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Türchen #5

Heute schauen wir uns ein weiteres Projekt an, dass nicht nur auf meinem, ähm, Mist gewachsen ist:

Warlords

Zusammen mit Marina von DarkFairys Senf tauchte ich vor fast zehn Jahren in diese Welt rund um den Mönch Coelestin ein. Es geht langsam voran. Hin und wieder könnt ihr ein paar Hintergrundinfos auf unserem gemeinsamen Blog erhaschen: DF.PP Entertainment. Die Geschichte basiert auf einem RPG.

Diese Szene spielt im zweiten Band und zeigt einen unserer Lieblingscharaktere …

Der vierte Schnipsel:

Als die beiden Frauen verschwunden waren machte sich Conan auf die Suche nach einem geeigneten ‚Opfer‘. Nicht lange und Conan hatte eine junge Frau entdeckt, die ganz seinen Vorstellungen entsprach. Er ging zielstrebig auf sie zu.
„Guten Abend, was verschlägt eine Schönheit wie dich in die Tristesse eines solchen Ortes?“, sprach er sie an.
„Guten Abend, mein Herr. Ich bin hier, weil ich den Ruf des Herrn vernommen habe“, entgegnete die junge Nonne selbstbewusst.
„Den Ruf des Herrn? Wie konnte er dich den hier her locken?“, fragte er weiter.
Skeptisch beobachtete er die junge Frau, wenn das so weiter ging könnte er sich sein kleines Abenteuer wohl an den Hut stecken.
„Ich habe erkannt, dass mein bisheriges Leben reine Sünde war“, erklärte die Nonne und lächelte.
„Sünden sind doch menschlich… was hast du denn so sündiges getrieben?“, wollte er mit einem einladenden Lächeln wissen und stützte seine Hand an der Wand ab um sich ein bisschen dichter zu ihr zu beugen.
„Bevor ich hier her kam, habe ich Männer wie dich für Geld getötet“, meinte sie und warf dem Rebellen einen eiskalten Blick zu.
„Obwohl… manchmal habe ich sie auch lediglich entmannt…“, lächelte sie diabolisch.
„Ich denke nicht, dass du auch nur die geringste Chance hättest derlei bei mir zu versuchen…“, hauchte er ihr ins Ohr, während seine Hand auf dem Schwertgriff ruhte.
„Ach, glaubst du?“, säuselte sie zurück und Conan verspürte etwas Spitzes und kaltes an seinem Hals.
„Ich bin noch nicht lange hier und ich kenne Kerle wie dich, gleich als ich dich das erste Mal sah, habe ich meinen Dolch geholt. Den, den die Mutter Oberin bisher nicht gefunden hat.“, sie entfernte sich ein Stück von Conan und lächelte ihn kalt an.
„Ich war einst Assassine. Gegen mich bist du ein Nichts, Süßer“, hauchte sie und ging davon.

Hinter den Kulissen

Na gut … vielleicht war das eben geflunkert, denn Conan ist der Charakter, den wir am wenigsten mögen. Es war daher besonder schwer, ihn überhaupt in Szenen einzubauen. Sehr oft gab es ein „Müssen wir den schon wieder schreiben?“ oder „Ach, der pennt einfach noch …“, zu hören.
Allerdings macht es auch Spaß, sich mit ihm zu beschäftigen, denn er ist derjenige, der öfter die dümmsten Sprüche ablässt und wir somit absurde Situationen direkt mitkommentieren können …

Naja, mal gucken, was das mit ihm noch wird. 😀

Anne

Türchen #4

Heute bekommt ihr mal was richtig Exklusives. Einen Blick in

The Unnamed One

Sie ist eine meiner ältesten Geschichten und – wie ich schon ein paar mal erwähnt habe – die unbenannte Geschichte von Michael und seiner Familie.
Heute und an zwei weiteren Tagen werde ich euch drei kleine Ausschnitte zeigen.
Dieser hier stammt aus der Ursprungsfassung von 2004, wo es noch eine Art Buffy-Fanfiction war – damals wusste ich das nur noch nicht. Mittlerweile bin ich davon auch meilenweit entfernt.
Eigentlich wollte ich euch den Ausschnitt unbearbeitet zeigen, aber das konnte ich nicht … Das war so grausam … Habe daher einige Formulierungen erträglicher gemacht, verändern wird es sich vermutlich trotzdem nochmal, wenn ich mich an die Überarbeitung setze, aber so könnt ihr vorab eine verhängnisvolle Szene für eine meiner Hauptcharaktere lesen.

Nun zum dritten Schnipsel:

Alexandra saß bereits den halben Tag am Steg und wusch die Wäsche, während ihre Brüder auf den Feldern halfen. Ein Großteil hing auf den Leinen vor dem Haus, zum Teil bereits getrocknet von der heißen Sommersonne. Einen neuen Stapel häufte sie sorgfältig Stück für Stück in einen Korb. Es war eine monotone Arbeit. Ein Korb leerte sich, ein anderer füllte sich. Tief in ihre Arbeit versunken, bemerkte sie den Neuankömmling erst, als seine Finger sich in ihre Seiten bohrten und er ihr ein lautes „Buh!“ entgegenrief. Erschrocken zuckte sie zusammen. Die Hände, die gerade ein sauberes Kleidungsstück ablegen wollten, schubsten stattdessen den fast vollen Korb in den See. Mit einem Schrei versuchte sie noch danach zu greifen, doch es gelang ihr nicht mehr. All ihre Arbeit der letzten Stunde verteilte sich auf dem kühlenden Nass, der hölzerne Korb wippte leicht auf und ab. Wütend sprang sie auf die Beine und drehte sich um. „Sag mal spinnst du?!“, schrie sie ihn an und stieß ihm die Hände gegen die Brust.
Alfred taumelte einen Schritt zurück, konnte sich aber noch fangen, bevor er ebenfalls ins Wasser fiel.
„Ich –“, setzte der Stallbursche an, wurde jedoch sogleich unterbrochen.
„Was ist hier los?“, rief Paolo ihnen entgegen, als er mit Joseph im Schlepptau auf sie zugeeilt kam.
„Ich hab mich erschreckt und die saubere Wäsche in den See gestoßen“, erklärte Alexandra kleinlaut. So wütend sie auch auf ihn war, sie wollte Alfred nicht die Schuld in die Schuhe schieben.
„Du hast dich erschreckt oder hat er dich erschreckt?“, hakte Paolo stur nach, sein finsterer Blick wanderte von ihr zu ihm.
Alexandra schluckte. Vermutlich hatten sie ihren Ausruf gehört. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Alfred war schneller: „Es tut mir leid. Ich habe mir einen Spaß erlaubt und ihre Schreckhaftigkeit nicht erwartet …“ Er blickte zu Boden.
„Ich bring den Kerl zu Vater und du hilfst dem Tollpatsch hier die Wäsche einzusammeln, einverstanden?“, wandte sich Paolo seinem Stiefbruder zu.
Joseph nickte nur und ging dichter auf seine Schwester zu. Paolo indes packte Alfred am Kragen und zog ihn Richtung des Haupthauses.

Vom Steg aus betrachteten die Geschwister die Wäsche. Ein Teil hatte sich bereits am Ufer wieder gesammelt, ein paar Stücke hatten sich um die Pfähle gewickelt. Mit einem Seufzen entledigte Joseph sich seines Hemdes und seiner Schuhe, bevor er in den See sprang. Als erstes reichte er seiner Schwester den Korb, dann vereinzelte Kleidungsstücke, die er ihr entgegenwarf. Mit jedem Wurf, wurde der Steg nasser, sodass ein ungünstiger Schritt Alexandra ebenfalls ins Wasser beförderte. Mit einem Schnauben durchbrach sie die Oberfläche, nur um in das grinsende Gesicht ihres Bruders zu blicken. Sie schickte ihm eine Welle Wasser entgegen, die er ihr in gleichem Maße zurückzahlte. Immer dichter brachte ihr Spiel die beiden zusammen, bis Joseph sie gegen einen der Pfähle drückte. Schwer atmend rangen die beiden nach Luft, ihr Lachen verklang. Josephs Füße erreichten gerade so den Grund des Sees, Alexandra hingegen wurde nur vom sanften Druck seines Körpers gegen den ihren gehalten. Langsam beugte er sich dichter. Seine Augen zeigten ihr Emotionen, die sie nicht zuordnen konnte. Schließlich presste Joseph seine Lippen gegen ihre. Alexandras Augen weiteten sich. Was tat er da? Sie wollte ihn wegstoßen, doch ihre Hände passten nicht zwischen sie.

Hinter den Kulissen

Auch wenn es hier so klingt, als ob ich über Inzest schreibe: Nope, die beiden sind zwar als Geschwister aufgewachsen, und denken zu diesem Zeitpunkt noch, dass sie es sind. Biologisch gesehen sind sie aber nicht miteinander verwandt.

Der Text hat aber noch GEWALTIGE Arbeit vor sich … *hust*

Anne

Türchen #3

Die erste Woche voller Schnipseleien beginnt mit keinem anderen als dem

Eishörnchen

Letztes Jahr war die Geschichte von Katrin und Nicholas in meinem Adventskalender versteckt, mittlerweile haben Irina Christmann und ich ein bisschen weitergesponnen. Eine grobe Zählung der Datei, in der wir einfach drauf los schreiben, ergab ~23k Wörter und noch einige Lücken. Irinas Charakter Carlos bekommt dabei eine etwas größere Rolle.

Hier trifft er zum Beispiel auf Magnus, einem von Nicholas‘ drei besten Freunden.

Aber nun zum zweiten Schnipsel:

Mit dem Ellenbogen drückte Carlos den Türgriff nach unten, schob einen Fuß in den sich öffnenden Spalt und drückt die Tür dann komplett mit dem Rücken auf. Das Gewicht in seinen Armen zog ihn immer stärker nach unten. Besorgt stellte er fest, dass der kleine Kerl sich immer noch nicht rührte. Aus dem Operationssaal hörte er die Stimmen von Nicholas und Dr. Who, sowie eine Stimme, die ihm vollkommen unbekannt war, die aber eindeutig menschlich klang.

