Tag Archives: weihnachtsmann

Adventskalender: Türchen #14

Read in English

Das Familiengeheimnis

Ein paar Stunden waren vergangen, als einer der Wichtel in die Bibliothek kam und Nicholas am Ärmel zupfte, der gerade ein Buch durchblätterte. Er hielt ihm einen Zettel entgegen, den dieser nahm und schnell las.
“Wir sollen zurück ins Haupthaus kommen”, erklärte er Katrin und stand auf.

Im Wohnzimmer hatten sich bereits wieder alle versammelt. Nicole tigerte hin und her und auch Nick trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch.
“Wo wart ihr? Du solltest im Haus bleiben!”, fuhr Nikolaus seinen Enkel erneut an.
“Ich-wir-”, stotterte Nicholas und wurde sogleich mit einem “Jetzt red endlich!” unterbrochen. Er blickte zur Seite und kniff die Augen zusammen. “In der Bibliothek”, brachte er gepresst hervor, ohne seinen Großvater anzusehen.
“Hast du gedacht, er holt sich etwas zum Lesen, bevor er sich sein nächstes Opfer sucht?”, fragte der Alte hämisch.
“Nein, aber es hätte Aufzeichnungen von vorherigen Ausbrüchen geben können!”, mischte Katrin sich nun ein, da Nicholas sich scheinbar nicht verteidigen wollte.
“Das war eine gute Idee”, versuchte Natascha zu schlichten und strich ihrem Sohn zärtlich über den Rücken, “lasst uns anfangen und sehen, was jeder rausbekommen hat.”
Sie setzten sich unter Nikolaus’ verächtlichem Blick und Nikolai begann zu erzählen. “Wir haben in der Höhle Wasser entdeckt und Fetzen einer Decke. Die Fesseln wurden aufgeschlossen, nicht aufgebrochen. Eine Spur konnten wir auf dem gefrorenen Boden nicht erkennen.” Er wirkte enttäuscht.
“Ich hab mich danach ein wenig unter den Arbeitern umgehört. Keiner konnte sagen, was Ivana in der Gegend gemacht hat, aber sie haben anklingen lassen, dass sie nicht gerade die Netteste war. Einer bezeichnete sie sogar als ‘Poison Ivy’, weil sie wohl immer irgendwelche Gerüchte verbreitet  und die Stimmung damit vergiftet hat”, berichtete Nicole und man merkte, wie es in ihr arbeitete, aber etwas fehlte ihr, um eine Schlussfolgerung zu treffen.
“Da hat jemand den Comic nicht verstanden…”, brummte Nick völlig am Thema vorbei.
“Das ist doch egal”, schnauzte Nicole ihn an und setzte sich endlich hin. “Das ergibt doch alles keinen Sinn…” Verzweifelt verbarg sie ihr Gesicht hinter ihren Händen.
“Doch tut es…”, dachte Katrin laut nach. Alle Augen landeten auf ihr. “Ich meine, ich hätte eine Idee, wie es zusammenhängt, aber vielleicht hab ich auch einfach zu viele Krimis gelesen…”, versuchte sie ihre Aussage etwas zurückzunehmen.
Natürlich schnaubte Nikolaus daraufhin, aber sein Sohn wollte hören, was sie zu sagen hatte.
“Frau Maros, Natascha, gibt es auch Decken mit Ihrer Magie?”, war das Erste was sie fragte.
“Ja, ein paar Arbeiter haben mich um Decken für die kälteren Nächte des Winters gebeten, aber was – oh – du meinst die Fetzen stammen von einer meiner Decken, die auf das Eis gepackt wurden?”, verstand Natascha.
“Genau. Wer auch immer den Krampus befreit hat, brauchte also keinen Fön, sondern hat die Decken genommen”, bestätigte Katrin und verwendete ihr eigenes Beispiel von zuvor zur Verdeutlichung. “In den Sachen, die wir in der kurzen Zeit in der Bibliothek gefunden haben, wurde immer wieder gesagt, dass der Krampus unartige Kinder bestraft beziehungsweise frisst, wenn Ivana also wirklich gerne Gerüchte verbreitet hat, dann wird sie wohl zu den unartigen gezählt haben”, fuhr sie fort.
“So betrachtet ergibt das wirklich Sinn…”, pflichtete Nicole ihr bei.
“Also müssen wir bei den verbliebenen Arbeitern prüfen, wer zu den unartigen zählt, um diese besser schützen zu können”, überlegte Klaus.
“Aber wie können wir sie schützen? Wie können wir den Krampus ausschalten?”, wollte Nick wissen.
“Wir können ihn nicht ausschalten, wir müssen ihn wieder einsperren”, widersprach Nikolaus. Er schaute seine Familie nicht an, erwartete aber gehorsam.
“Sie verheimlichen etwas”, kommentierte Katrin verwundert.
“Was willst du damit sagen?”, raunte er sie an, aber etwas stimmte in seiner Tonlage nicht. Er schien sich ertappt zu fühlen.
“Wenn ein Kind partout nicht zugeben will, dass es Schuld an etwas ist, attackiert es andere, um von sich selbst abzulenken. Sie verhalten sich gerade genauso”, versuchte sie sachlich zu erklären.
“Jetzt vergleichst du mich mit einem Kleinkind?! Was erdreistest du dich?!”, schrie er nun fast.
“Far! Beruhige dich!”, trat Nikolai dazwischen.
Nikolaus schnaubte, aber schwieg. Seinen Sohn sah er dennoch nicht an.
“Sie hat recht, nicht wahr? Du verheimlichst uns etwas”, hakte Nikolai nach.
Nikolaus rutschte in seinem alten Sessel hin und her. Sah seine Enkelkinder einzeln an, ließ seinen Blick kurz auf Katrin ruhen und wandte sich dann seinem Sohn zu. “Ja, es gibt eine Sache, die ich euch noch nicht erzählt habe…”, gab er widerwillig mit einem Seufzen zu. “Es war noch lange vor deiner Geburt, Nikolai, als ich noch ein junge Mann war, noch jünger als Nicholas. Damals war der Krampus, den wir in der Höhle angekettet hatten, alt und klapprig, mit schneeweißem Fell. Eines Tages sackte er einfach in sich zusammen und war tot. Wir dachten, wir wären ihn endlich los geworden, aber dann kam alles anders.” Er pausierte und strich sich mit der altersfleckigen Hand übers Gesicht. “Ein paar Monate später beschloss mein Vater, dass ich das nächste Familienoberhaupt werden sollte, nicht mein älterer Bruder. Das gefiel ihm gar nicht. Er war wütend, auf mich, auf unseren Vater. Seine Wut schlug in Aggressivität um und bald darauf war er nicht mehr er selbst.” Wieder hielt er inne, lehnte sich in seinen Sessel zurück und sprach Richtung Decke weiter: “Er war zum Krampus geworden.”
“Dein Bruder ist der Krampus?”, versicherte sich Nikolai mit trockener Stimme.
Sein Vater nickte nur. “Kurz darauf fing er an zu töten und nur mit viel Mühe gelang es mir ihn einzufangen und schließlich in der Höhle einzufrieren.”
“Warum hast du mir das nie erzählt?” Das Entsetzen und die Enttäuschung klang aus Nikolais Stimme heraus.
“Wie hätte ich es dir denn sagen sollen?”, fuhr Nikolaus ihn an, “Das Ding in der Höhle ist übrigens dein Onkel?”
Nikolai sah betreten zur Seite.

“Das heißt, wenn wir den Krampus töten, dann könnte einer von uns der nächste werden?”, schloss Klaus aus der Erzählung und brach das Schweigen, dass sich über den Raum gelegt hatte.
“Ja, das ist gut möglich…”, musste Nikolaus zugeben.
“Und vermutlich wird er es auf dich abgesehen haben”, fügte Nicole an ihren Großvater gewandt hinzu, “wir sollten sichergehen, dass dir nichts geschehen kann.”
“Ich verschanz’ mich doch nicht in meinem eigenen Heim!”, widersprach er ihr vehement.
“Far, sei doch vernünftig! Du bist nicht mehr der Jüngste und noch einmal wirst du es nicht schaffen ihn in Schach zu halten!”, pflichtete Nikolai seiner Tochter bei.
“Wir aber auch nicht, wenn wir nicht wissen, wie wir ihn einsperren können ohne ihn zu töten…”, ergänzte Nick und ließ die Hände auf den Tisch fallen.
“Scheiße…”, kommentierte Nicole und sprach damit aus, was alle dachten.

Behind the Scenes

Da es hier nochmal explizit auftaucht: Wir bzw. ich haben uns (nach einem Vorschlag von Nebu) für das norwegische „Far“ entschieden, wenn die Väter angesprochen werden und in einem vorherigen Kapitel gab es auch „Mor“, das ist dann natürlich die Mutter. Und ja, dieses kleine Detail sollte trotz Sprachzauber vorhanden sein. 😉

Abgesehen davon, kann ich voll und ganz nachvollziehen, wie Katrin zu ihrem Gedankengang kommt. Wenn man viele Krimis liest – oder schaut – dann findet man einfach die Hinweise schneller bzw. kann sie besser kombinieren.

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #13

Read in English

Böses Erwachen

Noch etwas benommen vom Schlaf konnte Katrin das Geräusch erst nicht zuordnen, doch dann begriff sie und schreckte auf. Jemand schrie. Laut und schrill. Eine Frau. Dann war alles still. Katrins Herz raste. Was war geschehen? Sie sprang auf und ging zum Fenster. Mehrere Arbeiter, nur einen Mantel über den Schlafanzug geworfen, eilten in Richtung des Schreis, auch Klaus und Nikolai reihten sich ein. Kurz darauf wurde eine große, laute Glocke geläutet. Sie erinnerte Katrin an Sirenen zu Hause.

Ein lautes Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Ohne auf ihre Antwort zu warten kam Nicholas herein. “Zieh dich an, es gibt gleich eine Versammlung”, befahl er mehr, als dass er bat, ohne sie anzusehen und verschwand sogleich wieder.
Katrin folgte der Anweisung und ging vorsichtig auf den Flur, als sie fertig war. Nicole winkte ihr zu, mit runter zu kommen.

Vor dem Haupthaus hatte sich die Belegschaft und die Familie versammelt. Nicole schob Katrin in die Menge, sodass sie zwischen den Arbeitern stand und ging selbst zurück zu ihren Geschwistern. Nicholas warf ihr gelegentlich einen besorgten Blick zu, schaute aber sonst in die Richtung, in die sein Vater und Bruder gegangen waren. Es herrschte eine gedrückte Stimmung, einige tuschelten, andere schwiegen einfach nur. Dann endlich kamen die Männer wieder, die nachgesehen hatten. Nikolai und Klaus wurden von der Menge durchgelassen und berieten sich kurz mit dem Rest der Familie, bevor sie sich an die Versammelten wandten.
Nikolai atmete tief durch. “Meine Lieben, ich habe schlechte Nachrichten.” Er hielt inne und ließ seinen Blick über die Leute wandern. “Der Krampus konnte sich befreien und hat auf seiner Flucht Ivana getötet.”
Die Menge schwieg betroffen, dann wurden die Fragen laut. Wie konnte das geschehen? Was tun wir jetzt? Wie können wir uns schützen? Nikolai hob die Hände, um sie wieder zu beruhigen.
“Wir müssen ruhig bleiben. Panik hilft uns nicht weiter. Wir werden einen Weg finden, ihn wieder einzufangen, bis dahin: Geht nicht allein durch die Straßen und passt aufeinander auf! Haltet Augen und Ohren offen und wenn ihr ihn seht, gebt uns Bescheid und macht keine Einzelgänge! Dennoch bitten wir euch auch in dieser schweren Zeit die Arbeit nicht niederzulegen, wir haben schließlich ein Weihnachtsfest vorzubereiten”, befahl er seiner Belegschaft. “Wer von euch dennoch nach Hause zu seiner Familie möchte, packt seine Sachen und findet sich hier in einer Stunde wieder ein. Klaus wird euch mit dem Schlitten begleiten, während ihr mit den Wagen in den nächsten Ort fahren könnt. Wir geben euch dann Bescheid sobald sich die Lage beruhigt hat”, ergänzte er, leicht in der Hoffnung, nicht zu viele würden das Angebot annehmen.
Noch etwas unsicher blickten die Arbeiter einander an, dann gingen sie langsam auseinander.  Katrin nutzte die Gelegenheit um sich neben Nicholas zu stellen, da sie nicht wusste, was sie nun tun sollte. Er legte ihr beruhigend eine Hand auf den Rücken und schob sie sanft ins Haupthaus hinein. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, doch bevor Katrin etwas fragen konnten, folgte der Rest der Familie.

