with Iron Man I’m not even sure if Tony Stark is the hero or not his high-tech sardine tin, which you can of course recognize everywhere and at any time.

But if you’ve ever tried Cosplay, you’ll soon reach the limits of your understanding of the heroic look. The real superhero power seems to be that the spandex doesn’t creep constantly into your bottom crease and you don’t accidentally strangle yourself with the cape. From a purely practical point of view, capes and cloaks are just about the dumbest thing you can come up with. The Roman paludamentum of the warlords and the royal purple did nothing to change this – not everything that was done before was really clever.

Why does the typical superhero*ine wear a disguise?

An argument that is often used is anonymity. You could have that without a cape, but apart from that I don’t think this idea is so stupid. After all, superheroes often break the law to prevent worse things from happening. And at the very least with the phenomenon of the Internet troll it quickly becomes clear that anonymity can actually increase the courage – for good as for bad purposes. (This also explains the absurdly disguised villains from the comics.) Once you are anonymous, quasi „faceless“, the expectations with which the social environment usually binds you, are lost. Instead, the superhero outfit becomes a self-fulfilling prophecy, because anyone brave enough to walk around in a green romper can do anything.

For the final exams or the next presentation in front of an audience, one can actually benefit from these circumstance, even if, for individual reasons, one would perhaps like to disregard the full-body leather condom à la „Black Widow“. Politicians are already demonstrating this with the red „Powerblazer“, and other famous personalities also prefer the same (or similar) outfit that directly defines their role and arouses corresponding expectations in the audience – Steve Jobs‘ turtleneck sweater or Amanda Palmer with her corsages and artistically ambitiously designed eyebrows are just two good examples. The artist Robyn Rosenberger even designs superhero capes for sick or handicapped children to show how strong they actually are. This is not a magic cure, of course, but it cheers up the children and gives them hope.

Personally, I don’t prefer capes for public appearances, but boots with flat heels and practically cut skirts or dresses in wild colour mixes – so you can neither stop me nor overlook me. And especially for a more introverted person like me, these are pretty ingenious superpowers. ^^

Die Autorin

Most of Diandras texts arise from misunderstandings, bets or confusing dreams. When she is not experiencing literary adventures in the Rhineland, she translates medical texts for disdainful money. She likes cats, running shoes and pizza. She also likes her blog in theory, but you only see that sporadically.

Blog: Diandras Geschichtenquelle
Twitter: @maerchenquelle
Facebook: Diandras Geschichtenquelle – Diandra Linnemann

In tomorrow’s post Ariane von Nerd mit Nadel introduces you to a superheroine from a comic that you can get on Saturday during the Gratis Comic Tag.

Anne

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.