“Ich brauche hier mal dringend Hilfe!”, rief er laut und trat mit seinem Patienten in einen der Behandlungsräume. Vorsichtig legte er ihn auf die Behandlungsliege und lauschte erneut dessen unruhigen Atem. Sofort hörte er sich nähernde Schritte und Nicholas besorgte Stimme.
“Was ist denn passiert?”, fragte dieser bereits im Flur und betrat mit Dr. Who und dem Unbekannten das Zimmer.
“Kann ich nicht genau sagen. Ich habe es nur poltern gehört, bin rüber in den Verteilerraum und da lag er am Boden, eine Kiste neben sich. Ich nehme an, er hat sie auf den Kopf bekommen, wenn ich mir das so ansehe. Aber er reagiert auf gar nichts.”

“Lass mich mal sehen …” Dr. Who schob Carlos Beiseite und öffnete eines der Augenlider des Wichtel, um mit einer kleinen Lampe hineinzuleuchten. “Ach das sieht doch ganz in Ordnung aus. Ein bisschen Ruhe und dann ist wieder fit”, stellte er fest und drehte sich zu Magnus um. “Neben den menschlichen Bewohnern des Dorfes gibt es wie Sie sehen auch noch die Wichtel, deren Anatomie sich doch ein wenig von der unseren unterscheidet, aber da will ich jetzt nicht zu sehr in die Details gehen …”
Magnus starrte den bewusstlosen Wichtel mit offenem Mund an. “Ein … Wichtel …”, wiederholte er schließlich.
“Hast du dir kleiner vorgestellt oder?”, scherzte Nicholas, auch wenn man die Sorge aus seiner Stimme heraushören konnte.
“Eventuell auch mit Flügeln …”, bestätigte Magnus mit einem Nicken.

”Das wären Feen, haben wir hier aber nicht”, merkte Carlos an. Er lächelte. Feen fehlten trotz allem noch in seiner Sammlung fantastischer Lebewesen. Tatsächlich war niemand sich sicher, ob es sie nun gab oder nicht. Ebenso wie die Elfen. Von beiden Arten gab es genug Geschichten und Legenden, dass sie durchaus existieren konnten. Genausogut konnten es eben aber auch nur Geschichten sein. Aber immerhin hatte er das von Santa Claus, dem Krampus und fliegenden Schlitten ja auch lange genug gedacht.
“Für die wäre es auch viel zu kalt hier …”, bestätigte Nicholas und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. “Das ist übrigens Carlos, der Chef unserer Post. Und das ist Magnus, ein sehr guter Freund, noch aus Schulzeiten”, stellte Nicholas die beiden einander vor.
Magnus streckte Carlos die Hand entgegen, das war immerhin etwas, dass er verstand. Post war normal, Post war nicht phantastisch. “Freut mich dich kennen zu lernen.”

“Hallo.” Carlos nickte kurz.

Unschlüssig zog Magnus seine Hand wieder zurück und blickte kurz zu Nicholas, der nur knapp mit den Schultern zuckte.

Hinter den Kulissen

„Dr. Who“ ist tatsächlich eine Referenz zum gleichnamigen Seriencharakter, allerdings ist es auch nur ein Platzhalter, bis wir uns auf einen Namen für den alten Herren einigen konnten. 😀

Ein kleiner Hinweis noch zu den Wichteln: Sie sind Aasfresser.

Heute könnt ihr außerdem in Anja Buchmann’s Adventskalender – über Facebook, gern aber auch als Kommentar hier – Weihnachtspost von mir gewinnen.
Schaut einfach in der Veranstaltung oder auf meiner Seite vorbei.

Anne

Türchen #2

Kaum hat der Dezember angefangen, haben wir auch schon den ersten Advent.

Heute darf ich euch eine Kurzgeschichte von der großartigen June Is präsentieren.

Viel Spaß!

Fast wie im richtigen Leben

„Oh nein! Sie kommen schon wieder!“ Kyle verzog gequält seine Wangenknochen.

Über ihm waren laute Kinderstimmen zu hören, die wild durcheinander riefen. Er drehte den Schädel nach rechts. „Bianca? Bianca!“

Ein Grummeln ertönte. „Ich hör sie. Bei dem Lärm kann einfach niemand ruhen.“

„Seit wann geht das jetzt so? Tag für Tag …“, beschwerte sich Kyle.

„Genaugenommen fing es vor einer Woche an. Vermutlich sind mal wieder Ferien,“ gab Bianca unwirsch zurück.

Die Sargreste krachten, als Kyle mit der Faust an die morsche Innenwand schlug. Er wartete, bis ein beeindruckender Schwall Erde nachgerieselt war, bevor er seine Zähne wieder auseinander bewegte. „Warum schreitet die Friedhofsverwaltung nicht ein? Wir haben ein Recht auf unsere ewige Ruhe!“ Ein Regenwurm kroch besonders langsam aus seiner Augenhöhle.

Bianca lachte abfällig. „Als wenn das heute noch so wäre. Bald wird es soweit sein, dass sie uns ausbuddeln, damit wir auf deren Kinder aufpassen. Die haben doch chronischen Personalmangel da oben. Vor allem, seit sie Männer wie Frauen wieder für die Armee eingezogen haben.“

„Was? Ich bin doch nicht vor einigen Jahren gestorben, nur damit ich jetzt auf anderer Leute verzogene Gören aufpasse! Das stand nicht in meinem Vertrag!“

„Anne und Daniel von der Südostecke haben bereits Klage eingereicht. Aber bis zum Prozess wird es sicher dauern. Bis dahin können sie die Friedhofsordnung noch zigmal ändern. Dann sehe ich schwarz.“

Kyle kratzte über den faulen Holzboden seines Sargs, der schon viele solcher Kratzer aufwies. „Kunststück, wir haben es überwiegend dunkel hier drin.“

„Mensch, Kyle! Du weißt genau, was ich meine. Wenn die uns erst alle rausgeholt und zum Nanny-Spielen eingeteilt haben, ist es eh aus. Wer von uns kann dann vor Gericht als Zeuge auftreten?“

Kyle stöhnte. „Und wir können natürlich nichts dagegen machen.“

Bianca zuckte mit den knochigen Schultern. „Wir hätten eben paar Jahre früher sterben müssen, dann wären unsere Grabstellen jetzt abgelaufen und würden eingeebnet. Dann könnten wir sie endlich genießen, unsere wohlverdiente, ewige Ruhe.“

„Wenn mir das eher klar gewesen wäre. Die letzten Jahre da oben waren sowieso die Hölle. Ich musste permanent bei großer Hitze arbeiten, das hat meinem Kopf nicht gut getan. Manchmal dachte ich, der platzt. Irgendwann ist er das tatsächlich. Durch Fremdeinwirkung. Kurz nach meinem 38. Geburtstag!“

„Bei mir war es auch nicht besser. Ich durfte zu meinem Sohn ziehen. Er hat mir ständig todlangweilige Artikel aus der Lokalzeitung vorgelesen, und meine Schwiegertochter hat ungenießbar gekocht.“

„Au weia.“ Kyle kicherte.

„Kyle, wir können uns das nicht bieten lassen! Sollten sie uns wirklich ausgraben, dann …“

„Könntet ihr vielleicht mal die Fresse halten? Hält ja keiner aus! Ihr seid fast lauter als die Kinder über uns“, meldete sich Peter auf der gegenüberliegenden Seite lautstark zu Wort. Er war mit 25 Lebensjahren der jüngste Tote in ihrer Ecke. „Ihr habt doch nicht alle Latten am Zaun!“

In dem Moment brach ein weiteres morsches Stück Sarg bei Kyle ein. Erneut rieselte Erde auf ihn. „Stimmt, eine Holzlatte weniger“, kommentierte dieser und legte sie vorsichtig beiseite.

„Ist das wirklich so?“ Bianca würde eine Augenbraue hochziehen, wenn sie noch ein Gesicht hätte.

„Ja, euer dämliches Gelaber nervt. Egal, was die da oben aushecken, wir können nix tun. Das war schon zu Lebzeiten so, warum sollte es jetzt anders sein? Es ist alles so megasinnlos.“

„Och, unser süßer Peter wieder. Depressionen nimmt man also auch mit in den Tod.“ Sie seufzte unüberhörbar.

„Depressionen sind der Tod! Einerseits wird Sex als Allheilmittel gegen alles angepriesen, andererseits kommen die, die so tief im Sumpf stecken, nie zum Schuss, weil sie sich nicht genug Mühe geben mit ihrem Leben und für andere Menschen total uninteressant sind. Ich frage euch, was soll die Scheiße?“ Peter schien seiner üblichen Tristesse zu frönen.

„Interessante These“, murmelte Bianca.

„Früher, in diesen Foren, schrieben die immer: Komm mal mit deinem Leben klar, mach Sport, besorg dir ordentliche Klamotten, streng dich mehr an. Etc. Dass Jammern nix bringt, ist mir auch klar, aber das klang immer so nach sich etwas erarbeiten müssen.“

Eine längere Pause folgte, in der keiner was sagte. Nur das Schnarchen von Edeltraud war in einiger Entfernung zu hören. Über ihnen tobte die nächste Kinderhorde herum.

„Ich hab in der Zeit oben öfter den Gedanken gehabt, ob ich für mein Leben genug geleistet habe. Und wenn ich so in Tiefs steckte, ging die Denkspirale weiter: Durfte ich jetzt aufgeben? Ich hatte mich sicher noch nicht genug angestrengt. Ich enttäuschte alle.“

Bianca unterbrach ihn. „Ich denke, der Welt ist egal was man macht oder nicht macht, es kommt nur auf das eigene Gefühl dabei an.“

„Menschen sind anderen Menschen nun mal egal.“ Kyle störte es, dass Peter auf einmal Biancas Aufmerksamkeit zu haben schien. Seine Stimmung sank tiefer als die Temperatur der feuchten Erde um sie herum. Schnell schob er zur eigenen Beruhigung durch ein älteres Loch in seiner Behausung einen Fingerknochen zu ihr hinüber.