“Wie konnte das passieren?”, fragte Nikolai ratlos in die Runde.
“Gestern morgen war alles in Ordnung”, merkte Nick an, “irgendwer muss danach noch dagewesen sein…”
“Nachmittags gab es auch noch keine Anzeichen für einen Ausbruch”, fügte Nicholas hinzu.
“Warum warst du da? Du hattest doch keinen Dienst?”, hakte Klaus nach.
Anstatt zu antworten schaute er zu Katrin, die nun den Blicken der Familie ausgesetzt war.
“Du hast einer Außenseiterin den Krampus gezeigt?!”, fuhr Nikolaus seinen Enkel an.
“Ich-”, setzte Nicholas an, doch weiter kam er nicht.
“Erst schleppst du sie ohne Absprache an, dann bringst du sie in die Höhle! Da haben wir doch schon den Grund, wie er sich befreien konnte!”
Erzürnt bäumte Katrin sich auf: “Wie hätte ich denn die armdicke Eisschicht entfernen sollen? Mich mit einem Fön hinsetzen und warten dass sie schmilzt?” Sie schaute zwischen dem Alten und seiner Familie hin und her. In ein paar Blicken sah sie Mitleid, in anderen Verachtung. Schließlich zuckte sie ratlos mit den Schultern. “Ich weiß nicht mal ob es da Strom gibt.”
Stille senkte sich über das Zimmer und keiner wagte etwas zu sagen. Katrin funkelte den Alten herausfordernd an, aber dieser schnaubte nur verächtlich.
“Warte, hast du gerade ‘armdick’ gesagt?”, hakte Nikolai nach.
“Ähm, ja, ungefähr so dick wie mein Arm lang ist?”, versuchte Katrin zu erklären.
“Das kann nicht sein!”, mischte sich nun Nicole ein, “Da war eine fünf Meter dicke Eisschicht davor!”
“Das heißt, es muss schon vorher jemand am Eis gewesen sein”, schlussfolgerte Nicholas und versuchte so seine Familie auf Katrins Seite zu ziehen.
“Warum ist das dann keinem von uns aufgefallen?”, wollte Nick herablassend wissen, seine Arme vor der Brust verschränkt.
Katrin kam eine Idee. “Nicholas hat erzählt, dass täglich jemand nachsieht, ob noch alles in Ordnung ist – “
“Und was hat das damit zu tun?”, wurde sie unwirsch unterbrochen.
“Ich kann nur mutmaßen, aber bei meinen Kindern, die ich nahezu täglich sehe”, fuhr sie unbekümmert fort, “bemerke ich auch erst nach den Sommerferien, wenn sie wieder ein Stück gewachsen sind.”
“Deine Kinder?”, fragte Nicole verwundert am Thema vorbei und auch in den Blicken der anderen konnte Katrin Verwirrung sehen.
“Nicht meine Kinder. Ich bin Kindergärtnerin, also die Kinder in meinen Gruppen”, versuchte sie sich zu erklären, “Aber trotzdem: Wenn man etwas oder jemanden täglich sieht, sieht man meist keine Veränderungen, erst wenn man etwas Abstand gewinnt.”
Erneut legte sich Schweigen über sie. Diesmal war es Klaus, der es brach.
“Es ändert aber nichts daran, dass wir ihn wieder einfangen müssen, bevor noch mehr Leute zu schaden kommen.”

Während Nick und Klaus bereits anfingen zu planen nahm Natascha Katrin zur Seite und bugsierte sie in die Küche.
“Katrin, ich muss mich für meinen Schwiegervater entschuldigen. Er ist auf seine alten Tage etwas ruppig geworden.” Sanft legte sie Katrin die Hand auf die Schulter.
“Es ist schon in Ordnung. Ich hätte vermutlich genauso reagiert an seiner Stelle. Ich bin nunmal nur zu Besuch und dann passiert sowas…”, erklärte Katrin mit einem matten Lächeln.
“Du weißt, dass das auch heißt, dass du noch etwas länger bei uns bleiben musst?”, fügte Natascha mit strengem Blick hinzu.
“Länger bleiben, muss?”, versicherte sich Katrin.
“Ja, solange der Krampus frei rumläuft können wir kein Portal öffnen um dich nach Hause zu bringen. Die Gefahr ist zu groß, dass er mit hindurch schlüpft und dann bekommen wir ihn nicht mehr zu fassen. Bevor du fragst: Das nächste Dorf bringt dir auf einer Heimreise nichts, der nächste Flughafen ist weit entfernt und wir können niemanden entbehren, der dich dahin bringt”, erklärte Natascha, “aber ich verspreche dir, dass wir auf dich Aufpassen werden und dir nichts geschehen wird.”
Insgeheim hatte Katrin gehofft, das alles hinter sich zu lassen, bevor es zu schwer wurde wirklich zu gehen, nun begann ihr Herz wild zu pochen und sie sah sich hilfesuchend um, doch niemand außer Natascha war bei ihr.
“Keine Angst, wir werden ihn schnell finden, da bin ich mir sicher”, versuchte Natascha sie zu beruhigen, aber helfen tat es nicht.

Nach einer kurzen Absprache machten Nikolai und Nicole sich auf den Weg in die Höhle, um dort nach Spuren zu suchen, während Nick auf Patrouille ging. Auf dem Marktplatz hatten sich doch einige Arbeiter eingefunden, sodass Schlitten und Wagen klargemacht wurden, um sie in den nächsten Ort zu fahren, damit sie von da aus zu ihren Familien gelangten. Klaus begleitete sie, um sie im Falle eines Angriffs zu schützen. Nicholas wurde dafür abgestellt Katrin aus allem rauszuhalten. Es würde sich nicht gut machen, wenn eine Außenseiterin zu Schaden käme. Claudia versuchte in der Werkstatt alles am Laufen zu halten, während Natascha versuchte die Stimmung mit Keksen und anderen Köstlichkeiten zu heben. Nikolaus musste auf seine Urenkel aufpassen.

“Habt ihr in der Bibliothek vielleicht etwas zum Krampus? Oder vielleicht gibt es noch ein paar Legenden im Internet?”, versuchte Katrin sich einzubringen. Sie konnte einfach nicht tatenlos rumsitzen und sah Nicholas an, dass er es genauso wenig konnte.
“Es wäre einen Versuch wert…”, murmelte Nicholas nur.
“Na dann lass uns gehen!” Katrin sprang sogleich auf.
Nicholas sah sie fragend an, aber er ließ sich von ihrem Enthusiasmus anstecken nachdem sie anfing ihn am Ärmel zu ziehen.

Als sie in der Bibliothek ankamen, zögerte Ephraim nicht lange und half ihnen bei ihrer Suche.

Behind the Scenes

Eine Geschichte ohne „Big Bad“? Das ja langweilig! 😀 Wobei ich sagen muss, dass mir der Krampus-Ausbruch doch recht spät in der ursprünglichen Entstehungsphase eingefallen ist – und als jemand, die eigentlich so gut wie keine Ahnung von dem Mythos an sich hat (bei uns gibt’s nur Knecht Ruprecht), war es auch gar nicht so einfach, mir die Rahmenbedingungen hier auszudenken. Ein bisschen hab ich mich an dem Viech aus der Grimm Folge „Twelve Days of Krampus“ orientiert, vor allem was das Aussehen angeht.

Na dann, auf zur lustigen Krampus Suche! 😀

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #12

Read in English

Familienessen

Als sie wieder im Haupthaus angekommen waren, machte Nicholas für sie beide eine heiße Tasse Kakao mit der sie sich an den großen Esstisch setzten. Katrin verarbeitete noch immer das Erlebte, also überließ er sie ihren Gedanken.
“In den alten Bräuchen heißt es immer der Krampus bestraft die unartigen Kinder, so wie Knecht Ruprecht, nur etwas brutaler, aber du sagst er tötet, wenn er nicht eingesperrt ist…wie kann der Brauch denn so falsch sein?”, dachte Katrin laut nach.
“Es gibt auch Versionen in denen er die unartigen Kinder frisst…”, erinnerte Nicholas sie. “Ich kann dir nur sagen, was unser Großvater uns über den Krampus erzählt hat. Bevor er eingesperrt wurde hat er im Dorf gewütet und mehrere Arbeiter getötet. Grundlos.”
“Vielleicht waren sie unartig…”, mutmaßte Katrin.
Nicholas schnaubte. “Vielleicht…”
Betreten schwiegen die beiden. Während sie ihren Kakao trank, dessen Wärme ihr viel intensiver vorkam als sonst, ließ Katrin ihren Blick über den großen Raum schweifen und entdeckte eine Anrichte mit Fotos. Sie stellte die leere Tasse ab und ging hinüber. Alles war besser als weiter über das Monster im Eisblock nachzudenken. Viele kleine und größere Bilderrahmen standen auf dem niedrigen Schrank. Sie erkannte Nicole und Nicholas, sowie deren Mutter und Schwägerin. Der Mann an Claudias Seite, auf einem der Bilder, musste demnach Klaus sein, der Nicholas wesentlich ähnlicher sah, als der Blondschopf auf einem anderen Foto.
“Möchtest du Namen zu den Gesichtern, bevor du sie nachher in Person triffst?”, bot Nicholas an, als er sich neben sie stellte.
“Ich- du stellst mich ihnen vor?”, fragte Katrin erstaunt.
“Ich konnte sie überreden, dass zumindest dein Abschiedsessen mit allen stattfindet”, erklärte Nicholas.
“Abschiedsessen? Das heißt, das war’s schon?”, hakte Katrin traurig nach.
“Wir sind nur ein kleines Dorf, so viel gibt es hier nicht zu entdecken”, begründete Nicholas mit einem Schulterzucken, aber auch bei ihm hörte sie Enttäuschung mitklingen.
“Das ist schade. Es ist wirklich magisch hier.” Katrin merkte, wie ihr Herz wieder zu flattern anfing, als Nicholas ihr ein aufrichtiges Lächeln schenkte.
“Freut mich, dass es dir gefallen hat.”
“Sehr, aber ich muss ehrlich sein: Die Schlittenfahrt war das Beste. Und die Bibliothek”, offenbarte sie ihm begeistert, woraufhin er erneut lachte. “Aber ja, ein Crashkurs in Sachen Familie Santa Namen wäre bestimmt hilfreich.” Auf Nicholas skeptischen Blick hin, schlug sie sich die Hand vor den Kopf. “Familie Maros, natürlich, tut mir Leid, das ist noch so drin…”
“Schon in Ordnung, immerhin hast du es dir überhaupt gemerkt”, neckte er sie.
“Ich bin Kindergärtnerin, mein Lieber, ich muss mir jede Menge Namen merken, teilweise sehr merkwürdige Namen, also unterschätz‘ mich nicht!”, hielt sie ihm trotzig entgegen und stemmte die Hände in die Hüften.
Nicholas grinste. “Na gut, dann schauen wir mal, wie gut du dir das merken kannst.” Er zeigte auf das Bild eines älteren Mannes, auf dessen Schoß zwei Jungs unruhig saßen. “Das ist mein Großvater Nikolaus und meine Neffen Tyler und Steven.”
“Die Söhne von Claudia und Klaus”, ergänzte Katrin und zeigte auf das Foto der beiden.
“Genau”, bestätigte Nicholas beeindruckt. “Wie wäre es wenn du weitermachst?”
“Gut. Das ist deine Mutter Natascha und dein Vater Nikolai”, begann Katrin und zeigte auf ein Bild von den beiden mit ihren Enkelkindern. “Das ist deine Schwester Nicole und das müsste dein Bruder Nick sein”, fuhr sie fort und zeigte auf ein Foto der beiden.
“Richtig”, bestätigte Nicholas erneut, noch beeindruckter als zuvor, “wirklich gut. Du solltest für das Abendessen gewappnet sein.”
“Dann bin ich ja beruhigt”, versuchte Katrin ihre Angst zu überspielen. Sie war alles andere als ruhig und hatte schon jetzt etwas Panik davor die Familie Maros kennenzulernen.
“Das wird schon.” Nicholas strich ihr aufmunternd über den Arm und Katrin konnte das Lächeln nicht unterdrücken.

“Darf ich noch ein bisschen durchs Dorf schlendern bis zum Abendessen?”, bat Katrin, als er sie wieder losgelassen hatte.
“Ich darf dich leider nicht alleine gehen lassen, aber ich begleite dich gern.”
“Danke.”
Auf Katrins Wunsch gingen sie noch einmal zu den Rentieren, die heute auf der Wiese hinter den Stallungen grasten. Besonders die Kleinen hatten es Katrin angetan. Sie tollten miteinander und es war einfach wunderbar anzusehen.
“Danke, dass du mich hierher eingeladen hast”, war alles was Katrin dazu sagen konnte, während sie weiterhin die Kälber beobachtete.
“Gern”, erwiderte Nicholas mit einem leichten Lächeln. “Ich werd mal den Trog auffüllen”, wechselte er das Thema und ging in den Stall zurück.
Katrin lehnte sich einfach weiter auf das hölzerne Gatter und beobachtete die Rentiere.

Als es Abend wurde und sie noch einmal eine Runde durchs Dorf gedreht hatten, brachte Nicholas sie ins Esszimmer, das bereits von Bratenduft aus der anliegenden Küche erfüllt war. Nicholas’ Großvater saß am Kopfende des Tisches, Nicole stellte Teller an die verschiedenen Plätze, während ihr Vater das Gleiche mit dem Besteck tat. Als Nicholas und Katrin den Raum betraten hielten sie inne. Nicole lächelte den beiden breit zu, während Nikolaus Katrin misstrauisch anstarrte. Nikolai kam ihr entgegen und reichte ihr die freie Hand.
“Schön Sie kennenzulernen, Katrin”, begrüßte er sie, auch wenn es nicht komplett aufrichtig klang.
“Gleichfalls, Herr Maros, es ist mir eine Ehre hier sein zu dürfen”, erwiderte sie mit einem Lächeln und meinte jedes Wort.
“Du hast ihr sogar unseren Nachnamen verraten, Brüderchen”, kommentierte Nicole grinsend.
Nicholas erwiderte darauf nichts und sah lediglich zur Seite, sein Großvater schnaubte verächtlich.
“Setzen Sie sich, Katrin”, forderte Nikolai sie auf und fuhr dann an seinen Sohn gewandt fort: “Hilf bitte deiner Mutter mit den Klößen.”
“Natürlich, Far.” Nicholas nickte und verschwand durch eine Nebentür.
Katrin setzte sich. Ihr war unbehaglich zumute, aber vermutlich wollte Nicholas’ Familie sich einfach nur eine eigene Meinung von ihr bilden.
“Wie hat Ihnen Ihr kleiner Aufenthalt in Joulky gefallen?”, fragte Nikolai sogleich.
“Es ist wirklich magisch hier”, antwortete sie wahrheitsgetreu, “es waren ein paar wunderbare Tage. Vielen Dank, dass ich das alles hier sehen durfte!”
“Durfte…”, schnaubte Nikolaus, “Der Bengel hat uns einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, indem er dich hergebracht hat.”
“Far! Bitte!”, ermahnte Nikolai seinen Vater.
“Nun nimm’ ihn nicht auch noch in Schutz! Nicholas hat sich das selbst zuzuschreiben! Erst offenbart er sich einer Außenseiterin und dann bringt er sie eigenmächtig einfach her! Ich hab doch gesagt, er ist noch nicht soweit den Schlitten zu fliegen!”, fuhr der Alte unbekümmert fort.
Katrin fühlte sich von Wort zu Wort schlechter. Kein Wunder, dass niemand gut auf sie zu sprechen war, wenn das Oberhaupt der Familie so über sie dachte. Dennoch konnte sie das nicht einfach hinnehmen. “Nicholas ist ein guter Pilot und es ist nicht seine Schuld, dass der Schlitten gestreikt hat!”
“Ach, jetzt kennst du dich mit Schlitten aus?!”, fuhr Nikolaus sie an.
“Nein, aber selbst ich erkenne einen verstopften Auspuff, wenn er neben meinem Fenster knallt”, antwortete sie so ruhig sie konnte.
“Der Auspuff war verstopft?”, mischte sich nun Nicole ein.
“Ja, es gab einen furchtbar lauten Knall und als ich aus dem Fenster gesehen habe, stand da der Schlitten mit einer Rußspur hinter dem Auspuff. Kurz danach hat Nicholas mich bemerkt und mich um eine Ofenbürste gebeten. Damit hat er den Schlitten wieder fahrtüchtig gemacht”, erklärte Katrin.
“Einfallsreich, hätte ich meinem kleinen Bruder gar nicht zugetraut…”, kommentierte Nicole.
Nikolaus schnaubte nur erneut, sagte aber nichts weiter, da sich die Tür öffnete und Klaus mit den Kindern hereinkam, die Katrin stürmisch begrüßten und sie sogar als Nicholas’ Freundin bezeichneten. Sie kam gar nicht dazu zu widersprechen, geschweige denn die Röte zu verhindern, die ihr ins Gesicht stieg. Kurz darauf kamen auch schon Claudia, Nicholas und seine Mutter mit den Speisen, die sie gleichmäßig auf dem Tisch verteilten. Als alle bereits um den Tisch saßen wurde die Esszimmertür schwungvoll geöffnet und der letzte Maros nutzte die Gelegenheit für einen entsprechenden Auftritt. Wie ein Wirbelwind umrundete er den Tisch, begrüßte seine Familie und nahm seinen angestammten Platz, nicht ohne vorher Katrin von allen Seiten zu begutachten.
“Kein schlechter Geschmack, Brüderchen”, kommentierte er, als er sich hinsetzte und erneut stieg den beiden die Röte ins Gesicht.
“Darum geht es doch gar nicht…”, brummte Nicholas und sah zur Seite.
“Genug davon, Nick! Lasst uns essen, bevor es kalt wird!”, bestimmte Natascha und sogleich griffen die Jüngsten nach der Schüssel mit den Klößen.

