Auch, wenn ich eher in der nordischen Mythologie unterwegs bin, begegnen mir doch sehr wenige (Web)Comics, die sich damit befassen. Stattdessen sehe ich vermehrt ein neues Interesse an Geschichten, die die Griechische Mythologie aufarbeiten. Allen voran den Geschichten um Hades und Persephone. Vier davon möchte ich euch anstatt eines Jahresrückblicks, den ich zwischendrin schon immer Mal hatte, heute vorstellen. Alle davon sind kostenlos (auf Englisch) als Webcomic, teils aber auch als Print erhältlich.
Doch kurz vorweg, worum geht es?
Hades und Persephone
Der Gott der Unterwelt verliebt sich in eine Fruchtbarkeitsgöttin und – je nach Fassung – entführt diese in die Unterwelt. Dort isst sie eine Pomegranate (bzw. sechs Kerne daraus) und „muss“ sechs Monate im Jahr in der Unterwelt bleiben.
In den hier beschriebenen Adaptionen wird sich mehr oder weniger an diesen Grundriss gehalten, gepaart mit entsprechenden „traditionellen“ Konstellationen (z.B. Zeus ist Persephones Vater, wodurch Hades eigentlich ihr Onkel ist, usw.).
Punderworld
Der erste Comic dieser Art, der mir begegnete war Linda Šejić Punderworld. Als Spaßprojekt gedacht, um wieder in den Lauf ihrer Hauptserie Blood Stain zu kommen, entwickelte es bald ein Eigenleben. Nicht nur sind die Hauptfiguren vom Design her die gleichen, auch das Pantheon drum herum nahm nach und nach Gestalt an.
In dieser Version umschleichen Hades und Persephone einander seit Jahrhunderten bis Hades seinem Bruder Zeus seine Verliebtheit eingesteht und dieser entsprechend die “Entführung” in die Wege leitet. Wobei es hier mehr ein “Kutschenausflug” ist, der ungewollt in der Unterwelt endet. Viel weiter ist die Geschichte „leider“ noch nicht, da sie gerade an einem weiteren Kapitel Blood Stain arbeitet.
Šejić hat sich außerdem von einer Interpretation des Namen von Hades’ Hund Cerberus/Kerberos inspirieren lassen und aus ihm einen sehr knuffigen dreiköpfigen Dalmatiner gemacht.
Funfact: Auch Punderworld spielt, wie Blood Stain, in dem Universum, das sie mit ihrem Mann Stjepan geschaffen hat.
Durch Šejić habe ich die folgenden beiden Adaptionen entdeckt, es lohnt sich also ihr zu folgen, nicht nur für ihre eigenen Inhalte.
Lore Olympus
Rachel Smythe’s Interpretation Lore Olympus versetzt die Geschichte in ein etwas moderneres Setting. Die Unterwelt ist ein Unternehmen und Persephone wird über Umwege eine Praktikantin dort. Der Zeichenstil ist etwas eigen, haben die Figuren doch alle eine eigene Farbkodierung (z.B. Hades ist blau, Persephone und diverse Blumennymphen Pink, Zeus, Apollo und Artemis sind lila, wohingegen u.a. Hera, Ares, Hephaistos gelb sind, usw.), die ich noch nicht ganz durchstiegen bin. Doch das tut der Erzählung keinen Abbruch, denn Smythe lässt es sich nicht nehmen auch ernste Themen aufzugreifen. Daher ist die Lektüre mit Vorsicht zu konsumieren, da u.a. Vergewaltigung, toxische Beziehungen, Kindesmissbrauch (respektvoll) thematisiert werden. Das einzige, was mich dabei etwas wurmt, ist die Altersdifferenz, da Persephone hier tatsächlich nur neunzehn ist im Gegensatz zum jahrhundertealten Hades. Dadurch schwankt ihre Charakterisierung zwischen kindlich naiv und Erfahren über ihr Alter hinaus. Die Interaktion zwischen den einzelnen Parteien wird durch alberne Gesichtsausdrücke aufgelockert und wirkt, wenn auch manchmal dramatisch überspitzt, natürlich.
Übrigens: Cerberus ist hier ein nachtschwarzer Dobermann, der nur gelegentlich drei Köpfe hat und Hades hortet Hunde.