„Letztendlich hast du alles versucht und trotzdem ist was schiefgelaufen. Sonst wärst du ja nicht mit uns hier unten“, merkte sie gerade an.

„Stimmt“, antwortete Peter, „Ich habe dann begonnen, Texte zu schreiben und wollte damit sagen: Seht doch, ich tu was! Mehr geht nicht.“ Nun klang es, als ob Peter schniefte. „Wollt ihr meine Prosa über den Staub hören? Ist direkt aus meinem Leben gegriffen.“
Keiner antwortete, so sprach Peter weiter:

„Der Titel: Staub

Ich hasse Staub.
Staub ist die Hölle auf Erden.
Das ewige Unterliegen im Kampf gegen den Staub trägt zu Depressivität bei.
Niemand mag Staub, niemand mag Putzen.
Staub hat mich schon oft zur totalen Verzweiflung gebracht.
Das nächste Versagen, das nächste Verdrängen, eine Art ewige Selbstzerstörung.

Staub ist unbesiegbar – jeder weiß das.
Deshalb kämpfe ich nicht mehr und versinke vollends in Staub – und Dreck.

Wenn das so weitergeht, wird der Staub mich irgendwann töten.
Und doppelt triumphieren, weil ich dann selbst wieder zu Staub werde.“

Kyle stöhnte und Bianca versuchte, wie so oft, zu trösten. „Ich denke, wir haben alle unsere Erfahrungen gesammelt. Schau dich doch mal auf dem Friedhof um. Hier ist keiner ohne Grund.“
Peter heulte. „Ja, ich konnte den Staub nicht aus meinem Leben verbannen. Allein der Gedanke ans Putzen gab mir zu Lebzeiten ein mulmiges Gefühl. Es fühlte sich an, als sei ich in eine enge Kiste eingesperrt, in der ich mich nicht rühren kann. Bisschen wie jetzt, im Sarg.“

Da spürte Kyle ein Wummern in einiger Entfernung. „He, sei mal leise … merkt ihr das auch?“

Biancas Stimme zitterte: „Explosionen?“

„Was auch immer die da oben machen, es ist mir egal. Interessiert mich nicht. Sollen sie doch Krieg spielen und verrecken, kriegen wir halt Gesellschaft.“ Peters Laune war anscheinend etwas besser geworden.

Kyle rieselte beim nächsten Schlag Erde auf die Knochen.
Edeltraud rief verwirrt: „Welcher Ungehobelte wagt es, mich einfach so zu wecken?“

Die Kinder schrien anders, panisch.

Ein weiterer ohrenbetäubender Schlag folgte, das Erdreich um Kyle vibrierte, er hörte nacheinander Unmengen Erde auf den Boden prasseln, Biancas Aufschrei, Peters „Scheiße!“ und dann … Ruhe.

„Mist! Wenn ich noch Ohren hätte, wären sie jetzt total im Eimer!“, fluchte Kyle. „Was ist da draußen los?“
Keiner antwortete.

Er rief nach seiner Nachbarin. „Bianca? Bianca!“ Kyles Fingerknochen tasteten nach zur Seite – dort hingen sie in der Luft. Wo war ihr Grab hin? Was war geschehen?

Nach und nach fiel ihm auf, dass Edeltraud nicht mehr schnarchte und Peter nicht mehr jammerte. Kyle hatte sich die ewige Ruhe irgendwie anders vorgestellt.

„Hilfe …“, keuchte eine kratzige Stimme aus Biancas Richtung.

Sein Herz hüpfte. „Bianca, bist du das?“

„Wer ist Bianca? Es ist … so schrecklich hell! Ich erblinde“, rief die neue Stimme nun etwas deutlicher.

Kyle war verwirrt. Außer Edeltraud und Bianca lagen in diesem Segment des Friedhofs nur Männer. „Hast du etwa noch Augen? Wer bist du?“

„Ich lag bis vor kurzem am Südwestende, hieß früher Claire Bauer. Eben bin ich unsanft in die Luft geflogen, einige meiner Knochen liegen hier überall zwischen … Anderem … verteilt.“

Es knackte zwei Mal. „Aber mein Schädel scheint intakt.“

Kyle überlegte. „Das klingt aber nicht gut. Ich muss Bianca suchen, die lag bis eben da, wo du jetzt liegst!“

„Wo willst du da anfangen? Hat sie ihre Knochen gekennzeichnet?“ Claire seufzte. „Wenigstens sind wir fürs erste dieses Nanny-Spiel-Thema los.“

Dies erstaunte Kyle. „Du weißt davon?“

„Ja, unser Sektor hat Anne und Daniel bei der Klage unterstützt. Wie heißt du eigentlich?“

Die Autorin

June Is lebt seit einer Weile in Berlin und teilt sich ihr Schlafzimmer mit ca. 5 vollen Umzugskartons an Büchern, sortiert nach „Linguistik, Sprachführer und Schreibratgeber“, „Naturwissenschaft“, „Belletristik“, „Reisen“ und „Kann eines Tages weg“. Während ihres Studiums, welches sie 2012 abschloss, hatte sie beschlossen, an ihrer eigenen Schreiberei zu feilen. So traten nacheinander auf magische Weise ein Schreibcoach, viele kritische Testleser, ein paar Veröffentlichungen in Anthologien und zuletzt das Nornennetz in ihr Leben.

Twitter: ypical_writer

Habt einen schönen ersten Advent!

Anne

Türchen #1

Und schon geht es los … Eröffnen möchte ich den Kalender mit einem Schnipsel aus

Der Wunsch der Königin

Die Geschichte ist  – wie ich an mehreren Stellen schon erzählt habe – aus einer Idee während eines Orgelkonzertes entstanden und sehr schnell von einer Kurzgeschichte auf Novellenlänge angewachsen (aktueller Stand: ~55k Wörter) und noch immer hat sie Lücken, die es zu füllen gilt. Leider wartet die Königin schon eine Weile auf meinem Stapel. Ein paar Überarbeitungen und Ergänzungen habe ich auf dem vorletzten Rockharz gemacht,  auf dem letzten dagegen kam ich kaum dazu. Irgendwann schreib ich es aber noch zu Ende.

Während des Adventskalenders werdet ihr vier Schnipsel bekommen. Diesen hier habe ich auf der LBM18  vorgelesen. Auch wenn die Story etwa in der Mitte der Handlung beginnt, finde ich, ist es ein guter Start. Vielleicht bekomme ich auch irgendwann mal hin, das Video so zu überarbeiten, dass man den Ton halbwegs vernünftig versteht …

Aber nun zum ersten Schnipsel:

Szene:  Königin Ahnya und ihr Gemahl Gunther befinden sich auf dem Weg zu ihrer Tante, die ihr schwächeres Reich an die jüngere Königin abtreten soll. Auf ihrer Reise wird die zweispännige, magisch geschützte, Kutsche von einer Reihe Wachen, Ahnyas Vertrauter, Beraterin und Freundin Mahri, dem Hofzauberer Emry, sowie dessen ehemaligen Mitschülern Andres und Marrtin, begleitet. Sie alle dienen der Königin, um sie vor Angriffen der verfeindeten und machtgierigen Tante zu schützen.

„Achtung!“, rief eine der Wachen und deutete auf einen großen, schwarzen Schatten, der sich zwischen den Wolken immer weiter auf sie zubewegte.
„Ein riesiger Adler!“
„Mit vier Beinen?!“, fragte ein Weiterer laut, als das Wesen ein Stück dichter gekommen war.
Sogleich ging ein Ruck durch die Reihe der Wachen und der Zug kam zum Stehen. Rings um die Kutsche spannten die Schützen ihre Bögen und einige Krieger zogen ihre Schwerter. Emry überlegte für einen Augenblick, ob er vom Pferd absteigen sollte, entschied sich aber dagegen. So gut es ging, suchte er einen festeren Sitz, sodass sein Pferd nicht bei jeder Bewegung gleich lostraben würde. Wieso hatte er nur zugestimmt zu reiten? Neben ihm stiegen das Königspaar und Mahri aus der Kutsche. Unruhig sahen sie sich um, bis ihr Blick auf dem potentiellen Angreifer ruhen blieb.

Als das Wesen dicht genug herangekommen war und angriffslustig aufschrie, gab Ahnya den Befehl zum Angriff. Pfeile schossen durch die Luft, doch das Wesen wich ihnen gekonnt aus. Die wenigen, die es erreichten, prallten einfach ab. Immer tiefer stürzte es hinab, immer dichter kam es den Pferden. Gerade noch rechtzeitig baute Emry einen magischen Schild über ihnen auf. Das Wesen stieß dagegen, schwebte einen Moment unschlüssig in der Luft und stieg erneut hinauf.
„Ein-ein Greif!“, entfuhr es Kurth ungläubig, der in seiner Kindheit Geschichten über diese Wesen gehört hatte. „Keine Waffe kann ihm etwas anhaben!“
Besorgt blickte Ahnya zu Emry hinauf. „Gibt es einen Zauber mit dem ihr die Pfeile verstärken könnt?“
Emry durchsuchte sein Gedächtnis nach einer Antwort, er hatte für die Reise so viel über Schutzzauber gelesen, dass er sich nicht mehr an Waffenzauber erinnern konnte. Doch bevor er die Möglichkeit hatte, weiter darüber nachzudenken, erschienen zwei weitere Greife am Himmel. Während der erste Greif noch in einiger Ferne schwebte, stürzten die anderen beiden mit ausgefahrenen Krallen in die Tiefe. Nun hoben alle drei Zauberer den Schild und die Bestien prallten daran ab. Einer versuchte, die unsichtbare Barriere zu zerkratzen, gab jedoch auf, als er sie nicht durchbrechen konnte. Gerade als sie den Schild wieder senken wollten, griff der erste Greif erneut an.