Das Essen schmeckte köstlich und die Unterhaltung blieb locker und offen. Nicholas’ Großvater ließ keine weiteren Spitzen von sich hören und schwieg den Rest des abends. Nur Nicole und Nick stichelten hin und wieder darüber, wie gut sich Katrin und Nicholas mittlerweile kannten. Ihre Mutter wollte lediglich wissen, was Nicholas Katrin gezeigt hatte und wie es ihr gefallen hatte.

Als schließlich alle satt waren, brachte Klaus seine Kinder ins Bett und Nicole ging in die Küche und kam kurz danach mit einer Kanne voll Grog und einem Tonkrug für jeden wieder. Nach dem ersten Grog zog sich Nikolaus zurück, nicht ohne Katrin noch einen letzten finsteren Blick zuzuwerfen, und auch Natascha und Nikolai ließen die jüngere Generation bald unter sich. Kurz darauf lockerte sich die Stimmung merkbar. Nicholas’ Geschwister erzählten mehr über ihre Fähigkeiten und gaben sogar eine kleine Vorstellung. Nicole ließ ein paar Flocken im Esszimmer schneien und Nick sandte einen kleinen Wirbelwind über den Fußboden. Da Klaus’ Fähigkeit darin bestand einen Blizzard heraufzubeschwören, beließ er es bei einer Erklärung und der Anekdote, dass er schon einmal den Fußboden reparieren musste, als er seine Kräfte noch nicht kontrollieren konnte. Katrin fühlte sich wohl in der Runde und es machte ihr Spaß den Geschichten zu lauschen. Endlich schienen sie sich für sie zu erwärmen und das an ihrem letzten Tag. Ein wenig Trauer mischte sich in ihre Freude, aber sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen.

Sobald der letzte Tropfen Grog alle war löste sich die Runde auf, am nächsten Tag würde es wieder viel zu tun geben. Nicholas brachte sie auf ihr Zimmer und für einen Augenblick standen sie einfach nur da und sahen einander ratlos an.
“Das war ein schöner Abend”, bemerkte Katrin endlich.
“Ja, das lief besser als erwartet”, gab Nicholas zu und strich sich unsicher über den Hinterkopf.
Vielleicht war es der Grog, vielleicht war es sein verlorener Blick, aber irgendetwas ließ Katrin Nicholas umarmen. Sie drückte ihr Gesicht gegen seine Brust, höher reichte sie ihm nicht, und ihre Arme um seine Hüfte. Im ersten Moment rührte er sich nicht, dann legte auch er seine Arme um sie und hielt sie einfach nur fest. “Deine Familie unterschätzt dich”, offenbarte sie ihm, ohne loszulassen und ohne ihm von den ausfallenden Worten seines Großvaters erzählen zu wollen.
Nicholas zuckte nur mit den Schultern. “Ich bin halt nicht so wie meine Geschwister.”
“Das verlangt doch auch keiner. Du bist du und so bist du genau richtig”, erwiderte Katrin und löste sich etwas, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
“Gute Nacht, Nicholas”, schloss sie und ließ ihn los, aber nicht ohne ihm ein letztes Mal aufmunternd über den Arm zu streichen.
“Gute Nacht, Katrin”, entgegnete er und sie sah, dass er nicht wusste, wie er jetzt reagieren sollte. Auch sie war sich nicht sicher, was das Richtige war und bevor sie etwas Falsches taten, beschloss sie einfach in ihr Zimmer zu gehen. Noch einmal winkte sie ihm, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Behind the Scenes

Und da ist die ganze Bande mal an einem Ort. Einige der Szenen haben sich erst beim Schreiben ergeben, aber es machte das Ganze etwas runder. In der ursprünglichen Ausarbeitung der Geschichte in meinem Kopf endete der Abend auch etwas anders – und Katrin hätte ein Ali- Moment, das wäre ja ein Spoiler! 😀 Hab mich dann aber doch für diese Variante entschieden bevor ich die Notizen aufgeschrieben habe, auch wenn ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich meine eigenen Charaktere da wirklich richtig hab interagieren lassen … Meinungen? 😉

Natascha stammt übrigens auch von Eva-Maria Obermann und ja, hier war der Gedanke an Natascha Romanoff aka Black Widow ausschlaggebend für die Auswahl. Wer weiß, vielleicht war auch diese Natascha mal eine Spionin, die Joulky entdeckt hat und sich dann entschieden hat … ich schweife ab, schnell das neue Plotbunny fern halten …

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #11

Read in English

Die alten Santas

“Heute erzähl ich dir ein bisschen über meine Familie. Ein paar hast du ja bereits kennengelernt”, erklärte Nicholas gespielt dozierend, als er die Türen in das große Kuppelzimmer öffnete.
Ehrfürchtig ging Katrin in den Raum hinein und blickte sich um; überall um sie herum blickten Männer mit beeindruckenden Bärten von Gemälden auf sie herab. “Das sind alles Santas?”, fragte sie schließlich, als Nicholas die Tür geschlossen hatte.
“Die jeweils Obersten Santas zumindest, es gibt meistens mehr als einen pro Generation. So wie in unserer ja auch”, Nicholas wies sie zu einer Sesselgruppe in der Mitte des Raums. “Es ist Tradition, dass der älteste oder am besten dafür geeignete Mann einer Generation diese Aufgabe übernimmt. Momentan ist mein Vater der Oberste Santa.” Er wies auf das Gemälde über der Tür, welches einen Mann zeigte, der Nicholas nicht unähnlich sah, nur, dass er schon einen Graustich in Vollbart und Haar hatte. Unter dem Gemälde stand in geschwungenen Buchstaben ‘Nikolai’. “Allerdings wird mein ältester Bruder Klaus bereits dafür ausgebildet bald zu übernehmen. Fliegen lässt Mutter Vater jetzt schon nicht mehr”, ergänzte er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
“Nikolai, Nicholas, Klaus, das klingt nach Absicht”, vermutete Katrin und drehte sich zu ihm, woraufhin Nicholas auflachte.
“Ja, es ist Absicht. Irgendwann wurde mal festgelegt, dass unsere Namen alle ähnlich klingen sollen, um die Tradition zu wahren”, erklärte er, “Mein Großvater heißt sogar Nikolaus.”
“Das ist doch albern”, lachte Katrin.
“Wirklich? Was meinst du wie es ist damit aufzuwachsen gerufen zu werden und erstmal abzuwarten, ob es bei Nick bleibt oder noch weiter geht?”, scherzte Nicholas.
“Warum macht ihr es dann?”, wollte Katrin wissen.
“Weil es Tradition ist”, zuckte Nicholas mit den Schultern, “wir haben eine Weile versucht auch Jack-Varianten als Vornamen zu nehmen, als Jack Frost beliebt war, aber das hat sich nicht wirklich gehalten. Nur Claudia konnte sich bisher durchsetzen, dass ihre Kinder nicht dem Namensschema folgen. Das war ein Kampf mit Großvater…aber sie hat ihn gewonnen”, ergänzte er beeindruckt.
“Warte. Heißt dein Bruder dann Klaus Claus?”
“Claus?”, Nicholas lachte, “Nein, wir heißen nicht Claus, wir haben vor Ewigkeiten unseren Namen an das russische Väterchen Frost angepasst.” Als Katrin ihn verwirrt ansah, ergänzte er: “Djed Moros heißt es im Original und wir haben Maros daraus gemacht.”
“Nicholas Maros, also”, schlussfolgerte Katrin daraus und wurde etwas rot. Es war ihr peinlich, auch hier wieder auf die amerikanischen Filme hereingefallen zu sein.
“Genau.”

Die beiden schwiegen während Katrin langsam an den Bilderreihen entlang ging. Man merkte den Bildern ihr unterschiedliches Alter an, an einigen standen sogar Jahreszahlen, die weit in die Vergangenheit reichten.
“Deine Familie macht das schon ganz schön lange…”, kommentierte Katrin als sie vor einem Gemälde aus dem fünfzehnten Jahrhundert stand.
“Oh ja, ein paar noch ältere Gemälde sind sicher verwahrt in den Schubladen da hinten”, stimmte Nicholas zu.
“Wie läuft das überhaupt ab? Werdet ihr von Anfang an dafür ausgebildet irgendwann Geschenke auszuliefern?” Katrin setzte sich wieder auf den Sessel und sah Nicholas erwartungsvoll an.
“Nicht direkt. Wir müssen nach und nach verschiedene Aufgaben übernehmen und irgendwann willst du dann mit ausliefern oder zumindest so weit mithelfen, dass die anderen einen sorgenfreien Flug haben.”
“Du hast erzählt, dass du erst dieses Jahr das erste Mal ausliefern durftest, wieso hat das so lange gedauert?”
Nicholas lachte. “Ich bin das jüngste von vier Kindern, normalerweise würde ich gar nicht in die Situation kommen auszuliefern.” Als Katrin ihn verständnislos ansah führte er aus: “Du hast die Schlitten gesehen, wir hatten lange Zeit eigentlich nur zwei, den traditionellen und einen experimentellen Schlitten. Klaus hat, bis die Kinder kamen, den traditionellen gefahren, seitdem macht das Nick. Nicole als Älteste hat die Experimente übernommen, auch wenn Großvater es anfangs nicht gerne sah, dass eine Frau ausliefert. Dieses Jahr hatten wir dann drei Schlitten und Claudia hat vorgeschlagen, dass ich mitfliege, um die Effizienz zu steigern. Das ist alles.” Nicholas zuckte mit den Schultern.
“Ihr hört also auf sobald ihr Kinder habt?”
“Haha, nein, das ist nur Claudia’s Dickkopf. Sie möchte nicht, dass Klaus sich in Gefahr bringt und sie dann mit den Kindern alleine hier ist.”
“Ist das Ausliefern denn so gefährlich?”, wollte Katrin wissen.
“Naja, es kann immer mal was mit dem Schlitten sein…”, versuchte Nicholas abzuwinken, aber es gelang ihm nicht wirklich, “das Wetter kann manchmal auch sehr unberechenbar sein…”
“Warum macht ihr es dann?”, wollte Katrin nach einem Moment wissen.
Nicholas zuckte nur mit den Schultern. “Ich denke, weil es toll ist, zu sehen, wie sich die Kinder über unsere Geschenke freuen. Wunder, Hoffnung und Freude zu verbreiten ist es ja was wir eigentlich tun und gerade das ist doch das Wichtigste für Kinder oder nicht?”
“Ja, da hast du recht. Kinder brauchen einen Weihnachtsmann, auch wenn er mit seltsamen Schlitten fährt”, stimmte sie ihm zu und versuchte die Stimmung etwas aufzulockern.
“Hey, den Schlitten hat meine Schwester entworfen!”, verteidigte sich Nicholas mit einem Lachen.

“Wenn eure Arbeit so gefährlich ist, warum hat dann nur dein Bruder eine Familie?”, wunderte sich Katrin.
Nicholas sah sie verwirrt an. “Wie meinst du das?”
“Naja, braucht ihr dann nicht immer genügend Nachschub sozusagen?”, versuchte Katrin zu erklären und begriff, wie merkwürdig ihre Frage eigentlich war. “Vergiss die Frage einfach”, winkte sie ab, Röte auf ihren Wangen.
Nicholas schmunzelte. “Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ihm als Ältestem wurde angeraten schnell zu heiraten, dass er Claudia gefunden hat, war aber eher Zufall. Bei uns anderen ist das nicht so wichtig, wir dürfen uns die Hörner abstoßen, bevor wir uns eine feste Beziehung suchen, wovon Nicole und Nick ausgiebig Gebrauch machen. Gerade in der Weihnachtszeit stehlen sie sich gern zu Weihnachtsfeiern auf denen Nick leicht bekleidete Weihnachtsfrauen aufgabelt und Nicole zieht sich dementsprechend an, um sich selbst jemanden zu angeln.”
“Und du?”
“Ich strande zufällig vor irgendwelchen Häusern und lasse mir Ofenbürsten leihen”, scherzte Nicholas.
“An der Masche musst du aber noch üben”, kommentierte Katrin und knuffte ihn spielerisch in den Oberarm.
“Ich hätte gerne eine Familie, irgendwann, aber ich hab’s nicht eilig, mich drängt niemand”, offenbarte er ihr ernster.
Katrin wusste nicht, was sie daraufhin sagen sollte. Ja, sie hatte selbst nachgefragt, aber bedeuteten Nicholas’ Antworten, dass er sich insgeheim etwas mit ihr erhoffte? Unsicher sah sie zur Seite. Nicholas schien das ganz recht zu sein. Er stierte einfach vor sich hin.