Queen of the Dead (Theia Mania)
Ganz anders und nicht als Band erhältlich sind die Geschichten von Li Österberg bzw. A-gnosis. Das noch unabgeschlossene Queen of the Dead ist nur ein Aspekt der neben Destroyer of Light und diversen anderen Erzählungen in der Theia Mania-Reihe, die Geschichte der beiden und anderen Gottheiten der Griechischen Mythologie erzählt. Österberg nutzt dabei Figuren, die definitiv nicht normschön sind (Hades ist spindeldürr und hat fiese Augenringe, Persephone ist kräftig gebaut, unrasiert und hat eine große Zahnlücke) und auch diverse Sexualitäten und Geschlechter (teils explizit) ausleben. Auch scheut sie sich nicht davor Zeus’ (und anderer) “Sexkapaden” aufzuzeigen und infrage zu stellen. Ganz bin ich noch nicht durch die Reihenfolge der Geschichten durchgestiegen, aber ich mag den Stil und die erfrischende Art, wie mit den Themen umgegangen wird – plus sie gibt gelegentlich die Quellen für die Ereignisse, was auch sehr genial ist.
In ihrer Version ist Cerberus eher ein dreiköpfiger Wolf.
Persephone: Hades‘ Torment
Der letzte Comic ist leider der, bei dem meine Erwartungen aufgrund von anderen Werken am meisten enttäuscht wurden. Mit Tigress Queen und Far to the North hat Allison Shaw zwei faszinierende Welten geschaffen – und mich auch vollkommen mit ihrem Zeichenstil überzeugt. Hier allerdings kommt hauptsächlich letzteres zum Tragen. Ihre Ausflüge in die Griechische Mythologie waren zunächst Bonusgeschichten für ihren Patreon und leider merkt man das an der Kürze. Wo die anderen drei sich Bände- und Geschichten-lang Zeit nehmen alles zu erkunden, wird hier alles auf knapp ~160 Seiten abgehandelt, wodurch schlichtweg die Zeit zum Atmen fehlt. Es ist vor allem schade, da der Anfang mit Hades’ Verweigerung gegen den Liebespfeil, den er aus versehen abbekommt und ein entsprechender Dialog darüber seinen “Gelüsten” trotz Pfeil nicht nachzugehen ein interessanter Ansatz ist. Doch sobald er ihn – und damit seine Gefühle – akzeptiert, macht die Geschichte eine 180 Grad Wendung. Nicht nur wird es, auf eventuell zur Griechischen Mythologie passenden Weise, voyeuristisch im Versuch der Romantik etwas Erotik beizumischen, sondern Persephone wird auch zu einer passiven Rolle nachdem sie eingangs noch einen aktiveren Part hatte. Wirklich schade. Ob ihre Fassung von Eros & Psyche ähnlich geartet ist, kann ich noch nicht beurteilen.
Nachwort
Ich bin mir nicht sicher, warum gerade jetzt das Interesse an der Griechischen Mythologie wieder aufgeflammt ist, die Ergebnisse sind jedoch faszinierend zu beobachten. Neben diesen beiden, scheint vor allem Dionysos eine beliebte Figur zu sein, doch da habe ich mich noch nicht ausführlich genug mit beschäftigt, um euch mehr sagen zu können. Nächstes Jahr vielleicht. B)
Habt ihr eine der Geschichten bereits gelesen? Kennt ihr andere, die euch gefallen haben?
(Kennt irgendwer gute Comics zur Nordischen Mythologie?)
Damit bleibt mir nur noch zu sagen: Kommt gut ins neue Jahr!
Anne
Hey 🙂
Ich kenne noch keine der Storys, bin aber sehr neugierig – vor allem auf Lore Olympus.
Hast du „Medusa und Perseus“ von André Breinbauer (erschienen bei Carlsen) schon entdeckt? Gelesen habe ich es noch nicht, aber reingeschaut und ich finde das Wendecover inkl. Wendestory mega interessant. Es wird aus zwei Perspektiven erzählt.
Liebe Grüße
Sandra
Ne, tatsächlich nicht! Schaue z.Zt. eher selten bei den großen Namen … klingt aber auf alle Fälle interessant, danke für den Tipp!