„Sie versuchen, euch auszulaugen“, bemerkte Gunther, als sich dieses Schauspiel noch mehrere Male wiederholte.
„Ja, und wenn uns nicht bald etwas einfällt, schaffen sie es auch …“, bestätigte Emry.
Mittlerweile hatten die Greife ihre Taktik geändert: Sie rammten mit voller Wucht ihre Schulter gegen den Schutzzauber. Jeder Stoß ließ Emry auf dem Pferd wanken, Andres und Marrtin auf dem Boden erging es nicht besser.
„Emry!“, rief Andres zu ihm hinauf. Seine ausgestreckten Hände zitterten und Schweißperlen rannen über seine Stirn. „Greife haben einen magischen Schild über der Haut“, erklärte er zwischen zwei Angriffen, „Wenn wir den durchbrechen, könnten wir sie verwunden.“
Ein Lächeln breitete sich auf Emrys Gesicht aus. „Dann weiß ich, was wir tun können.“ Doch bevor er weiterreden konnte, wurde er nach hinten gestoßen und trat dem Pferd dabei in die Seite. Es stieg hoch und warf ihn beinahe ab. Unfähig den Schild zu senken und die Zügel zu ziehen, presste Emry seine Unterschenkel gegen den Bauch des Pferdes, um nicht aus dem Sattel geschleudert zu werden und versuchte, mit dem Körper Gleichgewicht zu halten, sah sich allerdings schon stürzen. Beherzt griff Gunther nach den Zügeln und verhinderte somit Schlimmeres.
„Danke.“ Emry nickte dem König knapp zu und sah dann zur Königin: „Ich kann nicht gleichzeitig den Zauber halten und alle Pfeile verzaubern.“

Ahnya sah sich um. Die Schützen in ihrer Nähe hatten ihre Sehnen gelockert, waren aber schussbereit. Die reitenden Krieger und Fußsoldaten standen unnütz und mit gezogenen Waffen zwischen ihnen. Ihr Blick fiel auf Kurth, der hinter einem Wagenrad kauerte.
„Kurth! Köcher und Bogen!“, befahl sie dem jungen Knappen, der sogleich losspurtete, um die Gegenstände von einem der Transportpferde zu holen. Stolpernd kam der Knappe vor der Königin zum Stehen, als er sie ihr brachte. Ahnya nahm den Köcher und hielt ihn Emry entgegen. Dieser wartete bis der einzelne Greif wieder an der Reihe war und überließ den Schild den anderen beiden Zauberern. Mit der Hand über dem gefüllten Köcher schloss er die Augen und legte seine Magie um die Spitzen, die in ein leichtes Glühen gehüllt wurden. Als er fertig war, nickte er Ahnya zu und konzentrierte sich wieder auf den Schild. Diese nahm Kurth den Bogen ab und reichte ihm den Köcher. Einen Pfeil nahm sie heraus und befahl ihm knapp: „Verteil sie.“
Während der Knappe durch die Reihen der Bogenschützen flitzte, kletterte sie auf den Kutschbock. Ein Glück, bin ich noch nicht so dick, schoss ihr für einen Moment der Gedanke an ihren durch Emrys Illusion verdeckten Bauch in den Kopf.
Ehrfürchtig rutschte der Kutscher beiseite, nachdem er ihr aufgeholfen hatte. Wie sie es gelernt hatte, suchte sie sich einen festen Stand auf der schmalen Kutschbank.
„Bogenschützen, Aufstellung! Alle auf einen!“, befahl sie und spannte ihren eigenen Bogen. Ihre ganze Konzentration war auf den Greif gerichtet, der direkt auf sie zustürzte.
„Emry, auf meinen Befehl – Schild runter!“, rief sie.
Ihr Herz schlug wie wild in ihrer Brust. Die Männer schwiegen, die Pferde scharrten angespannt mit den Hufen, doch die mächtigen Flügelschläge des Greifens übertönten alles andere. Wenn der Zauber versagte …, nein, Emrys Zauber würde nicht versagen. Der Greif kam dichter, aber noch immer nicht in die Reichweite ihrer Bögen.
Dann endlich.
„Feuer!“
Der Greif setzte an, um den Schild zu attackieren, doch bevor er ihn treffen konnte, löste dieser sich unter seinen Klauen auf und elf Pfeile schossen auf ihn zu …

Hinter den Kulissen

Drei weitere Schnipsel aus diesem Roman werdet ihr noch zu sehen bekommen.
Seid gespannt. 🙂

Anne

Poisons Adventskalender geht in die fünfte Runde!

Aus der Feier in die Feier könnte man meinen.
Gestern noch habe ich Nora Bendzko bei der virtuellen Release-Party zu ihrem neusten GalgenmärchenHexensold“ unterstützt, schon sind wir mit großen Schritten in Richtung Weihnachten unterwegs.

Wie schon die Jahre zuvor, wird es auch diesmal wieder einen Adventskalender geben.
Und wieder wird er etwas anders sein.

Ursprünglich war etwas ganz anderes geplant, aber da es ein paar Schwierigkeiten in der Koordination gab, musste ich kurzfristig (Mitte November) „etwas“ umplanen und habe die Idee in den Januar/Februar 2019 verschoben.
Zusammen mit den Vorbereitungen zur BuchBerlin war die Erstellung des Kalenders relativ abenteuerlich…

Trotzdem könnt ihr ab morgen wieder hier täglich etwas finden!

Diesmal sind es aber keine neuen Geschichten oder eine Fortsetzung. Nein, diesmal bekommt ihr 19 Tage lang Schnipsel aus verschiedenen meiner Schreibprojekte zu sehen. Jeder Schnipsel bekommt dann auch eine kleine Erklärung zum Projekt dazu.
Muss euch ja ein bisschen neugierig machen, damit ihr mir in den Hintern treten könnt, ein paar davon endlich mal zu beenden. 😀

Warum nur 19?

Natürlich kann ich euch nicht ganz ohne Geschichten in die Weihnachtszeit schicken, also habe ich mir kurzerhand ein paar andere Autorinnen gesucht, die mir ihre Kurzgeschichten zur Verfügung stellen.
Diese könnt ihr dann jeweils an den Adventssonntagen und den Weihnachtstagen lesen.

Wer mitmacht verrate ich aber noch nicht.

Und wo finde ich den Kalender?

Wie jedes Jahr habe ich wieder eine Übersichtsseite angelegt.
Die findet ihr hier:

Poisons Adventskalender 2018

Meh, nur Schnipsel? Ich wollte doch ne neue Geschichte von dir!

Keine Bange, ich hatte zwar keine Zeit für meinen eigenen Kalender etwas Ausführliches zu schreiben, dafür wird es an anderen Stellen noch mehr zu lesen geben.

  1. June Is und ich haben keine Mühen gescheut, um eine besondere Geschichte für den Adventskalender des Büchestadt Kuriers zu erschaffen. An welchen zwei Tagen sie erscheint, wurde uns noch nicht verraten. Behaltet es also im Auge!
    Vermutlich wird es nicht unser letzter Ausflug in jene Welt sein.
  2. Neben vielen anderen Buchbloggern und Autor*innen nehme ich auch an Anja Buchmann’s Postkarten Adventskalender teil. D.h. pro Tag könnt ihr eine von mir persönlich geschriebene Weihnachtskarte gewinnen! Meine gibt es am 3. Dezember
  3. Bei der Bücherhexe auf Facebook werde ich eines meiner Projekte am 9. Dezember vorstellen.
  4. Auch die Nornen machen wieder einen Adventskalender. Ich weiß schon, wann ich dran bin und ihr dürft euch märchenhaft überraschen lassen. 🙂

Also dann! Wir sehen uns morgen mit dem ersten Schnipsel!

Anne

Adventskalender: Türchen #24

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Offenbarung

Für den Rest der Nacht holte Katrin die restlichen Decken, um sie beide darin einzuwickeln. Nicholas hatte derweil die Stelle gefunden an der er sich auch mit den Fesseln hinsetzen konnte; schließlich waren sie zum Festhalten und nicht zum Foltern gedacht. Sie setzten sich dicht nebeneinander, um sich auch gegenseitig Wärme zu spenden. Damit sie es beide bequem hatten, legte Nicholas seinen Arm um Katrin, da die Kette ihr sonst in den Rücken drücken würde. Sie sträubte sich zwar erst etwas dagegen, gestand sich dann aber ein, dass es so wesentlich angenehmer war.

Für eine Weile musste Katrin ihm davon erzählen, was sie getan hatte, um die Verwandlung umzukehren. Dabei ließ sie allerdings ihren Fehlversuch aus, das war ihr dann doch zu peinlich einem nur leicht bekleideten Nicholas gegenüber. Allein der Gedanke ließ sie rot werden und auch seine wiederholten Nachfragen änderten nichts an ihrer Entscheidung. Nicht viel später überkam Katrin schließlich die Erschöpfung. Der Weg durch den Schnee und ihre Sorge um Nicholas forderten ihren Tribut. Ihren Kopf an Nicholas’ Schulter gelehnt schlief sie schließlich ein.