“Du hast vorhin was von Hörner abstoßen gesagt. Gibt es eigentlich auch einen Krampus?”, änderte Katrin das Thema.
Verdutzt schaute Nicholas sie an und nickte dann kaum merklich, “Ja den gibt es. Ich könnte ihn dir zeigen …?”
Nachdem Katrin dies mit einem Nicken bestätigte und sich warm eingepackt hatte, führte Nicholas sie aus dem Hintereingang in des Esszimmers im Haupthaus hinaus. Hinter dem Haus thronte ein hohes Gebirge, dem sie sich immer weiter näherten. Der Wind pfiff ihnen um die Ohren und Katrin konnte sich gut vorstellen, wie die Fläche und Berge im Winter von einer hohen Schneeschicht bedeckt waren. Aber jetzt im Spätfrühling war davon kaum noch etwas zu sehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit näherten sie sich einer Höhle, die tiefer ins Innere des Gebirges führte.
“Bist du bereit?”, fragte Nicholas vorsichtig. Er stand im Höhleneingang und hatte sich mit besorgter Miene zu ihr umgedreht.
Katrin war sich nicht sicher. Aus Erzählungen von Freunden und ein paar Internet-Artikeln kannte sie Bilder von Leuten, die sich als Krampus verkleideten. Nun würde sie einem echten Krampus begegnen und so wie Nicholas sie ansah, würde es kein angenehmer Anblick werden. Ihr Herz begann zu rasen. War es wirklich klug gewesen, auch das sehen zu wollen? Sie schüttelte den Kopf und traf ihre Entscheidung: “Nein, aber jetzt sind wir hier.”
Nicholas lächelte verhalten und ging voran. Die Höhle war in den Stein gehauen, ein einfaches Loch im Felsen. Beleuchtet wurde der niedrige Raum von Fackeln an den Wänden, alten Fackeln, die rußig vor sich hin qualmten und flackerndes Licht verbreiteten. Nur langsam ließ Katrin ihren Blick zum eigentlichen Inhalt des Raumes schweifen. Die Flammen glitzerten auf dem meterdicken Eisblock in dem eine Kreatur eingeschlossen war. An Armen und Beinen mit metallenen Ringen festgekettet, starrte das Monstrum mit gelben Augen ins Leere, sein Maul war noch wie zum Schrei aufgerissen, sodass Katrin die scharfen Zähne sehen konnte. Noch furchteinflößender waren jedoch die großen, geschwungenen Hörner, die am Haaransatz begannen und deren Spitzen bis zum Hinterkopf reichten, ohne den Kopf weiter zu berühren. Der Körper war über und über mit zotteligem, braunen Fell bedeckt, die Beine endeten in Hufen, die Hände in scharfen Krallen. Das also war der Krampus. Vorsichtig berührte Katrin die Eisschicht, zog ihre Hand aber schnell wieder zurück. Das Eis war kälter, als alles, was sie je zuvor gespürt hatte.
“Es ist magisches Eis”, erklärte Nicholas daraufhin. Auch in seiner Stimme schwang etwas Angst mit, ihm schien es ebensowenig zu gefallen hier zu sein.
“Warum ist er eingefroren?”, hörte Katrin sich flüstern. Sie traute sich einfach nicht lauter zu reden.
“Er würde töten, sobald er freikommt. Deswegen müssen wir darauf achten, dass er nicht aus seinem Gefängnis ausbricht. Es kommt täglich jemand her um das sicherzustellen”, erklärte Nicholas.
“Können wir bitte gehen?”, bat Katrin, ein Zittern in der Stimme.
“Natürlich.”

Behind the Scenes

Weihnachten hat viele Mythen, daher habe ich versucht den klassischen Weihnachtsmann und den doch eher im Süden bekannten Krampus zu kombinieren, den es ja hier oben eher in der Form des Knecht Ruprecht gibt – auch wenn ich nie weiß, ob sie wirklich die Gleichen sind. Wie logisch mir das gelungen ist wird sich später vermutlich zeigen. Ansonsten weiß ich tatsächlich nicht, wie weit die Santas zurückgehen und wer der Anfang war und vor allem wann es angefangen hat. „Nikolaus von Myra„? „Väterchen Frost„? Irgendwer ganz anderes? Vielleicht fällt mir dazu eines Tages irgendetwas passendes ein.

Und ja, mit der Namenskonvention der „Klaus“e und „Nikola(e)us“e hab ich mir ein bisschen selbst ein Bein gestellt und für SEHR viel Verwirrung gesorgt unter den Gastautorinnen. Bei einer wurde Nicholas zu Nick und sorgte dann für Durcheinander. Nikolai stammt übrigens von Nebu, ebenso wie Claudia. Daraufhin beschloss ich den ältesten Santa, den sogenannten <Opa-Santa>, sogar Nikolaus zu nennen. 😀 Und ich glaube, wenn ich mich an meine ganz frühe Planungsphase erinnere, stammt Nicole sogar von InGenius, der ursprünglich auch mithelfen wollte/sollte, es dann aber doch nicht geschafft hat.

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #10

Read in English

Die Bibliothek

“Mach die Augen zu”, raunte Nicholas ihr zu.
“Damit ich gegen die nächste Wand laufe?”
Katrin mochte es nicht, wenn sie die Augen schließen sollte. Lieber sah sie ihren Weg direkt vor sich, als sich auf andere zu verlassen.
“Du wirst die Bibliothek nur ein einziges Mal zum ersten Mal sehen. Und es gibt den perfekten Ort dafür. Der liegt aber IN der Bibliothek und du würdest ein ganz anderes Bild von ihr haben, wenn du ganz normal durch die Tür gehst, am Bibliothekar vorbei musst und das alles. Ich habe mir schon oft gewünscht, mich nur einmal dort hinzustellen und einen ersten Blick auf den Raum werfen zu können.”
Er machte keine Anstalten, sie zu drängen oder zu betteln. Katrin war in sein Erzählen versunken und folgte seinen Schritten. Nicholas drehte sich um und grinste sie frech an, während er rückwärts weiter lief.
“Diese Chance kommt nur einmal, Katrin, aber wenn du nicht willst, lass es. Verpass den vielleicht zweitschönsten Anblick der Welt.”
“Und was ist der schönste?”
Sein Grinsen wurde noch breiter. Doch Verlegenheit mischte sich hinein, als seine Wangen rot wurden. Andererseits könnte das auch an den Temperaturen liegen. Katrin blinzelte gegen den beißenden Wind und wünschte sich, ein zweites Paar Socken angezogen zu haben. Überall rauschte und knackte es. Aus dem Stall hörte sie die Rufe der Rentiere.
Nicholas hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Scheinbar gab es keine Fettpfanne, die er auslassen konnte. Seine Ohren glühten und seine Handgelenke pulsierten. Mit den linken Fuß traf er auf die Kante der Treppe und konnte gerade noch stoppen. Schnell wandte er sich um. Das Dorf war sein Zuhause. Er fand hier blind jeden Weg, kannte jedes Versteck und hatte sich doch noch nie so verloren gefühlt.
“In Ordnung”, sagte Katrin hinter ihm und legte ihre Hand in seine. Ein süßes Zittern ging durch seinen Körper und schnell fasste er zu. Er hatte nicht gelogen, gleich würde er Katrin einen seiner Lieblingsorte zeigen. Und er wusste, dass er die Bibliothek nie mehr mit den gleichen Augen sehen würde. Fast wünschte er sich, auch ihn würde jemand führen, so dass er mit ihr diesen Moment einfangen könnte.
Katrin spürte, wie Nicholas sich kurz versteifte, als sie seine Hand ergriff. Sie wollte schon zurückweichen, im Wissen einen der dämlichsten Fehler überhaupt gemacht zu haben, als seine Finger sich um ihre schlossen. Sie atmete tief ein und schloss die Augen. Nicholas gab vorsichtig den Weg vor. “Stufe”, sagte er, “Recht”, “Links”, “Tür”. Das alles hätte sie gar nicht gebraucht. Instinktiv wusste sie, wann sie warten und wo sie den Fuß heben musste. Vielleicht sendete er minimalistische Signale aus, ein Drücken, ein Ziehen, ein leichtes Streifen mit den Fingern über ihren Handrücken. Katrin hätte es nicht sagen können. Doch sie genoss den Klang seiner klaren Stimme genauso wie die sanfte Berührung.

Er öffnete ein große Tür und warme, trockene Luft schlug ihr entgegen. Sie schnappte und spürte sofort den Schweiß in ihrem Gesicht. Nicholas ließ kurz ihre Hand los und sie war verloren. Sollte sie die Augen öffnen und ihn am Ende enttäuschen? Oder vertrauen? Da war er schon wieder bei ihr, der kühle Zug in ihrem Rücken ließ nach und er half ihr aus der Jacke. Schon fühlte sie wieder seine Finger, die sich unsicher an ihre schmiegten.
“Komm”, flüsterte er und zog sie mit sich. Katrin suchte nach dem typischen Geruch von staubigen Büchern und Poliermittel, doch er war nicht da. Es roch nach frisch gedruckter Zeitung, frisch gepresstem Papier, und eine makellos saubere Luft hieß sie willkommen. Sie musste sich beherrschen, nicht die Augen zu öffnen, und nachzusehen, was in dieser Bibliothek vor sich ging.
Es war auch nicht mucksmäuschenstill, wie sie es erwartet hätte. Getuschel, dass sie nervös machte, ein Ruckeln, wie von einer Maschine. Doch Nicholas zog sie weiter und die Geräusche blieben zurück. Er führte sie durch Gänge und über Treppen, unter ihren Füßen knarrte der Holzboden und plötzlich hörte sie das leise Knautschen von Teppich. Sie war so versunken in die Gerüche und Geräusche, dass sie nicht auf Nicholas achtete. Sie prallte auf ihn, spürte seine Brust an ihrer Wange, sein Herz klopfte dagegen. Die Vibration vermischte sich mit ihrer eigenen Nervösität und sofort erstarrte sie.
“Ich nehme an, wir sind da”, krächzte sie leise und hörte sein warmes Lachen. Er griff ihre Schulter und drehte sie um. Die Wärme seines Körpers im Rücken hielt Katrin den Atem an. Er umfasste ihre Hände und sein Atem kitzelte in ihrem Nacken. “Jetzt.”

Mit einem neuen Atemzug öffnete Katrin die Augen. “Ach du meine …”
Nicholas hatte sie auf einen Balkon geführt, von wo aus sie auf die abertausende Bücherregale blicken konnte, die scheinbar kein Ende nahmen. Katrin las schon immer gern, aber dass es so viele Bücher gab, wusste nicht einmal sie. Die Regale erstreckten sich mehrere Meter in die Höhe und ihre Breite konnte Katrin nicht einmal ausmachen. Bücher aller Coleur und Größe waren sorgfältig einsortiert.
Katrin beugte sich vor und fasste eine bestuckte Brüstung. An jedem Regal brannten schummrige Lichter, die gemeinsam ein strahlendes Leuchten erzeugten. Ihr gegenüber war ein Gang, mit ebenso einem Balkon, wie der, auf dem sie gerade Stand. Dahinter gingen mehrere Türen ab. In dem Moment öffnete sich eine der Türen, die alle gleichermaßen unscheinbar wirkten. Ein Mann um die fünfzig kam heraus, zwei weitere Bücher im Arm. Er klopfte sich Sand von den Schuhen und sah abrupt auf. Katrin fühlte sich entblößt. Wieder eine Person, die ihr offene Ablehnung entgegen brachte. Aus der Entfernung konnte sie sein Schnauben sehen.
“Dürfen wir hier sein?”, fragte sie und drehte sich um. Nicholas starrte sie an, war aber offensichtlich in Gedanken versunken. Ein verträumtes Lächeln auf seinem Gesicht und das leichte Zucken seines Mundes, als würde er sich Vorstellen, mit jemandem zu reden. Eigentlich hätte sie ihm gern ewig zugesehen. Doch sein Blick fand ihre Augen und er kam zu sich.
“Ähhh.”
“Dürfen wir eigentlich hier sein?”, half sie ihm auf die Sprünge.
“Ja, natürlich. Warum?”
“Da kam eben ein Mann aus der Kammer da drüben und war offensichtlich nicht begeistert, dass wir hier sind.”
Nicholas konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Katrin verdutztes Gesicht machte es nicht besser. Aber woher sollte sie das auch wissen?
“Das ist keine Kammer”, brachte er schließlich hervor und deutete hinter sich.
Auch dort waren Türen, die genauso aussahen, wie die auf dem Gang gegenüber.
“Was dann?” Neugierig ging sie an Nicholas vorbei und geradewegs auf eine der vermeintlichen Kammern zu.
“Das würde ich mir gut überlegen, junge Frau”, hielt eine trockene Stimme sie auf. Sie fuhr herum. Da war er, der Mann von der anderen Seite des Raums. Wie war er so schnell hier her gekommen?
“Du solltest besser auf sie aufpassen”, mahnte der Fremde Nicholas, der immer noch schmunzelte.
“Was ist denn an dieser Tür so gefährlich?”
“Es ist ein Portal”, sagte Nicholas. Er zeigte auf die andere Seite. “Das sind alles Portale.”
“Und warum mussten wir dann in den Wald, statt einfach durch eine Tür zu gehen?” Katrin war fassungslos.
“Weil diese Türen in andere Bibliotheken führen. Genau genommen in alle Bibliotheken, die sind und jemals waren. Aber zurück geht es nur, wenn man genau weiß, wo diese Türen sind.”
Der Fremde wies sie an, ihnen zu folgen und Nicholas gehorchte seufzend. Katrin hätte sich gewünscht, dass er wieder ihre Hand nahm. Gerade fühlte sie sich noch verlorener, als vorhin, als sie nichts gesehen hat.
“Was meinen Sie damit, dass sie auch zu allen Bibliotheken gelangen können, die jemals waren.”
“Was glaubst du, wie wir dein Buch beschafft haben?”
Sie fühlte sich unangenehm ertappt. Ja, was hatte sie gedacht? Dass der Weihnachtsmann eines für sie auf Reserve gehabt hatte?
“Sie meinen, es ist …”
“Ausgeliehen, eingescannt, neugedruckt”, beendete der Fremde ihren Satz und Katrin atmete heimlich auf. Sie kamen die Treppe hinunter und nun erkannte sie, was vorhin so seltsam mechanisch geklungen hatte. Eine Reihe von Druckerpressen arbeiteten fleißig vor sich hin und ein Buch lag links daneben auf einem automatischen Scanner, der sorgfältig umblätterte und eine neue Seite abspeicherte.

“Du darfst Ephraim nicht so ernst nehmen. Er ist gerne mit seinen Bücher für sich. Und wer kann ihm das schon verübeln”, flüsterte Nicholas Katrin zu. Trotzdem blieb das mulmige Gefühl, wieder einen Menschen hier getroffen zu haben, der nur wollte, dass sie schnell wieder verschwand. Dabei musste sie Nicholas recht geben, die Bibliothek war umwerfend schön. Zu gerne hätte sie in ihr gestöbert und auch den ein oder anderen Ausflug durch eine der Türen gemacht.

Nicholas seufzte leise, als er die Jacken holte. So hatte er sich den Ausflug in die Bibliothek nicht vorgestellt. Dass Ephraim, der Bibliothekar, ausgerechnet zurück kommen musste, wenn er Katrin den phänomenalen Ausblick über die Bücherreihen zeigte und dann auch noch so offensichtlich schlechte Laune hatte, war ein weiteres Unglück in diesem unverhofften Besuch. Wieso war das alles so schwer?

“Seien Sie vorsichtig”, murmelte Ephraim neben Katrin.
“Bitte was?” Der Kerl wurde ihr langsam unheimlich.
“Mit Nicholas. Seien Sie vorsichtig.” Er warf einen fast väterlichen Blick in Richtung des Santas, der gerade mit den Mänteln zurückkam und den Blick gesenkt hielt.
Katrin unterdrückte die Hitze, die sich auf ihren Wangen ausbreiten wollte. Gab es da überhaupt etwas, weswegen sie nicht vorsichtig sein musste? So sicher war sie sich da gar nicht.
“Versprochen”, sagte sie trotzdem. Wenn da etwas war, würde sie vorsichtig sein. Es war ein Wunder, das sie unbedingt bewahren wollte.
Er nickte und reichte ihr ein Buch. Sie erkannte es sofort. Es war der dritte Teil einer Reihe, die sie gemocht und aus einer Laune der Natur einfach noch nicht gekauft hatte.
“Woher?”, fragte sie, doch Ephraim lächelte sie zum ersten Mal an und zwinkerte.
“Vielleicht möchtest du noch einmal herkommen.”
“In die Bibliothek?”
Er beugte sich vor und legte den Kopf leicht schief. “Auch”, flüsterte er. Im nächsten Moment legte Nicholas ihren Mantel um sie und Ephraim ging mit einem letzten Zwinkern zurück an seine Arbeit.

Behind the Scenes

Ich sagte doch Eva-Maria Obermann führt uns in einen noch magischeren Ort. Die Bibliothek! Ist sie nicht wunderbar? Als Vorbild sollte das Bibliotheksprinzip der Scheibenwelt von Terry Pratchett gelten und ich finde, das hat sie gut umgesetzt. 🙂
Und auch hier hat sie wieder ihr Talent für tolle Namen spielen lassen, Ephraim passt irgendwie zu diesem doch etwas zauberhaften Bibliothekar und das nicht nur wegen Lessing. 😉

Außerdem gab es hier eine sehr lustige Korrektur, denn Eva beschrieb Nicholas und Katrin ursprünglich als gleichgroß, bis ich sie darauf hinwies, dass Katrin etwas kleiner ist. Das besserte sie dann aus, übersah aber die zweite Hälfte des Satzes, dadurch rutschte Nicholas‘ Herz dann in seinen Bauchraum. Wir haben sehr gelacht. :’D

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #9

Read in English

Die Fabrik

“Die Fabrik. Komm mit.” Mit langen Schritten lief Nicholas vorweg über den Marktplatz. Katrin beeilte sich, hinterherzukommen. Das Portal war ihr ein wenig unheimlich. Schließlich konnte man nicht wissen, ob man versehentlich hineingezogen würde, und wo man dann auf der anderen Seite herauskäme. Besser, sie machte einen Bogen drum herum, was ihr einen fragenden Blick von Nicholas bescherte, bevor er die Fabriktür öffnete. Sie antwortete mit einem Schulterzucken und trat ein.
Für den Moment wähnte sie sich im Kindergarten. Die kleinen Wichtel wuselten durch die Halle. Sie verteilten Listen an verschiedene Stationen, an denen scheinbar normale Menschen standen und arbeiteten. Es roch nach Holz und Kleber. An unzähligen Tischen wurde gehämmert, gebohrt, geschraubt und geschliffen. Eine Nähmaschine ratterte. Kommandos wurden durch den Raum geworfen. Rechter Hand waren bunte Kartons gestapelt. Die Aufdrucke kamen ihr bekannt vor – Bausteine, Puppen, Puzzle, Autos – alles, was man unter Weihnachtsbäumen alljährlich finden konnte. Ein Wichtel war dabei, einen Karton zu wählen und zum anderen Ende der Halle zu tragen. Eine Arbeiterin nahm ihn in Empfang und inspizierte den Inhalt. Das Auto schien ein paar Macken zu haben. Sie griff sich einen Schraubenzieher und begann mit der Reparatur.
“Aber”, Katrin wandte sich Nicholas zu, “wird das Spielzeug nicht selbst hergestellt?”
Er lächelte entschuldigend. “Das wäre unwirtschaftlich. Wir bessern die B-Ware aus. Ist dann quasi wie neu.”
“B-Ware?”
“Warum nicht? Peter aus deiner Gruppe hat doch nichts davon gemerkt, dass der Traktor ausgebessert war.”
Sie erinnerte sich tatsächlich an die begeisterten Berichte von seinem Geschenk. Trotzdem. Es war irgendwie unweihnachtsmannmäßig. “Aber …”
“Natürlich machen wir auch Einzelanfertigungen. Wenn wir für Wünsche absolut keine B-Ware auftreiben können. Oder eine Puppe in dem gewünschten Kleid nicht verfügbar ist. Aber in der Regel nicht mehr als fünfzig im Jahr.”
“Fünfzig?”
“Ganz schön viel, nicht wahr? Unsere Arbeiter sind höchst effizient. Ich würde dir gerne mehr zeigen. Aber du siehst ja, hier ist viel los.”
Katrin warf einen Blick durch die Halle. “Ja. Das sehe ich.”
“Komm!”
“Aber …” Vielleicht ließ sich herausfinden, ob Lucy aus ihrer Kindergartengruppe die heiß ersehnte Puppe mit Tütü bekommen würde, von der sie jetzt schon dauernd sprach. Dann könnte Katrin sie in ihrer Hoffnung bestärken. Wo sie ja schon mal hier war.

„Das ist vermutlich eine alberne Frage, aber sind die Arbeiter normale Menschen?“, fragte sie stattdessen.
Nicholas lachte auf. „Ja, das sind sie. Ganz normale Menschen“, bestätigte er und fügte nach einer kleinen Pause in der er sie ansah, etwas leiser hinzu: „So wie du.“
„Und wie finden sie hierher oder habt ihr einen Vertrag mit dem Arbeitsamt für besonders verschwiegene Mitarbeiter?“, hakte Katrin nun neugierig nach.
„Die meisten finden uns, sie suchen etwas und landen hier, so wie Carlos zum Beispiel. Manchmal stellen wir aber auch wirklich Stellenanzeigen ein, so kam zum Beispiel Claudia zu uns. Die Bewerbungsgespräche führen wir aber zunächst außerhalb des Dorfs und erst wenn wir uns sicher sind, dass der potentielle Mitarbeiter zu uns passt, bringen wir ihn oder sie her zum Probearbeiten“, erklärte er schmunzelnd.
“Und wie finanziert ihr das alles? Eure Arbeiter müssen ja auch von irgendetwas leben?”, fuhr Katrin fort.
“Ein Teil kommt vom Verkauf überschüssiger Spielzeuge. Da wir nicht genau wissen können, was sich die Kinder jedes Jahr wünschen, bauen wir einen Regelsatz aus den beliebtesten Sachen, manchmal ist das zu viel, weil sich andere Sachen gewünscht werden, und den Überschuss stellen wir dann in einem Online-Shop zum Verkauf”, erklärte Nicholas der erstaunten Katrin.
“Das heißt, man kann echtes Spielzeug vom Weihnachtsmann online kaufen?”
“Genau”, bestätigte Nicholas mit einem Grinsen.
“Und der andere Teil?”
“Der kommt tatsächlich aus Steuern. Einer Art Weihnachtssteuer, die gezahlt wird, sobald jemand einen Weihnachtsmann oder etwas damit verbundenes irgendwo verwendet. Zum Beispiel, wenn ein neuer Weihnachtsfilm gedreht wird, geht ein Teil der Steuerabgaben aus der Produktion und den Einnahmen an uns. Wir bekommen auch einen Teil der Bezahlung der Mall Santas in Amerika und anderen, die sich entsprechend verkleiden und dafür bezahlt werden. Oder beim Verkauf von Weihnachtsmann-Kostümen oder oder oder. Es ist erstaunlich wie viel dadurch zusammenkommt, wir können fast das ganze Jahr mit den Einnahmen aus der Weihnachtszeit wirtschaften.”
“Wow, das ist ja wirklich wie ein kleines Unternehmen…”
“Natürlich. Wir machen zwar Kindern eine Freude, aber wie du schon sagst: Von irgendwas müssen wir ja auch leben”, schloss Nicholas mit einem Lächeln und reichte ihr seinen Arm. “Und jetzt die Bibliothek. Was meinst du?”
Das klang ganz wunderbar. Mit einem leisen Seufzer folgte sie ihm hinaus.

Behind the Scenes

Eine kleine Fabrikführung mit der zweiten Hälfte von Paula Roose Kapitel gibt es heute. Hier mussten wir noch ein paar Sachen ergänzen, über die ich mir zwar im Vorfeld Gedanken gemacht habe, aber es irgendwie nicht in den Weltenbau geschrieben habe…denn, Wie finanziert sich eigentlich das Weihnachtsdorf? Den Absatz hab ich dann noch schnell ergänzt und aus den Helfern in der Fabrik wurden dann auch richtige Arbeiter, ich wollte einfach keine Weihnachtselfen… ich weiß nicht warum, aber es könnte eventuell Newmoon’s Schuld sein… und die unzähliger Klischee-Weihnachtselfen-Dingsies…

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #8

Read in English

Produktionsgeheimnis

Der Wind strich über ihr Gesicht, riss ihr die Mütze vom Kopf und wirbelte die Haare durcheinander. Katrin fuhr hoch – und fand sich in ihrem Bett. Glückselig ließ sie sich ins Kissen fallen. Die ganze Nacht ging das schon so, sie hatte kaum geschlafen und konnte nicht anders, als ständig zu grinsen. Es fühlte sich noch immer an, als würde sie neben Nicholas im Schlitten sitzen und fliegen. Wenn es nach ihr ginge, dann bräuchte das Gefühl auch gar nicht mehr zu verschwinden. Sie könnte ewig hier liegenbleiben und zurück in ihren Traum kriechen. Aber dann stand sie doch auf und setzte sich ans Fenster. Man konnte den Marktplatz von hier sehen, das Portal und rechter Hand den Schuppen mit den Schlitten.
Es klopfte. Erschrocken sprang sie auf. Sie war nicht angezogen, ihre Frisur völlig derangiert. So konnte sie doch nicht … “Moment, bitte!” Flugs schlüpfte sie in die überdimensionierten Wärmeklamotten, bündelte ihr Haar zu einem Zopf und öffnete noch immer breit grinsend die Tür.
“Guten Morgen”, begrüßte sie Nicholas freudig und spürte ihr Herz bei seinem Anblick einen Hauch schneller schlagen.
“Guten Morgen”, erwiderte er ebenso lächelnd. “Frühstück ist fertig.”
“Ich komme.”

Das Esszimmer der Santas war verlassen, als sie Nicholas dorthin folgte. Sie bedauerte, die anderen Familienmitglieder nicht treffen zu können, doch der Stapel Pancakes auf dem Tisch samt Duft im ganzen Raum machten das schnell wieder wett. Mit knurrendem Magen langte sie zu. Wenn sie länger hierbliebe, würde sie wahrscheinlich ernsthafte Gewichtsprobleme bekommen, so hungrig, wie Weihnachtsdorfluft und Schlittenfahrten sie machten.
Nicholas beobachtete sie grinsend. “Heute zeige ich dir die Fabrik, unsere Poststelle und die Wunscherfüllungsroutine.”
“Wunscherfüllungsroutine?”
Er nickte. “Ohne die läuft hier gar nichts. Unsere Wichtel sammeln jedes Jahr Millionen von Briefen ein. Ohne ein festes System könnten wir dem gar nicht gerecht werden. Und enttäuschte Kinder sind für uns eine Katastrophe.”
“Aber die unartigen? Die sind doch auch enttäuscht.”
“Enttäuschte brave Kinder.”
Sie stopfte sich schnell den letzten Bissen in den Mund. “Ich bin soweit.” Sein erneutes Grinsen ließ sie erröten. Aß sie etwa zu viel?
“Gut, dann los.”