Am nächsten Morgen wurden sie von einem erstaunten “Nicholas!” geweckt. Katrin hob den Kopf und konnte den Umriss, der sich ihnen näherte, erst als Nicole erkennen, als sie schon vor Nicholas kniete und ihn fest in die Arme schloss.
“Du- ihr- was?”, fragte sie, lehnte sich etwas zurück und sah verwirrt zwischen ihnen hin und her.
“Guten Morgen”, begrüßte Nicholas sie mit einem breiten Grinsen, was Nicole zum Lachen brachte. Es war ein erleichtertes, fröhliches Lachen.
“Wie habt ihr das geschafft?”, brachte sie schließlich hervor.
“Das wissen wir selbst nicht so genau …”, gab Nicholas beschämt zu. “Katrin hat auf mich eingeredet und ich hab darauf reagiert …”
“Hauptsache, du bist wieder du selbst!” Nicole schüttelte lächelnd den Kopf. Eigentlich wollte sie mit Katrin schimpfen, weil sie einfach mitten in der Nacht alleine in die Höhle gegangen war, aber sie konnte nicht. Das Ergebnis dieser wahnsinnigen Aktion war schließlich ihr kleiner Bruder, der nun nicht mehr von Fell bedeckt war.
“Ihr müsst beide ja total durchgefroren sein …”, war alles, was sie sagen konnte und rieb Nicholas über die Arme.
“Es geht. Mors Decken haben geholfen”, winkte Nicholas ab und klirrte dabei mit der Kette. “Nur die sind etwas lästig”, ergänzte er mit einem Lächeln.
Nicole erwiderte es und präsentierte lässig den Schlüssel, den sie aus ihrer Jackentasche gezogen hatte. “Na dann wollen wir dich mal davon befreien.”

Von den Ketten befreit rieb Nicholas über seine aufgeschürften Handgelenke. Katrin hatte ihm erzählt, wie sehr er sich gegen seine Fesseln gewehrt hatte, aber es so zu sehen, war nochmal etwas anderes.
Nicole zog sanft seine Hand weg. „So machst du es nur noch schlimmer.“
Er gehorchte und fing damit an sich erstmal ausgiebig zu strecken. Die Decke um seine Schulter hatte er dafür abgelegt. Katrin sah beschämt zur Seite, denn die provisorisch um seine Hüfte gelegte Decke verdeckte nicht sonderlich viel.
“Hätte ich gewusst, dass du ne Enthaarungskur gemacht hast, hätte ich dir Sachen mitgebracht”, kommentierte Nicole als die Decke vollends den Halt verlor. Vorwurfsvoll blickte sie zu Katrin, die immer weiter in sich zusammensank.
“Es ist doch nicht ihre Schuld, dass wir hier draußen keinen Empfang haben…”, gab Nicholas zu Bedenken. Er wollte damit Katrin zur Seite stehen, aber dass er dabei mit hochrotem Kopf die Decke wieder um seine Hüfte band, half nicht gerade.
Nicole schüttelte nur den Kopf und hob eine weitere Decke auf, die sie ihrem kleinen Bruder mit einem aufrichtigen Lächeln um die Schultern legte. “Jetzt sorgen wir erstmal dafür, dass du ins Warme kommst.”

Mit ihren Fähigkeiten hielt Nicole den Schnee, der auf sie hinab rieselte davon ab sie zu erreichen und sorgte dafür, dass der bereits liegende zu einer festen Fläche wurde. Zumindest wenn sie Nicole in direkter Linie folgten, was Katrin am eigenen Fuß erfuhr, der bei einem Fehltritt tief in den Schnee einsank. Schmunzelnd half Nicholas ihr auf die Beine, während Nicole es ihr knapp erklärte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie endlich das Haupthaus. Katrin war trotz wärmender Decke komplett durchgefroren. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es Nicholas ging, der Barfuß durch den Schnee lief.
Nicole öffnete die Tür. Geschirrklappern und Gespräche drangen zu ihnen hinaus und hielten schließlich inne.
“Ist alles in Ordnung?”, fragte Natascha besorgt. Ihr Stuhl schabte über den Küchenboden.
“Schaut mal, wen ich mitgebracht habe”, verkündete Nicole stattdessen freudig und machte Platz für Nicholas, der mit eingezogenem Kopf durch die Tür ging.
“Nicholas …”, hauchte Natascha und schloss ihren Sohn sogleich fest in die Arme und auch seine anderen Familienmitglieder kamen auf ihn zu, um ihn willkommen zu heißen.
Katrin drängte sich an ihnen vorbei in die warme Küche. Sie lächelte und war einfach nur froh, dass ihr kleines Abenteuer ein solches Ergebnis erzielt hatte.

Kaum war die erste Welle der stürmischen Umarmungen verflogen und alle hatten sich etwas beruhigt, da piepte Katrins Handy wie wild los. Alle sahen sie an und peinlich berührt schaute sie, was das Gerät wollte. 7 verpasste Anrufe, 3 Nachrichten und 5 neue E-Mails prangten auf ihrem Display, alle von der gleichen Person: Dem Vater, dem sie die Seiten zur Übersetzung gegeben hatte. Nervös öffnete sie die erste Nachricht und überflog sie. Ein Lächeln begann sich auf ihrem Gesicht auszubreiten.
Habe auf einem Symposium einen Kollegen getroffen, der die Sprache spricht. Es handelt sich um eine Mischung aus Alt-Norwegisch und der Sprache der Sami. Er war so begeistert, er wird sich umgehend um eine Übersetzung bemühen”, stand dort in den kleinen digitalen Buchstaben. Die zweite Nachricht verkündete, dass sie die Übersetzung am Ende des Tages erwarten könnte. Die dritte verwies auf eine E-Mail. Schnell wechselte sie das Programm, noch immer unter den verwirrten Blicken der Familie. “Im Anhang die fertige Übersetzung.” Katrin konnte sich ein freudiges Quieken nicht verkneifen und öffnete diesen hoffnungsvoll. Sie las die Übersetzung und las sie noch ein zweites Mal, um sicherzugehen, dass sie alles richtig verstanden hatte. Das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen als sie den ungeduldig Wartenden verkündete: “Die Übersetzung ist da.”

“Na, lies schon vor!”, drängte Nick, aber es war Nicholas auf dessen Antwort sie wartete. Als er kaum merklich nickte, begann sie zu lesen.
Der Krampus-Zauber ist einer der ältesten und mächtigsten Schutzauber Joulkys,”, Katrin musste über die Schreibweise ‘Julki’ schmunzeln, aber vielleicht wurde es früher so geschrieben, “der seinen Wirt mit besonderen Fähigkeiten ausstattet, um das Dorf und die Familie zu schützen. Mit seiner Fähigkeit, die Bösartigkeit eines Menschen zu erspüren, kann er Gefahren bereits abwenden, bevor sie zu einer Bedrohung werden. Durch die Verwandlung in die Bestie gewinnt der Wirt an Schnelligkeit und Stärke. Jedoch sind diese Vorteile nur nutzbar, sofern der Wirt seine Menschlichkeit nach der ersten Verwandlung, seiner ‘Wilden Phase’, zurückerlangt.” Katrin machte eine Pause um Luft zu holen und die Gesichter zu betrachten. Der Krampus war kein Monster, er war ein Beschützer! Nicholas war der neue Beschützer des Dorfes! Doch noch schien diese Nachricht nicht angekommen zu sein, denn er starrte lethargisch zu Boden, während Nicole nachfragte, ob das alles war. Katrin schüttelte den Kopf und las weiter. “Stirbt ein Krampus-Wirt sucht sich der Zauber einen neuen aus dem Kreis der Familie. Einst ging man davon aus, dass der Zauber von der größten Quelle der Wut angezogen wurde, heute wissen wir jedoch mit Bestimmtheit, dass für die Wahl des nächsten Wirtes dessen vorhandener Hass eine stärkere Rolle spielt.” Dieser Abschnitt hatte sie schon beim vorherigen Lesen verwirrt. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass jemand wie Nicholas einen solchen Hass in sich tragen könnte. “Wurde ein neuer Wirt gefunden, so dauert es bis zu den nächsten Rauhnächten, dass die Verwandlung beginnt und sich unterschiedlich schnell ausbreitet, bis er vollkommen zur Bestie wird. Nur durch eine Konfrontation mit seiner eigenen Menschlichkeit und der Wahrheit über seine Situation, kann der Wirt aus der Wilden Phase herausgerissen werden und seinen Aufgaben gezielt nachkommen.” Katrin schluckte, bevor sie weiterlas: “Gelingt es nicht, den Krampus-Wirt aus der Wilden Phase zurückzuholen, so muss er einem magischen Ende zugeführt werden, damit ein anderer Wirt seinen Platz einnehmen kann.” Damit schloss sie. Das Dokument endete mit einem Hinweis auf kommende Übersetzungen, da der Text wesentlich länger gewesen war, sie aber vor allem um Passagen zur Verwandlung und Entstehung gebeten hatte. Allerdings hatte sie das Vorwort verschwiegen: “Um das Wissen über den Krampus zu bewahren, schreibe ich diese Zeilen. Mögen sie kommenden Generationen dienen den kommenden Krampus-Wirten auf ihrem Weg zu helfen.” Das würde Ephraim mit seinem Gewissen ausmachen müssen.

Über den Raum hatte sich Schweigen gelegt, es fühlte sich an, wie die Ruhe vor dem Sturm.