Ihr Herz pochte noch einmal wild, als sie am Schuppen mit den Schlitten vorbeigingen. Ob sie fragen könnte? Nicholas bemerkte ihren sehnsüchtigen Blick offensichtlich nicht und schritt zielstrebig weiter, am Schuppen vorbei zur Fabrik. Im Vorraum traten sie sich gründlich die Füße ab – “Carlos kann Schmutz nicht ausstehen”, erklärte Nicholas kurz –, öffnete eine Tür, auf der mit schnörkeliger Schrift Poststelle stand, und trat ein.
Katrin blieb auf der Schwelle stehen. Sie blickte in einen hellen Raum, die Wände mit Holzregalen ausgefüllt, die wiederum mit überquellenden Kisten gefüllt waren. Vor den Regalen wirbelten zwergähnliche Wesen mit Baskenmützen und karierten Hemden, nicht nur hin und her, sondern über Leitern auch auf und ab. Eines der Wesen zog eine Kiste aus dem Regal und trug sie hinüber zu einem weißen Kasten, der es an Größe und Breite überragte. Auf Augenhöhe des Wesens prangte ein Monitor. Eine kleine Dame mit Hütchen und Tweetrock nickte dem Träger zu und zeigte auf eine Stelle, wo die Kiste abgestellt werden sollte. Sie griff sich einen Brief, überflog ihn, nickte, warf einen Blick auf den Monitor, scrollte, scrollte, scrollte, nickte noch mal und der Brief landete neben dem Kasten in einem Sack. Der nächste Brief wurde genauso behandelt, landete aber nach dem finalen Nicken nicht im Sack, sondern in einem Schlitz direkt unter dem Monitor.
“Hier beginnt die Wunscherfüllungsroutine”, erklärte Nicholas. “Die Wichtel im Außendienst sammeln die Briefe an Santa ein und bringen sie zu einer Sammelstelle, dort werden sie von einem Postbeamten geholt und morgens zusammen mit den Briefen aus Weihnachtsmann Postämtern hergebracht – und ja, solche Orte gibt es, in Himmelpfort habt ihr eines in Deutschland. Ein paar übereifrige Kinder schreiben zum Glück ihre Wunschzettel schon früh im Jahr, die bekommen dann aber auch was im Ersten stand und nicht das, was sie sich eventuell später noch wünschen. Gerade wenn die Dankesbriefe abebben, trudeln die ersten Wunschzettel schon ein, sodass die Poststelle fast das ganze Jahr zu tun hat. Die Wichtel hier sortieren die Briefe. Wer in den letzten drei Jahren beschenkt wurde, wird direkt aussortiert, die anderen werden gescannt.”
“Die Kinder werden nur alle vier Jahre beschenkt?”
Nicholas grinste. “Aber nein. Wir lassen uns traditionell von den Eltern helfen.”
Katrin beobachtete die Wichtel noch einen Augenblick. Sie schenkten ihr keinerlei Beachtung, schienen ganz in ihrem Element zu sein. Nicholas führte sie weiter zur anderen Seite des Kastens. Dort kam der eben gescannte Brief aus einem Schlitz heraus. Eine Wichtelin las ihn sorgfältig, schaute auf einen Monitor, wieder auf den Brief und den Monitor, bis auch sie die Prozedur mit einem Nicken abschloss und den Brief in einen anderen Schlitz verschwinden ließ.
“Hier werden die Wünsche auf Erfüllbarkeit geprüft”, sagte Nicholas. Die Wichtelin warf ihm bei diesen Worten einen Blick zu.
Katrin selbst fühlte sich, als wäre sie Luft. “Hier werden die Wünsche also abgenickt. Und wenn sie nicht erfüllbar sind?”, fragte sie und erhob leicht ihre Stimme, was aber bei der Wichtelin keine Beachtung fand.
Nicholas zuckte mit den Schultern. “Dann lassen wir uns etwas einfallen.”
“Und wohin verschwinden die Briefe in diesem Schlitz?”
“Dort hinten.” Er zeigte zur Kopfseite des weißen Kastens. “Abschließend wird überprüft, ob das Kind brav war oder eben nicht.”
“A – ha. Und das ist dann die Wunscherfüllungsroutine?”
“Genau.” Wie auf Befehl sprang eine Tür am Ende des Raumes auf und ein Wichtel mit einem riesigen Fächerordner kam heraus.
“Lass auf!”, rief Nicholas ihm zu und deutete Katrin an, ihm zu folgen.

Hinter der Tür befand sich ein Schreibtisch und dahinter wiederum Carlos, der gerade konzentriert einen Brief las.
“Guten Morgen”, sagte Nicholas und zu Katrin gewandt: “Hier arbeitet Carlos, Angestellter und gute Seele unserer Poststelle.”
“Guten Morgen”, antwortete Carlos fröhlich, erblickte Katrin und hob die Augenbrauen. “Und Sie sind?”
“Das ist Katrin”, antwortete Nicholas.
“Die Briefschreiberin”, sagte Carlos tonlos.
Katrin verstand die Bemerkung nicht. “Eine von vielen, wie ich sehe.”
“Wie man sieht”, antwortete er, warf Nicholas einen Blick zu und steckte den eben gelesenen Brief in eine Fächermappe.
Katrin schaute irritiert zwischen den beiden hin und her. War Carlos errötet oder bildete sie sich das ein?

Nicholas nahm ihren Arm. “Und jetzt stelle ich dir meine Schwägerin Claudia vor.” Er führte sie aus dem Büro heraus und öffnete eine Tür mit der Aufschrift: Planungsbüro. Claudia lag halb auf einem Tisch, studierte darauf eine Weltkarte und tippte Koordinaten in ihr Handy. Sie schaute kurz auf, sagte: “Ah, der Besuch” und widmete sich wieder der Karte. Plötzlich fuhr sie hoch, fuchtelte mit den Händen, bis aus ihren Fingerspitzen Strukturen flossen, die sich vor ihren Augen verdichteten und zu einer dreidimensionalen Landkarte formten. Claudia suchte darauf Punkte, zeichnete eine Linie und übertrug sie in eine Liste.
“Claudia plant unsere Flugrouten. Sie ist ein echtes Ass darin. Ohne sie wären wir doppelt so lange unterwegs und könnten die Kinder nur alle sieben Jahre beschenken”, erklärte Nicholas.
“Wenn ihr Überstunden macht”, warf Claudia mit einem spöttischen Lächeln ein, ohne von ihrer Tätigkeit abzulassen.
“Und sie kann Landkarten in die Luft schreiben”, bemerkte Katrin.
“Und was für welche”, antwortete Nicholas und nahm wieder Katrins Arm. “Aber wir sollten sie nicht stören, sonst verplant sie sich und wir müssen wirklich Überstunden machen.” Er zwinkerte Claudia zu und führte Katrin hinaus.

Vor der Tür holte sie tief Luft. “Sie mögen mich nicht so sehr hier, oder?”
“Naja”, Nicholas errötete, “Besuch gehört nicht zu unserer Routine.”
“Zeigst du mir deine magische Fähigkeit nochmal?”
“Aber gerne.” Mit einem breiten Grinsen entblößte er seine Handgelenke, ließ Eiszapfen heraustropfen und warf sie an den Türsims. Wie von Zauberhand reihten sie sich aneinander, schmückten den Rahmen wie ein Tor in einen Winterzauberwald.
“Ach”, sagte Katrin und spürte zum wohl tausendsten Mal an diesem Morgen ihr Herz pochen. “Und was machen wir jetzt?”

Behind the Scenes

Heute führt die Adventskalender-Großmeisterin Paula Roose uns in die Welt der Geschenke ein, einen kleinen weiteren Einblick wird es morgen noch geben, denn auch ihr Kapitel fiel der Teilschere zum „Opfer“. Hier mussten wir ein bisschen basteln, denn wenn verschiedene Autorinnen eine Geschichte schreiben, dann schreibt jede ein bisschen anders. Irina hatte in ihrem ersten Kapitel die Postlieferung mit dem Transporter beschrieben, bei Paula wuselten die Wichtel mit ein paar mehr Briefen rum (Die Bezeichnung stammt übrigens aus Eva’s erstem Kapitel, denn vorher hießen sie noch „Helfer“).
Wie also machten wir daraus etwas Stimmiges?
Wir führten zwei verschiedene Wichtel-Arten und übereifrige Kinder ein! 😀

Von Himmelpfort hab ich euch ja schon ein paar Mal erzählt, da war es doch nur richtig, es auch hier nochmal zu tun. 😉
Es ist übrigens Nebu zu verdanken, dass Katrin aus Deutschland kommt. Ihr Kapitel klang so sehr danach, dass ich es dabei belassen habe, auch wenn ich mehr an ein amerikanisches Setting gedacht habe. Aber so passt es viel besser. 😀

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #7

Read in English

Schlittenfahrt

“Und jetzt die Schlitten”, sagte Nicholas verheißungsvoll. Die Garage lag direkt neben dem Stall. Auch hier gab es ein komplexes Schloss.
“Ich dachte, euer Dorf könnte nicht von Fremden betreten werden”, sagte Katrin. “Warum müsst ihr dann alles doppelt und dreifach einschließen?”
Nicholas biss sich auf die Lippe und sah sich um, als wollte er sichergehen, dass niemand sie belauschen konnte.
“Nein, Fremde kommen nicht hierher. Und wenn du mich fragst, ist das alles ziemlich unnötig. Es gab hier früher auch Gefahren, ziemlich große sogar, aber das ist Jahre her. Ich selbst habe es nie erlebt, dass diese Schlösser von Nutzen gewesen wären. Aber ich mache hier auch nicht die Regeln.”
Er hielt die Tür auf und Katrin wollte sich insgeheim in den Hintern treten, dass sie überhaupt gefragt hatte. Offensichtlich bedrückte es Nicholas, auch wenn sie nicht sagen konnte, warum.
“Ich durfte dieses Jahr das erste Mal mithelfen und hab natürlich den alten Testschlitten meiner Schwester bekommen, die dieses Jahr den elektronischen ausprobieren wollte”, erklärte Nicholas mit einem stolzen, aber auch wehmütigen Lächeln.
Er deutete auf den Schlitten, den Katrin bereits kannte. Weniger schmutzig, als bei ihrem ersten Treffen und scheinbar repariert, denn der Auspuff zeigte eine feine Schweißnaht. Mit einer liebevollen Berührung fuhr Nicholas über das Metall. Rechts davon stand offensichtlich der Schlitten seiner Schwester Nicole. Er blitze nagelneu, war schmaler und graziler. Aber auch weit weniger charmant, fand Katrin. Wie eine Motorjacht neben einem Segelboot, eindeutig von Vorteil, aber der eigentlichen Fortbewegung die Magie raubend. Eine Pferdekutsche konnte an Atmosphäre auch jederzeit alle Sportwagen der Welt ausstechen.
Links von Nicholas Schlitten stand einer, wie Katrin sich ihn immer vorgestellt hatte. Weite Kufen, geschwungene Verzierungen, ein breiter Sitz hinten und weihnachtliche Bemalungen an den Seiten.
“Der gehört Nick, meinem Bruder.”
Der so klassische Schlitten war wie aus dem Bilderbuch und der moderne hätte viele Motorsportliebhaber sehr glücklich gemacht. Sie ließen Nicholas Hybrid zu einer traurigen Gestalt werden. Nicht das eine, nicht das andere, ein abgelegtes Spielzeug der großen Schwester. Katrin schluckte den Kloß in ihrem Hals weg.
“Das erste Mal dabei, hm”, murmelte sie und er nickte, versuchte zu lächeln.
“Und was sind sonst so deine Aufgaben, wenn du keine Geschenke auslieferst?”, hakte Katrin nach, ihre Arme hinter dem Rücken verschränkt.
“Ich habe keine bestimmte Aufgabe, ich helfe da aus, wo gerade jemand gebraucht wird. Beim Rentiere füttern, Schlitten oder Maschinen reparieren, eben da wo es was zu tun gibt”, erklärte er ihr und strich etwas Staub von dem Schlitten neben ihm.
“Möchtest du eine Spritztour machen?”, schlug er sogleich mit einem strahlen in den Augen vor.
“Geht das denn einfach so?” Ein leises Kribbeln war aufgetaucht, aus dem nichts, und hatte ihren Bauch in Beschlag genommen. Es kitzelte in ihrer Brust und Katrin verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ein richtiger Schlitten.
“Klar”, sagte Nicholas und strahlte endlich wieder. Das Kribbeln bekam einen neuen Höhepunkt, berührte ihren Hals. Sie biss sich auf die Zunge, um nicht loszuhüpfen wie ein Kind – ja wann – wie ein Kind an Weihnachten.
“Zum Schlitten warten gehört das Prüfen der Funktionstüchtigkeit immerhin dazu.” Er grinste frech und begann Nicks Schlitten nach vorne zu ziehen. Ihr waren die Worte ausgegangen. Sie wollte anpacken, mithelfen, während Nicholas sich abmühte und das Gefährt in die Mitte des Raumes zog.
“Setz dich schon mal rein”, sagte er und hielt ihr die Hand hin, um dabei zu helfen. Das war auch bitter nötig, der Einstieg ging Katrin bis zur Hüfte und schließlich hob Nicholas sie einfach hoch. Das Kribbeln hatte ihre Fingerspitzen erreicht, als er kurz hinauslief und nach ein paar Minuten mit vier Rentieren wiederkam. Obwohl Katrin die Tiere eben erst gesehen hatte, hätte sie nicht sagen können, wer wer war.

Fasziniert beobachtete sie, wie Nicholas die Tiere einspannte, schnell, sicher und trotzdem vorsichtig. Er klopfte den Tieren liebevoll auf den Hals und flüsterte ihnen Worte zu, die Katrin nicht verstehen konnte. Hin und wieder blickte er verstohlen zu ihr hinauf. Seinem Vater würde das ganz und gar nicht gefallen. Doch zum ersten Mal, war ihm das absolut egal.
Als er Shadow, Blanca, Paws und Salomon vor den Schlitten gespannt hatte, öffnete er das große Tor, machte kehrt und sprang mit einem Satz zu Katrin in den Schlitten. Er zwinkerte ihr zu, löste mit einem Handgriff die Bremse und schnalzte mit der Zunge. Für Katrin klang es genauso wie vorher im Stall, doch die Tiere verstanden sofort. Langsam zogen sie den schweren Schlitten aus der Garage. Dann rannten sie los.

Katrin wehte der eisige Wind ins Gesicht, sie blinzelte, eine Schneeflocke fiel ihr in das linke Auge, das sofort zu tränen begann. Schnell hielt sie sich am Griff des Schlittens fest und zuckte zurück, als ihre rechte Hand etwas Weiches berührte. Nicholas Hand.
Im nächsten Moment rumpelte es, sie duckte sich instinktiv. Als sie hochsah, blickte sie in sein lächelndes Gesicht. Ein frecher Zug um seine Augen und es rumpelte wieder. Energisch rappelte Katrin sich auf und erstarrte.
“Oh verdammt, wir fliegen”, flüsterte sie und Nicholas warmes Lachen drang durch den Gegenwind zu ihr. Sie strahlte ihn an. “Wir fliegen.”
“Natürlich”, sagte er, schnalzte mit der Zunge und die Rentiere beschleunigten.

Behind the Scenes

Und schon machen wir mit Eva-Maria Obermann eine Schlittenfahrt der besonderen Art. 😀
Hin und wieder gibt es Stellen in den Geschichten Stellen, die nicht nur von mir ergänzt, sondern auch aus meinen ursprünglichen Notizen stammten, denn manchmal gab es schon ein paar Dialoge und Szenen, die ich schon im Kopf hatte und die ich drin haben wollte. Hier gibt es zwei Stellen davon. Einmal die kurze Unterhaltung über Nicholas‘ Aufgaben und die Anmerkung, dass er zum ersten Mal fliegen durfte.
Bei der Beschreibung der Schlitten mussten wir auch noch kurz umändern, denn Eva hatte ein paar zu viel in die Garage geschrieben. 😀

Wer sich übrigens selbst mal am Schlittenfahren probieren möchte, hat die Chance das auf TOR.de zu machen – in Level zwei sogar mit Daleks! Viel Erfolg. 😉

Schlittenfahrt durch phantastische Welten

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #6

Read in English

Meeting Rudolph

Ungläubig schwenkte Katrin die Tasse und das Klackern des Eiswürfels an der Keramik, hoch wie ein Weihnachtsglöckchen, ließ sie stark an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Das gab es doch alles nicht. Weihnachtsmänner, magische Portale, Eiszauberei wie bei Disney. Sie schloss die Augen, schüttelte den Kopf. Die Begegnung mit Nicholas und dem Schlitten war absonderlich genug gewesen. Sie hätte es als Traum, als weihnachtliche Erscheinung, der Müdigkeit, dem Buch und vielleicht der Tasse Glühwein geschuldet, abtun können. Aber das hier. Sie fasste um die Tasse und spürte, wie die Hitze des Grogs verschwunden war, ein Frösteln zog ihren Arm hinauf. Schnell stellte Katrin sie auf den Küchentisch und stand auf.
“Ich will alles sehen”, sagte sie bestimmt und sah Nicholas direkt in die Augen.
Die gerunzelte Stirn verlieh ihm für einen Moment etwas Unheimliches. Dann, als hätte er ihre einsetzende Unsicherheit bemerkt, glätteten sich seine Züge und er lächelte sie an.
“Darum bist du hier.”
Von einer Sekunde auf die andere, war die Wärme aus seinem Blick gewichen. Wäre er ein Kind, würde sie ihm einen Schluck Saft geben oder einen Mittagsschlaf anordnen. Etwas ratlos sah Katrin sich um.
“Von hier stammen also die berühmten Plätzchen deiner Mutter?”
Da war es. Ein kleiner Funke in der Iris.
“Ja, die allerbesten auf der Welt. Wenn es nach den Wichteln ginge, würde sie den ganzen Tag nur in der Küche stehen. So müssen sie aber wohl oder übel auch mal mit denen vorlieb nehmen, die die Kinder ihnen hinstellen, oder Kindergärtnerinnen, die ebenso neugierig wie ihre Schützlinge sind.”
Die Hitze schoss in ihre Wangen, aber Katrin musste lachen. Nichts hatte sie bisher so neugierig werden lassen, wie dieses Geheimnis, in das sie eingetaucht war. Nicholas sprang auf und klatschte in die Hände. Der trübe Moment war verflogen und sein Gesicht strahlte geradezu.
“Also, womit willst du Anfangen?”
“Die Spielzeugfabrik”, antwortete Katrin wie aus der Pistole geschossen. Wie oft hatte sie sich das vorgestellt? Tausende Filme waren voll mit großartigen Szenen, bastelnden Elfen, tüftelnden Yetis und geschickten Wichteln. Sie wollte fliegende Eisenbahnen und frisch bemalte Puppen, einzigartige Schaukelpferde und zauberhafte Spieluhren sehen.
Nicholas biss sich auf die Lippe und senkte den Blick.
“Was?”, fragte Katrin.
Er presste die Lippen aufeinander und sie hörte sein ersticktes Lachen. Natürlich wollte sie die Fabrik sehen, was auch sonst. Die ganze Welt war noch neugieriger auf die Spielzeugherstellung als auf den Weihnachtsmann selbst. Trotzdem wollte er sie nicht auslachen. Es war nur so vorhersehbar. Also sagte er erst einmal nichts, versuchte, das Lachen zu unterdrücken und ihr Zeit zu geben, darüber nachzudenken.
Katrin musste sich eingestehen, dass sie zwar furchtbar neugierig war, aber ihre Erwartungen auch furchtbar verzogen. Das Treffen mit Nicholas, die Reise durch das Portal, magische Eiswürfel, wenn es das alles gab, war die Möglichkeit einer geheimen Spielzeugfabrik so naheliegend gewesen. Aber warum eigentlich? Weil man es ihr jahrelang eingetrichtert hatte. Sie atmete aus und versuchte alle Vorurteile, Erwartungen und Beeinflussungen los zu lassen. Nicholas war so anders, als sie sich einen Weihnachtsmann je vorgestellt hatte. Und sein Schlitten erst.
Ein Lächeln fand den Weg auf ihr Gesicht. Sie wusste, wo sie anfangen wollte.
“Zeig mir doch die Schlitten und Rentiere. Das letzte Mal hab ich im Dunklen ja nur einen Teil erkennen können.”
Nicholas lachte auf, verbeugte sich tief vor ihr und konnte doch sein Grinsen nicht verbergen.
“Ihr Wunsch ist mir Befehl.”
Gentlemanlike bot er ihr den Arm an und sie spielte mit, knickste, warf einen imaginären Rock zurück. Gemeinsam gingen sie hinaus.

Die Garage für die Schlitten lag rechts vom Haus, dahinter erkannte Katrin einen großen Stall. Der Geruch von Stroh, feuchtem Heu und Tier lag in der Luft, warm, belebend und doch fremd. Nicholas führte sie zuerst dorthin. Katrin war als Kind geritten, doch der Duft nach Rentier übertraf den der Pferde bei weitem. Herb und wie frisch aus einem Winterwald bereitete er sie auf das vor, was hinter der Stalltür lag.
Nicholas musste ihren Arm loslassen, um die komplizierte Verriegelung zu lösen und das Tor zu öffnen. Sofort intensivierte sich der Geruch und rauschte Katrin heiß um die Ohren. Hufe schlugen aufgeregt an Holz, ein Schnauben stieg auf, ein Dröhnen erklang, das den Boden zum Vibrieren brachte.
“Wie viele Rentiere habt ihr?”, fragte Katrin ehrfurchtsvoll. Leichte Panik flammte in ihr auf. Aus der Ferne an einen Schlitten gebunden war es das eine, hier aus nächster Nähe etwas ganz anderes, die imposanten Tiere zu sehen.
“Momentan haben wir vierzig, aber fünf davon sind noch Jungtiere und müssen erst ausgebildet werden.”
“Und die anderen?”
Nicholas blieb stehen und deutete auf eine Kabine. Katrin wagte einen vorsichtigen Blick über das Holz und blickte auf ein Babyrentier, das sich an den Körper eines großen kuschelte.
“Das ist Stella. Sie stand noch vor meinem Schlitten, als ich mir die Bürste bei dir ausgeliehen habe. Als ich zwei Wochen später merkte, dass sie schwanger ist, hab ich mich furchtbar geärgert, ihr den Abend zugemutet zu haben. Wir haben immer ein paar Tiere, die einspringen können, wenn eines ausfällt. Und alle stammen sie von denen ab, die du aus dem Weihnachtsgedicht kennst.”
“Ähhh”, gab Katrin von sich. Einerseits, weil der Anblick des Jungen, wie es den Kopf der Mutter anstupste und sie ihm einen typisch mütterlichen “jetzt warte doch mal” Blick zuwarf ein wirklich beruhigendes Bild bot. Vor allem aber, weil sie das Gedicht nicht kannte. Sie wusste, es gab ein englisches, aber sie hatte es nie gelernt oder gelesen.
“Du meinst das mit Rudolph?”, fragte sie darum vorsichtig. Nicholas prustete los, wie auf Kommando ertönte ein Hufgeklapper und Grummeln rings um sie. Mit etwas Beherrschung kam Nicholas wieder zur Ruhe, schnalzte mit der Zunge und auch die Rentiere beruhigten sich nach einem Moment. “Rudolph mit der roten Nase? Den hat es nie gegeben. Wir haben aber einmal ein Rentier Rudolph genannt. Man weiß ja nie was passiert. Er steht da hinten und ist ein ziemlich fauler Kerl. Wenn es nach ihm geht, würden alle nur noch mit elektrischen Schlitten fahren.”
Wie selbstverständlich griff der Weihnachtsmann nach Katrins Hand und zog sie mit sich. Aus der hintersten Box war weder Hufgeschabe noch Röhren zu hören und als sie hinein sah, stand dort ein rundliches Rentier und fraß gemächlich, ohne sich an dem ungewohnten Gast zu stören.
“Keine rote Nase”, stellte sie fest. “Keine rote Nase”, bestätigte Nicholas.
“The night before Christmas ist ein ziemlich altes Gedicht von Clement Moore, erschienen 1823. Jedenfalls wurde es ihm später angerechnet. Erschienen ist es ursprünglich anonym.”
Katrin konnte es kaum glauben. “Du meinst…”
“Jap, einer von uns, also von unseren Vorfahren, hat da zumindest mitgeholfen. So genau wissen wir es auch nicht. Aber die Namen waren original die des Obersten Santas zu der Zeit. Comet, Cuped, Donner, Blitzen, Prancer, Vixen, Dasher und Dancer. Drei Weibchen und fünf Männchen, und dann kamen wie auch jetzt noch weitere dazu. Damals waren es etwa zwanzig. Und von diesen Rentieren stammen alle ab, die du hier siehst. Stella ist die Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-Enkelin von Comet, die damals noch ganz jung war. Ab und zu müssen wir einen Bock oder eine Kuh dazu holen, die sind dann aber speziell zum Decken und Tragen gedacht. Fliegen können sie nicht.”
“Und er”, Katrin deutete auf Rudolph, der kaute, als wäre es seine einzige Lebensaufgabe.
“Er könnte wohl, aber wenn er dann auch noch den Schlitten tragen müsste, käme er kaum über Norwegen hinweg. Wir spannen ihn nur zum Training oder für kurze Strecken vor den Schlitten, damit er im absoluten Notfall einspringen kann.”
Sie gingen weiter und Nicholas stellte Katrin jedes Rentier vor, erklärte, von wem es abstammte und was es besonders gut konnte. Tango etwa war ein Alphatier. Er wollte vorne stehen und fand auch immer den Weg. Aber wenn etwas Unvorhergesehenes eintrat, war er der erste, der nicht weiter wusste. Shadow dagegen hielt sich gerne im Hintergrund und brachte die anderen doch immer dazu, genau zu tun, was er wollte. Er war wie eine Geheimwaffe. Blanca hatte eine außergewöhnliche Kondition und war darum bei schwierigen Strecken immer dabei.

Als sie den Stall wieder verließen, hatte Katrin jede Angst gegenüber den Tieren abgelegt. Sie hatte Lucifer, den kleinen Racker der Bande, gestriegelt und fand, dass es auch nicht groß anders war, wie die Arbeit mit Kindern. Man mussten den Biestern immer einen Schritt voraus sein.
“Kaum zu glauben, dass du die alle unterscheiden kannst”, gab Katrin zu, als Nicholas die aufwendigen Schlösser wieder an der Stalltür befestigten. Um den Tieren mehr Auslauf zu bieten, waren nur die Neugeborenen und Spezialfälle wie Rudolph in eigenen Boxen. Die anderen teilten sich einen großen Bereich, der Rückzugsorte, aber vor allem Platz bot. Darum war es auch so wichtig, mehrmals am Tag nach den Tieren zu sehen und dafür zu sorgen, dass keines krank war oder einfach mal Ruhe brauchte. Hinter dem Stall war außerdem eine riesige Koppel, auf der die Rentiere nach herzenslust balgen konnten. Nachdem Nicholas die Vorstellungsrunde beendet hatte, drückte er zwei Riegel, ein Tor sprang auf und die Tiere huschten auf die eingezäunte Wiese. Auch Rudolphs Tor war aufgegangen, doch der Dicke widmete sich nach dem Fressen einem ausgiebigen Mittagsschlaf.