“Wen hasst du?”, brach es schließlich aus jemandem heraus. Katrin konnte nicht sagen wer es war, denn die Stimmen überschlugen und vermischten sich, als sie auf Nicholas eindrängten.
“Was hasst du?”
“Du bist doch immer so freundlich zu jedem!”
“MICH!”, brach es schließlich aus Nicholas hervor und er presste seine Hände gegen seine Stirn. “Ich bin ein Nichtsnutz, ein Versager…”, brummte er erschöpft, “Ich kann von allem ein bisschen, aber nichts wirklich gut…” Zwischen seinen Haaren brachen langsam die Hörner erneut hervor, aber seine Familie starrte ihn lediglich verwirrt an. Da niemand von ihnen reagierte, nahm Katrin es auf sich, ihn von den anderen wegzudrehen.
“Sieh mich an”, forderte sie ihn auf und fixierte sein Gesicht mit beiden Händen in ihre Richtung. Seine sonst so dunklen Augen hatten sich bereits aufgehellt und suchten hektisch nach Halt. “Nicholas”, versuchte sie erneut seine Aufmerksamkeit zu erlangen, vehement und mit einer Ruhe, die nicht ihr Innerstes erreichte; wie bei einem verängstigten Kind.  Endlich blieben seine Augen auf den ihren ruhen.
“Du bist kein Versager, es ist nur dein Kopf, der dir das einreden will!”, versuchte sie ihm klar zu machen, “Das ist ganz normal. Es gibt sogar viele Leute, die so denken. Du bist damit nicht allein.” Mit einem aufmunternden Lächeln fuhr sie fort: “In meiner Welt gibt es Ärzte – Psychologen –  die dir helfen können mit diesen Gedanken zu leben, damit sie dich nicht kaputt machen. Aber nur, wenn du das auch willst.”
“Einen Arzt? Der Junge ist doch nicht krank!”, protestierte Nikolaus abweisend.
Nicholas zuckte zusammen, doch Katrin ließ ihn nicht los.
“Doch ist er!”, widersprach Claudia und strich Nicholas beruhigend über die Schulter, “Wenn sein Selbsthass so stark ist, dass der Krampus-Zauber ihn für würdig hält, dann braucht er dringend Hilfe…” Über Nicholas’ Schulter hinweg sah sie zu Katrin, die zustimmend nickte. Bedrückendes Schweigen hatte sich über den Raum gelegt und Katrin spürte, wie Nicholas langsam anfing zu zittern. Seine Augen verdunkelten sich wieder und ohne Vorwarnung krallte er sich an sie, sein Gesicht an ihrer Schulter verborgen. Tränen benetzten ihre Jacke und alles was sie tun konnte war, ihm in beruhigenden Kreisen über den Rücken zu streichen.

Nachdem er sich gefangen hatte, richtete er sich wieder auf, sah sie betrübt an und flüsterte: “Es tut mir Leid.”
“Das braucht es nicht”, versicherte sie ihm. “Aber jetzt brauche ich erstmal eine warme Dusche und du auch”, versuchte sie ihn abzulenken und klopfte ihm aufmunternd auf den Oberarm.
Verstohlen blickte Nicholas an sich herab und murmelte: “Etwas zum Anziehen wäre auch gut…”
“Das wollte ich jetzt nicht nochmal extra betonen…”, gab Katrin zu und beiden stieg die Röte ins Gesicht.
“Geht, Claudia kann uns alles erklären”, bestimmte Nicole und wuschelte ihrem kleinen Bruder durch die Haare.
Dieser blickte sie dankbar an und ließ sich dann von Katrin hinausbegleiten.

Als sie im Flur ankamen blieb Nicholas nachdenklich stehen und Katrin drehte sich fragend zu ihm um.
“Ich- Du- Kannst du- Kannst du noch ein paar Tage hier bleiben?”, fragte er sie, den Blick unsicher zu Boden gerichtet. “Und-und mir… mir helfen jemanden zu finden… der mir glaubt ..?”
“Natürlich”, versicherte sie ihm mit einem halben Lächeln, “außerdem brauchst du dich nur zu verwandeln, dann glaubt dir jeder.“ Als Nicholas mit einem Schmunzeln reagierte, fügte sie ernster hinzu: ”Und wenn es dir hier zu viel wird, hast du ja mein Haus gesehen.”
Er nickte erschöpft. “Danke.”
“Dafür nicht”, widersprach Katrin mit einem dezenten Kopfschütteln. “Und jetzt ab unter die Dusche mit dir.”
Mit einem letzten Lächeln wandte Nicholas sich zum Bad, während Katrin ihm noch einen Moment lang hinterher sah. Sie dachte ihre erste Begegnung mit ihm war schon merkwürdig gewesen, aber nun half sie einem depressiven Krampus-Santa auf die Beine zu kommen. Das würden ihr noch viel weniger Leute glauben …

Behind the Scenes

Wir haben das Ende erreicht, das ursprünglich drei Kapitel waren. Ja, es ist ein offeneres Ende, aber ich hab schon ein paar Ideen, wie es mit Nicholas und Katrin weitergehen soll … 😉

Es war ein anstrengender und interessanter Weg hier her – und ich meine nicht nur die Geschichte – und ich möchte auch an dieser Stelle nochmal ein

GANZ GROßES DANKE!

an die Autorinnen, die mir bei dieser Geschichte geholfen haben, senden:

Irina ChristmannAnne Danck, Marina von DarkFairys SenfNebuEva-Maria Obermann und Paula Roose!

Ohne euch hätte ich das dieses Jahr nicht geschafft!

Ich hoffe alle Leser*innen und Autorinnen hatten Spaß – und Letztere waren nicht zu arg genervt, wenn ich doch nochmal was geändert haben wollte bzw. geändert habe. 😉

Damit wünsche ich uns:

Besinnliche Feiertage und vielleicht noch ein paar Flocken Schnee, die unsere Zuhause zu einem kleinen Joulky machen. 😉

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #23

Read in English

Monster

“Alles gut”, sagte Katrin, obwohl nichts gut war. Gar nichts. “Jetzt beruhigen wir uns beide erst einmal. Ich bin für dich da. Sag mir, was das Problem ist, und wir finden gemeinsam eine Lösung. Alles wird gut.”
Aber die Sätze, die sonst bei ihren Kindergartenkindern immer so gut wirkten, gingen in dem furchterregenden, langgezogenen Knurren unter, das von den Höhlenwänden widerhallte. Also verstummte sie und wartete auf eine Lücke im Knurren. Sie würde ihn nicht anschreien. Geduldig holte sie Luft und versuchte es, in der winzigen Stille noch einmal.
“Nicholas, ich will dir helfen. Ich -”
Wieder begann er zu knurren. Als hätte er keines ihrer Worte verstanden.
War das möglich? Konnte sich mit der Form seiner Ohren auch seine Fähigkeit, ihre Sprache zu verstehen – oder zu sprechen – verändert haben?
Wenn ja, dann würde alles Reden nichts nutzen – womöglich nahm er das nur als Knurren ihrerseits wahr. Aber wie konnte sie ihn dann dazu bringen, sich zu beruhigen? Katrin beobachtete, wie sich Nicholas immer und immer wieder gegen seine Ketten warf, seine ganze Wut und Aufmerksamkeit auf sie, den Eindringling gerichtet. Das Herz blutete ihr bei diesem Anblick. Und wenn er so weitermachte, dann würde ihm bald die Handgelenke bluten. So ging das nicht weiter. Wenn sie schon nicht mit ihm reden konnte, dann würde sie ihm zeigen müssen, dass sie ihm nichts böses wollte.
Warum, verdammt, hatten sie diese dumme Übersetzung noch nicht bekommen?
Entgegen allem, was ihr die Instinkte zuschrien, setzte sich Katrin in Bewegung und näherte sich dem Wildgewordenen. Ganz langsam. Wie vorher durch den Tiefschnee, so kostete sie auch jetzt jeder Schritt unglaubliche Überwindung. Denn natürlich wurde er zunächst nicht ruhiger, sondern raste nur um so mehr.
Ganz ruhig. Alles wird gut.
Jetzt war sie selbst es, der sie dieses Mantra aufsagen musste. Noch drei Meter. Zwei. Eine Armlänge. Noch nie war ihr so deutlich bewusst gewesen wie groß Nicholas im Vergleich zu ihr war. Wie kräftig. Sie musste verrückt sein.
Auch die Hand streckte sie ganz langsam aus. Nicholas kämpfte gegen die schweren Ketten, die seine Arme zurückhielten, und versuchte stattdessen mit dem Kiefer nach ihr zu schnappen. Zu schnappen. Wie ein Tier. Katrins Atem ging flach. Trotzdem schob sie Zentimeter für Zentimeter ihre Finger vor. Sie wagte nicht, sich vorzustellen, was es bedeuten würde, wenn die Zähne des Krampus’ sie tatsächlich erreichten. Wenn diese Kiefer…
Nicholas. Es war immer noch Nicholas.
In dem Moment, in dem er erneut nach ihr zielte, drehte sie die Hand und legte sie ihm an die Wange.
Er erstarrte. Gelbe Augen fixierten sie.
Sie bewegte die Finger, vorsichtig. Das Fell war rau unter ihren Fingerspitzen. Und er schnaufte noch immer – ob vor Wut oder Angst vermochte sie nicht zu sagen. Aber irgendetwas in ihm, schien noch Nicholas genug zu sein, um diese Berührung als eine ungefährliche wiederzuerkennen.
Und wenn der Weg zu seiner Erlösung damit zusammenhing? Wenn sie ihn ganz ans Menschsein erinnern musste? War es nicht auch das Wundermittel in sämtlichen Märchen? …und wenn das hier keine wahrgewordene Sagengestalt war, was dann?
Ein unangebracht aufgeregtes Prickeln stieg in ihr auf, trieb ihr das Herzklopfen in die Kehle und das Blut in die Wangen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Einfach so. Auf den Mund.
Eine nervöse Sekunde lang passierte nichts.
Dann kam wieder Bewegung in den Krampus und er schüttelte sie ab. Nicht absichtlich. Er zog und zerrte lediglich wieder mit aller Kraft an seinen Ketten und brüllte auf, als er feststellte, dass sie sich nicht bewegten.
Und er besaß immer noch Hufe, Krallen und Hörner wie zuvor.
“Verdammt, Nicholas! Was soll ich denn noch tun?” Plötzlich war die Angst wieder mit voller Wucht da, schnürte ihr den Hals zu. “Du könntest mir ja auch mal nachdenken helfen, anstatt mich nur anzuknurren! Oder wenigstens stillstehen, verflucht! So machst du doch alles nur noch schlimmer!” Aufgewühlt drehte sie sich fort und begann, in der Höhle auf- und abzulaufen. “Es muss einfach einen Ausweg geben! Es muss einfach! Und ich werde dich nicht im Stich lassen – da kannst du mich noch so bedrohlich anknurren! Hast du gehört, du Fellschädel?”
Doch genauso gut hätte sie mit der Höhlenwand reden können. Er war wieder ganz das beißwütige Monster geworden, dass allein durch die Ketten daran gehindert wurde, sich auf sie zu stürzen.
“Hörst du mir überhaupt zu, verdammt?!” Aufgebracht bückte sich Katrin nach dem hereingewehten Schnee zu ihren Füßen und warf ihn Nicholas an den Kopf. Er zuckte zusammen, schüttelte sich wie ein Hund und machte dann weiter wie zuvor. Manisch.
“Ach, verflucht!” Was tat sie hier? Sie konnte doch sehen, dass ihre Anwesenheit ihm mehr schadete, als half! Meine Güte, hatte sie sich nicht geschworen, nicht zu schreien? Was war es dann, was sie gerade machte? Hatte sie ihn ernsthaft beworfen?
“Ich bin dir keine gute Gesellschaft, oder? Jetzt nicht… Aber vermutlich war ich das auch zuvor nicht. Ich meine, was habe ich denn schon für dich getan? Konnte ich dir auch nur in einem Punkt helfen? Du warst doch derjenige, der mich immerzu beschenkt hat – indem du mir das Dorf gezeigt hast. Und eure Bibliothek. Die Rentiere! Aber ich? Ich habe nur alles durcheinandergebracht. Dein Bruder hatte Recht, ich hätte nie in euer Dorf kommen dürfen. Wäre ich nicht gewesen, hättest du mich auch nicht vor dem Krampus schützen müssen. Und ohne den getöteten Krampus wärst du nie… ”
Ein weiteres Mal warf sich Nicholas grollend gegen die Ketten. Die Haut an seinen Handgelenken war inzwischen schon beinahe fellfrei – abgescheuert, nicht erlöst.
“Was habe ich nur getan?” Katrin würgte an dem Kloß in ihrem Hals, kämpfte gegen das Brennen in ihren Augen. Und fand sich plötzlich auf den Knien wieder, direkt vor Nicholas und doch so unendlich weit weg, und die Schluchzer rollten nur so über sie hinweg, schüttelten sie, bis sie selbst kaum noch Luft bekam. Die ganze Welt war verschwommen, nichts mehr übrig außer dem Eingeständnis ihrer Hilflosigkeit.
Es dauerte eine Ewigkeit, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Als sie sich auf die Lippen biss und beschloss, dass sie ebenso gut gehen und wenigstens Nicholas seine ungestörte Einsamkeit wiedergeben konnte. Schuldbewusst hob sie den Kopf, um ihn anzusehen –
Und fand sich erneut zwei goldenen Augen gegenüber.
Er riss nicht an seinen Ketten, er brüllte nicht. Er hatte sich so weit wie möglich zu ihr herabgebeugt und war erneut erstarrt, fixierte sie eindringlich.
Menschlichkeit, begriff Katrin durch den Nebel in ihrem Kopf hindurch. Weinen war auch etwas, was nur Menschen konnten.
Dann, jäh, klirrte es laut und Katrin zuckte zusammen. Die Kette von Nicholas rechtem Arm war erneut straff gespannt. Er zerrte daran. Aber diesmal nur einseitig. Was…
Rechts. Nicholas war Rechtshänder. Er wollte etwas zeigen. Oder berühren?
Unsicher blinzelte Katrin gegen die verbliebenen Tränen an und rutschte ein winziges Stück vor – wenn er jetzt erneut einen Rückfall erlitt…? – und noch ein Stück und noch eines…
Seine Hand zielte auf ihr Gesicht. Erschrocken hielt Katrin die Luft an und schloss instinktiv die Augen.
Doch die Kralle kratzte nur ganz sacht über ihre Haut und war dann wieder fort. Sie öffnete die Augen.
Der Krampus – Nicholas – betrachtete die Träne auf seinem Finger.
Katrin schnappte nach Luft. Finger – keine Kralle! Und noch während sie voller Unglauben darauf starrte, konnte sie sehen, wie das Fell sich, angefangen von dem Finger, immer weiter zurückzog. Auflöste, als wäre es nie dagewesen, nur ein schlimmer Spuk, ein Albtraum, nichts weiter.
Mit einem Aufschrei zwischen Lachen und Weinen sprang sie auf und schlang Nicholas die Arme um den Körper. Erneut strömten die Tränen ohne Halt aus ihr heraus. Unter ihrer Wange schmolz das Fell dahin und wurde zu glatter Haut. “Du bist wieder da”, brachte sie schniefend heraus. “Also war es doch eine Märchenerlösung! Wie konnte ich nur vergessen, dass Tränen auch eine Option sind?”
“Tränen?”
Wie gut es war, seine normale Stimme wieder zu hören! Auch wenn sie vom vielen Brüllen noch etwas rau klang. Ohne ihn loszulassen, lehnte sie sich zurück, um in sein Gesicht sehen zu können. Gerade in dem Moment, als der Zauber sich von seiner Stirn zurückzog und beide Hörner abbrachen und mit einem Klappern zu Boden fielen.
Nicholas blinzelte. “Was -”
Er war nun wieder ganz der Alte. Kein Krampus mehr. Einfach nur Nicholas. Und…
Sie sahen beide gleichzeitig an ihm herab.
“Ähm”, machte Katrin, räusperte sich nervös und trat einen Schritt zurück. “Vielleicht sollten wir dir etwas zum Anziehen beschaffen.”
“Ist ja auch ziemlich kalt”, stimmte Nicholas zu – und sein Tonfall klang dabei schon wieder so unbeschwert und so sehr nach ihm, dass es sie zum Lachen brachte.

“Das ist das einzige, was ich finden konnte.” Katrin hielt Nicholas eine der Decken hin. Sie waren aus Wolle gestrickt und mit Mustern von Schneeflocken und Rentieren versehen.
“Ist das…?”
“Das Werkzeug, mit dem der Krampus aufgetaut wurde? Ich vermute, ja.” Sie drückte es Nicholas mit Nachdruck in die Hand. “Nur angemessen, dass sie jetzt dich auch etwas auftauen, findest du nicht?”
Umständlich versuchte Nicholas, sich in die Wolle zu hüllen – die Ketten kamen ihm immer wieder in den Weg. Notgedrungen sprang ihm Katrin zu Hilfe und kämpfte währenddessen gegen den eigenen hochroten Kopf und das Verlegenheitslachen in ihrem Hals an.
“Du solltest dir auch eine nehmen”, forderte Nicholas sie auf.
Katrin verzog den Mund. “Ich sollte eigentlich durch den ganzen Schnee zurückstapfen und dir echte Kleidung holen. Und mich bei der Gelegenheit gleich deiner ganzen Familie stellen und ihnen beichten, was ich getan habe. Wobei ich dann vermutlich nicht diejenige bin, die dir die Sachen bringt. Vermutlich werden sie mich gleich wieder zurück nach Hause verfrachten.” Je mehr Katrin darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien ihr das und umso mehr sank ihr Mut. Am Liebsten hätte sie sich in der hintersten Höhlenecke unter den restlichen Decken versteckt, nur um den Reaktionen der anderen zu entgehen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, hierher zu kommen?
“Dann tu es nicht.”
Katrin blinzelte. “Aber -”
“Die Decken werden schon reichen. Außerdem kann ich doch nicht zulassen, dass du meine Familie konfrontierst, ohne mich als Fürsprecher dabeizuhaben. Ich will nicht sagen, dass es ungefährlich oder auch nur ansatzweise vernünftig war, was du getan hast. Aber ohne dich wäre ich weiterhin in einem Zustand, in dem ich nicht einmal wüsste, was Vernunft bedeutet.” Er lächelte – nein, strahlte – sie an, wie er es schon damals getan hatte, als sie ihm die Ofenbürste für den Auspuff angeboten hatte. Oder er ihr eine Schlittenfahrt angeboten hatte. Jedenfalls nicht, als hätte er nicht vor wenigen Minuten noch Hufe besessen und sich mit verzweifeltem Brüllen gegen seine Ketten geworfen.
“Wenn du das sagst… “
“Nicole wird diejenige sein, die morgens nach mir gucken kommt, denke ich. Sie sollte am leichtesten auf unsere Seite zu ziehen sein, und vielleicht kann sie mich dann auch direkt aus diesen lästige Ketten befreien. Mann, die jucken aber auch!”
“Tut mir leid.”
Nicholas winkte ab und die Ketten rasselten bei der Bewegung. “Ich hab dir doch eben schon gesagt, es liegt nicht an dir, dass du sie nicht aufbekommst. Jede Wette, dass sie mit einem Zauber belegt sind.”
“Falls ich irgendetwas tun kann…”
Nicholas schüttelte den Kopf. “Nein, das ist… – Oder warte, doch.” Er grinste ein wenig verlegen. “Ich will nicht, dass du glaubst, ich hätte schon wieder den Verstand verloren, aber -”
“Dafür konntest du ja wohl kaum was!”
“Aber wärst du so nett und würdest mich absuchen?”
“Absuchen? Wonach?”
“Ich frag mich nur… So wie sich die Rückverwandlung angefühlt hat – oder das, was ich davon mitbekommen habe – könnte ich schwören, dass es die gleiche Art von Magie war, die mich auch Eiszapfen erschaffen lässt. Und vielleicht ist das auch etwas ähnliches? Jedenfalls dachte ich…”
“Dann müsstest du ein weiteres Tattoo haben.”
“Genau.” Wieder das verlegene Lächeln. “Würdest du? Es würde mir Sicherheit geben, wenn ich wüsste, dass die Rückverwandlung jetzt zu einer beherrschbaren Fähigkeit geworden ist. Aber klar, ich würde auch verstehen, wenn es dir zu unangenehm wäre, immerhin bin ich…”
“Halbnackt?” Katrin hob eine Augenbraue.
Er grinste entschuldigend. “Nun ja…”
“In Ordnung. Streck deine Arme aus. Wir fangen mit dem einfachsten an.”
Doch Arme und Rücken waren tattoofrei. Ebenso Hals, Waden, und…
“Hier!” Aufgeregt ging Katrin in die Knie und deutete auf Nicholas rechten Knöchel, eine Stelle, die gerade so unter der Fußfessel sichtbar war. “Wie wäre es damit?”
Es war eine Miniaturausgabe eines einzelnen Krampushorns. In seiner Winzigkeit sah es unschuldig aus, geradezu irritierend harmlos, nicht annähernd so mächtig und todbringend wie es auf Nicholas‘ Kopf ausgesehen hatte.
“Könntest du dich willentlich zurück in den Krampus verwandeln?”
“Katrin, ich glaube nicht -”
“Du hast es selbst gesagt! Die Verwandlung gehört jetzt zu deinen Fähigkeiten. Du wirst mir nichts tun.”
“Dann trete wenigstens einen Schritt zurück.”
Sie tat wie geheißen.
Nicholas schloss die Augen. Mehr, weil er nicht ihre Reaktion auf die Verwandlung sehen wollte, denn weil er sich wirklich konzentrieren musste, vermutete sie.
Nichts geschah.
Nicholas öffnete die Augen wieder. “Ich spüre die Magie, aber sie scheint zu verpuffen, sobald sie Gestalt annimmt. Ich vermute, es sind die Ketten. Ich werde es wieder versuchen, sobald ich sie los bin. Und dann… werden wir sehen.”