Behind the Scenes

Das heutige Gastkapitel entstammt der Feder der wortgewandten Eva-Maria Obermann. Schon mit ihrer Mär fürs Volk begeisterte sie während des Märchensommers, heute stellt sie uns ein paar besondere Rentiere vor. Morgen nimmt uns noch auf ein kleines Abenteuer mit und bald wird sie uns an einen noch viel magischeren Ort führen. 😉

The Night Before Christmas ist übrigens ein vor allem im englischen Sprachraum verbreitetes Weihnachtsgedicht, dessen Beschreibung vom Weihnachtsmann dessen Aussehen maßgeblich geprägt hat. Wer nachlesen möchte, kann das z.B. hier auf Englisch tun: Twas the Night before Christmas oder auf Deutsch hier, in einer Übersetzung von Kinderbuch-Autor Erich Kästner: The Night before Christmas (inklusive Übersetzung der Rentiernamen). Laut Wiki ist der eigentliche Titel übrigens A Visit from St. Nick, find‘ ich irgendwie passend in Hinblick auf diese Geschichte. 😉

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.

Adventskalender: Türchen #5

Read in English

Joulky

Das Gespräch mit ihrer Chefin war kurz und knapp. Zum Glück hatten sie eine Regelung, die es ihr ermöglichte mal ein paar Tage für sich frei zu nehmen, ohne, dass sie es groß begründen musste. Von einer Kindergärtnerin, die nicht bei der Sache war hatten die Kinder schließlich nichts. Auf Anraten von Nicholas hatte Katrin sich die wärmste Kleidung zusammengesucht, die sie besaß – zwei dicke Strumpfhosen, einen Schneeanzug, Thermounterwäsche zum Skifahren, zwei Pullover, einer davon aus Wolle und mit typischem Norwergerstrickmuster versehen, zwei Schals ein Paar Handschuhe und natürlich ihre geliebte Bommelmütze – und alles in einen Wanderrucksack gestopft. Das Paar Wanderstiefel trug sie in der Hand. „Und du meinst wirklich, dass das alles nötig ist?“ Kopfschüttelnd besah sie sich den riesengroßen Rucksack, während Nicholas ihn auf seine Schultern hob.
„Oh ja, da kannst du mir glauben!“, antwortete Nicholas und legte sich ihren langen Wintermantel über den Arm.

Kurze Zeit später traten Nicholas und Katrin durch ein Portal, das unweit von Katrins Heimatort und einigermaßen gut versteckt in einem Wäldchen lag. An sich war es eigentlich unscheinbar gewesen – ein großer schmaler Metallring, aufrecht stehend, aber dennoch durch das Geäst erst auf den dritten Blick und nur wenn man wusste, wonach man suchte, zu erkennen. Sobald die beiden sich näherten, flackerte im Inneren des Kreises jedoch ein Nebel auf. Hellblau, weiße Schlieren, ein Luftzug.

In dem Moment, wo sie durch den Ring und somit das Portal traten, brachte es sie direkt in die Mitte eines magisch anmutenden Dorfes. “Willkommen in Joulky, dem Zuhause der Weihnachtsfamilie und ihrer Angehörigen und Mitarbeiter!” Nicholas strahlte sie an. Kaum aus dem runden, wesentlich opulenter aussehenden Portal-Gegenstück, eines mit winterlichen Symbolen verzierten breiteren Ringes, herausgetreten, wurde Katrin sofort bewusst, wie ernst Nicholas es mit der Anweisung, sie solle ihre wärmsten Klamotten mitnehmen, gemeint hatte. Der sie umgebende wabernde Portalnebel zog sich zurück und eröffnete den Blick für nicht mal zehn Häuser, einige Fachwerk, ein paar andere moderner, gemütlich dicht gedrängt um einen zentralen Dorfplatz, in einer wunderhübschen Idylle, komplett mit rauchenden Schonsteinen und dem Geruch nach Heu, frisch gesägtem Brennholz und duftendem Tannengrün.

Katrin wandte sich um ihre eigene Achse, um den Anblick komplett zu erfassen und in sich aufzunehmen. Dieser Anblick trug zwar dazu bei, dass sich ihr Herz erwärmte, dennoch zeigte ihr ihr Körper schnell durch starkes Zittern, was er davon hielt, plötzlich aus einem mitteleuropäischen warmen Frühsommer in die alljährige Kälte des nördlichen Polarkreises geschickt zu werden.

Nicholas zog Katrin kurz am Arm und winkte ihr, ihm zu folgen. Es ging ein kurzes Stück in Richtung Norden, zum beeindruckendsten Haus hier am Marktplatz.
„Hier wohnen wir!“, rief er ihr zu, als er schon etwas vorausgeeilt war, um ihr die Tür aufzuhalten. Katrin nahm das Angebot einzutreten sehr gern an, auch wenn sie immer noch fasziniert von der im wahrsten Sinne wunderbaren Schönheit dieses Fleckchens Erde war.

Direkt von der Eingangstür aus, die sich mit einem leisen Glöckchenläuten hinter ihnen geschlossen hatte, konnte Katrin einen Blick auf einen weiten, einladenden Flur werfen während Nicholas den Mantel an die Garderobe hängte. Anschließend führte sie eine Treppe hinauf und auch hier zweigten mehrere Türen in anliegende Räume hab. Schräg hinter einer geöffneten Tür erblickte sie einen offenen Kamin, der mit einem prasselnden Feuer nur darauf zu warten schien, dass sie in den Genuss seiner Wärme käme. Nicholas legte ihren Rucksack ab und trat mit ihr in die Stube, nur um sich dort umgehend den Pullover auszuziehen. “Der Kamin glüht ja schon fast”, stellte er fest.
Neben dem Kamin, eben noch verborgen, saß eine ältere Frau mit hochgesteckten leicht ergrauten Haaren in einem Schaukelstuhl, blickte kurz durch ihre kleine Nickelbrille hoch zu den beiden Neuankömmlingen, dann wieder auf das Strickzeug, was sie in den Händen hielt, und meinte dann: „Verzeih, Kindchen, dass ich nicht aufstehe, aber die alten Glieder vertragen die Kälte auch nicht mehr so gut wie früher.“ Mit einem offenherzigen Lächeln bedachte sie Katrin, während ihre Stimme sich etwas erhob, als sie sich an Nicholas wand. „Dein Vater hat dir gesagt, du sollst das klären, nicht, sie mit hierher bringen!“ Kopfschüttelnd richtete sie den Blick wieder auf Katrin, wieder deutlich freundlicher. „Ich muss mich nochmal entschuldigen. Mein Sohn hat noch nie sonderlich darauf achtgegeben, was man ihm gesagt hat. Nun, komm, wo du schon mal hier bist, sollst du auch unsere eigentlich vorhandene Gastfreundschaft zu spüren bekommen und genießen! Nicole wird dir gleich was zum Überwerfen geben. Ist ja schrecklich, wie Nicholas dich rumlaufen lässt! Du holst dir noch den Tod!“ Ein missbilligender Seitenblick streifte Nicholas‘ nackte nur noch vom T-Shirt bedeckten Arme. „Und du gleich mit, Freundchen! Los, plünn‘ dich vernünftig an!“
„Du bist eine Frostbeule, Mor!“ antwortete er, begleitet von einem Augenrollen und einem Grinsen, verzog sich dann aber, um Katrin seine Schwester Nicole vorzustellen und dann ihre Sachen zu verstauen, die drei Frauen im Wohnzimmer zurücklassend.

„Da hat sich mein Bruderherz aber was Schickes angelacht, oder, Mutter? Du bist die, die ihm den niedlichen Brief geschrieben hat, hmm?“ Nicole betrachtete Katrin mit einer Mischung aus Neugier und Spott. „Naja, immerhin kannst du uns jetzt helfen bei der Vorbereitung auf das Fest. Sind ja schließlich nur noch knapp sechseinhalb Monate bis zum nächsten und etwa vier, bis die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen stehen und uns die ganze Welt mit ihren Wunschzetteln bombardiert.“ Mit den letzten Worten schob sie Katrin zur Tür hinaus, die Treppe hinunter und schließlich in die kleine gemütliche Küchenzeile, die an eine kleinere Tafel anschloss. „So, du trinkst jetzt erst mal einen heißen Grog und ich hole dir was Hübsches zum Anziehen! Naja, hübsch sei mal dahingestellt, aber etwas, was zuverlässig warm hält und mit Liebe und Magie von Mutter gestrickt wurde.“ Mit diesen Worten und einem breiten Lächeln schenkte sie Katrin einen kleinen Tonbecher dunkelrote, dampfende und gut riechende Flüssigkeit ein, drückte ihn ihr in die Hand und entschwand über die knarrende Holztreppe ins obere Stockwerk. Kurze Zeit später kamen Bruder und Schwester zusammen die Treppe wieder herunter. Sie waren dabei, sich über irgendwas zu kabbeln, was Katrin aber nicht verstand. „So, hier, du kannst meinen Pulli und wenn du raus willst auch diese Jacke haben. Sie sind dir vielleicht etwas zu lang, aber besser als zu kurz, oder? Katrin musste grinsen, nickte, stand auf und nahm die Kleidung entgegen. „Vielen Dank.“

Nachdem Nicole sich wieder gegangen war, fragte Katrin etwas, dass ihr schon eine Weile auf der Zunge brannte: “Wo genau sind wir hier eigentlich?”
“Im Norden Norwegens”, erklärte Nicholas mit einem Grinsen.
“Norwegen? Also nicht am Nordpol?”
“Nein”, Nicholas lachte, “Das ist einer der Mythen, die wir einfach stehen lassen, um den Ort zu schützen.”
Katrin ließ das einen Moment sacken, dann drängte sich auch schon der nächste Gedanke auf: “Dafür sprichst du aber wirklich gut Deutsch…”
Wieder grinste er. “Um ehrlich zu sein: Ich spreche Norwegisch, du verstehst es nur auf Deutsch, weil das Dorf und wir von einem Sprachzauber umgeben sind. Aber ich kann auch etwas Deutsch ohne den Zauber.”
“Das ist nicht dein ernst…” Ungläubig starrte sie ihn an.
“Doch. Das vereinfacht die Arbeit mit Leuten aus vielen unterschiedlichen Regionen ungemein und man muss keine anderen Sprachen lernen”, bestätigte Nicholas.
“Und die Briefe? Für die braucht ihr doch Übersetzer!”
Nicholas schüttelte den Kopf. “Nein, für die gilt der Zauber auch.”
“Unglaublich…” Katrin war beeindruckt und nahm einen Schluck Grog, der ihr wärmend durch die Glieder floss.

Für einen Moment saß sie einfach nur da, bis ihr Blick auf Nicholas‘ Handgelenke fiel. “Was sind das für Tätowierungen?“ Katrin deutete auf eine Stelle, an der sich eine Girlande aus Eiszapfen aus dem Handgelenk den Arm herauf oder hinunter, je nachdem, wie Nicholas den Arm hielt, fortsetzte. „Ich meine, hast du so eine Schwäche für Eis, dass du es dir auf die Haut tätowieren lässt?“, kicherte sie.

„Ganz ehrlich?“ Nicholas‘ Blick ruhte auf Katrin. „Ja, ich habe eine Schwäche für Eis – und doch ist es gleichzeitig meine Stärke.“ Wie in Gedanken fuhr er die Linie der Eiszapfen mit dem Finger der anderen Hand nach.

„Diese Tattoos sind unsere Kraft. Jeder von uns trägt eines. Meins ist dieses hier. Sie verleihen uns allen eine besondere Fähigkeit.“ Mit einer schnellen und undeutlichen Handbewegung über seinem Arm hielt er plötzlich einen etwa 10 cm langen Eiszapfen in der Hand. „Eignet sich wunderbar als Wurfgeschoss, aber wenn ich mal nicht so kampfeslustig drauf bin, fungiert er auch gut als Partyzubehör. Eiswürfel gefällig, die Dame?“ Nicholas beugte sich zu Katrin herunter und ließ den Eiszapfen in ihren fast noch gefüllten Grogbecher fallen.

Behind the Scenes

Der zweite Teil von Nebus Kapitel und ein erster Blick auf das Weihnachtsdorf Joulky. Hier habe ich nachträglich eine Szene ergänzt, die für eine interessante Diskussion sorgte im Vorfeld. Kurz vor Schluss fiel mir nämlich auf, dass nie erklärt wurde, wie die deutschsprachige Katrin überhaupt mit dem Norweger Nicholas kommunizieren kann. Mein erster Gedanke galt einem Übersetzungsfeld, das Santas und Dorf umgibt, ähnlich wie die „Übersetzungssoftware“ der TARDIS. Eva brachte noch etwas ganz anderes ein: Magische Schneeflocken, die bei Hautkontakt für Verständigung sorgten. Mein Hirn kombinierte es daraufhin gleich mit „Per Anhalter durch die Galaxis“ und bezeichnete sie als „Babelflocke“. Die ist es dann letztendlich nicht geworden, weil das Feld einfacher umsetzbar ist, aber ich mag das Wort trotzdem. 😀

Der Name Joulky selbst stammt übrigens von Eva, Anne fragte nach einem Namen des Dorfes und stieß bei ihrer Recherche auf „Joulupukin Pajakylä“ dem Weihnachtsmann-Dorf in Finnland – dicht neben Norwegen, wo die Geschichte ja spielt. Das war uns allen aber etwas sperrig und Eva schlug dann als Abwandlung Joulky vor, was dann für gut befunden und verwendet wurde. 🙂

Eventuell interessant ist hier auch, dass mir erst recht spät aufgefallen ist, dass Katrin ihrer Arbeitgeberin ja Bescheid geben müsste, dass sie mal eben ein paar Tage weg ist. Das System, was ich hier – ja, da hab ich mich mal kurz eingemischt – beschreibe finde ich übrigens sehr praktisch, sollte man an diversen Arbeitsplätzen einführen. 😉
Achja und erst beim letzten Korrekturlesen ist mir klargeworden, das Nebu sich das Haus etwas anders vorgestellt hat. Für sie waren Wohnzimmer und Küche auf einer Etage, für mich lag das Wohnzimmer eine Etage höher. Ich hoffe ich hab alle Stellen erwischt…

PoiSonPaiNter

© Für Geschichte und Charaktere liegen bei mir. Verwendung oder Weitergabe nicht ohne meine Zustimmung.
~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~ ❄ ~~~~~~~
Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

© For the story by me. Do not use or repost either without my permission.