Behind the Scenes

Das vorletzte Kapitel ist erneut von Anne Danck und auch hier hatten wir ein paar Positionsprobleme und mussten uns erstmal abstimmen, wer eigentlich wann, wie steht/kniet und umarmt. 😀

Was aber die längste Diskussion angezettelt hat, war die eigentliche Erlösung und wie das zustatten kommt, da hatte ich das Bild in meinem Kopf anfangs nicht genau genug kommuniziert und Anne musste nochmal ran und die Stelle umschreiben.

Und ja, mir ist bewusst, dass die Nacktheit nach einer Rückverwandlung ein alter Hut ist, aber immerhin ein peinlich-witziger, alter Hut. 😉

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #22

Read in English

Eine wirklich dumme Idee

Sie drückte auf die Wahlwiederholungstaste. Es tutete. Wieder nahm keiner ab.
“Komm schon, Nicholas.” Stirnrunzelnd starrte Katrin das Telefon an und legt auf. Es machte sie nervös, diese Funkstille. Es hatte so schön funktioniert, die letzten Wochen. Sie schrieb ihm Nachrichten über den Stand ihrer Suche, er schrieb zurück. Doch seit zwei Tagen…
Erneut drückte sie auf die Wahlwiederholung. Entschied sich dagegen und legte wieder auf. Stattdessen durchsuchte sie das Telefonbuch nach Nicoles Nummer. Zögerte. Und rief dann an.
Es klingelte nur dreimal.
“Ja?”
“Ich bin’s, Katrin.” Sie presste sich die Finger gegen die Nasenwurzel. “Du, sag mal, ich kann Nicholas nicht erreichen…”
“Was? Ja…Moment.” Vom Hörer weg sagte Nicole etwas auf Norwegisch. Im Hintergrund war einiges an Tumult zu hören. Mehrere Leute riefen gleichzeitig, ohne dass Katrin jedoch hätte verstehen könne, worum es ging. “Ist gerade ein ganz schlechter Zeitpunkt”, hörte Katrin dann wieder lauter auf fast akzentfreiem Deutsch. “Ich ruf dich später zurück.”
“Nicole.” Katrin legte alle Autorität in ihre Stimme wie sie es sonst nur bei ihrer Kindergartengruppe tat. “Lass mich helfen.”
“Nein, das ist -” Noch mehr laute Stimmen im Hintergrund. Ein Splittern, das klang, als wäre Holz zu Bruch gegangen. “In Ordnung. Ich bin gleich bei dir.”

Auf dem Weg vom Portal zum Haus sprach keiner von ihnen. Sie hasteten nur schnellstmöglich durch die Schneemassen, beinahe sogar zu schnell, als dass Katrin Zeit zum Frieren gehabt hätte. Aber nicht schnell genug, dass nicht trotzdem die Gedanken hochgekommen wären. Was war in ihrer Abwesenheit passiert? Wie konnte Nicholas – der Nicholas, der mit ihr im Schlitten geflogen war, sie blind an der Hand durch die Bibliothek geführt hatte und sich bei Verlegenheit auf die Lippe biss – wie konnte derselbe Nicholas für das Chaos am anderen Ende des Telefons verantwortlich gewesen sein? Wollte sie wirklich sehen, wie er jetzt war? Würde sie tatsächlich etwas ändern können?
Als sie das Haus betraten, war es totenstill. Kein lautes Stimmengewirr, kein Poltern.
Am Wohnzimmertisch fanden sie dann lediglich Carlos und Natascha, umgeben von einem Chaos aus Holzsplittern und Porzellanscherben. Anscheinend hatte es Kuchen gegeben – doch die Reste des Gedecks waren überall im Raum verteilt. Eine Gabel steckte sogar auf Augenhöhe im Türrahmen und Katrin wollte sich nicht ausmalen, wie sie dorthin gekommen war.
Während Carlos unbeholfen auf Natascha einredete, drückte sich diese stumm ein Taschentuch gegen die Augen, die Schultern von gelegentlichem Beben geschüttelt. Doch beim Knarren ihrer Schritte auf dem Boden, verstummte Carlos und sah sich um.
“Wo sind die anderen?”, platzte Nicole sofort heraus. “Wo ist Nicholas?”
Von Natascha war lediglich ein leises Japsen zu hören.
“Carlos?”
Er murmelte etwas Unverständliches.
“Was ist passiert? Was habt ihr mit ihm gemacht!”
Unter Nicoles Ausbruch schrumpfte Carlos in sich zusammen. “Nicholas – er war nicht mehr er selbst und -“
“Das habe ich gesehen!”
“Nein, es wurde noch schlimmer und er…” Carlos presste die Augen zusammen, als würden die Bilder ihm Schmerzen bereiten.
“Er hat Klaus verletzt.” Nataschas Stimme war heiser. “Ich bin mir sicher, er wollte es nicht. Aber in seinem jetzigen Zustand… Nick hat keine andere Wahl mehr gesehen, als die Glocke zu benutzen.”
“Die Glocke? Ihr habt ihm seinen eigenen Willen genommen? Ihn handlungsunfähig gemacht?” Nicoles Worte überschlugen sich fast, sie begann am ganzen Körper zu zittern. “Wie könnt ihr – wie könnt ihr…”
Auch wenn Katrin selbst die Knie weich waren, so war sie doch noch geistesgegenwärtig genug, um Nicole einen Stuhl hinzuschieben und sie sanft darauf zu bugsieren. Allein dass diese es ohne Widerstand geschehen ließ, sprach Bände. “Wo ist er jetzt?”, fragte Katrin an Carlos und Natascha gewandt.
“Er musste fort von hier, wo er sich selbst oder anderen Schaden kann.”
“Wo ist er?”, wiederholte Katrin stur.
“In der Krampus-Höhle”, antwortete Natascha kaum hörbar und drückte sich erneut das Taschentuch gegen die Augenwinkel.
Sie hatten ihn weggesperrt.

Sie konnte nicht schlafen.
Katrin lag in dem fremden Bett und starrte an die Decke. Zum Fenster, vor dem die dunkle Nacht gähnte. Auf den Wecker, dessen Zahlen in schwachem Grün leuchteten. Ein Uhr drei. Wundervoll. Wütend starrte sie wieder zur Decke auf.
Warum bitte war sie hier, wenn sie nichts tun konnte? Ob nun hier oder in ihrem eigenen Bett – Nicholas war unerreichbar. Nicht räumlich, vielleicht, aber dennoch geistig. Wenn sich nicht einmal mehr seine magische Familie in seine Nähe traute…
Plötzlich saß sie aufrecht im Bett, das Herz schmerzhaft klopfend. Statt dem dunklen Zimmer sah sie den alten Krampus vor sich, wie er eingefroren im Eisblock hing. Was, wenn… Das würden sie nicht… Sie waren seine Familie! Sie würden doch nicht…
Auch der alte Krampus war Teil der Familie gewesen.
Sie hatte die Bettdecke zur Seite geschlagen und sich die Hose übergestreift, bevor sie sich überhaupt bewusst war, was sie tat. Sie konnte einfach nicht anders. Sie musste es wissen. Sie musste es sehen. Sie musste ihn sehen. Wenn er nun gar nicht weiter verändert war und sie ihn trotzdem angekettet hatten? Sicher, sie würde nichts tun können – außer ihm Gesellschaft zu leisten – aber dann hätte sie wenigstens die Gewissheit, mit was für Menschen sie es hier zu tun hatte.
Und falls sie doch allen Grund hatten, ihn anzuketten… Aber diesen Gedanken schob sie ganz schnell wieder fort.
Pullover. Noch einen Pullover. Dicke Socken. Schal. In ihrer Hast stolperte sie beinahe über ihre eigenen Füße, als sie den Flur entlanghuschte. Dabei musste sie doch um alles in der Welt leise sein! Wenn auch nur einer von ihnen Wind davon bekam, was sie vorhatte…
Die Treppe hinunter. Stiefel überziehen. Sie angelte nach der geborgten Winterjacke und riss dabei beinahe eine andere mit hinunter. Atmen. Mütze über, Handschuhe an, Schal feststopfen. Kein Zurück.
Sie stürzte sich hinaus in die Kälte.

Schon der erste Luftzug biss sich mit eisigen Zähnen von innen in ihre Lunge. Ihre Wangen erstarrten, ihre Augen brannten. Es hatte noch einmal geschneit, die weiße Schicht war jetzt noch höher, ging ihr beinahe bis zu den Knien und machte jeden einzelnen Schritt zu einem Kraftakt. Sie musste wahnsinnig sein.
Außerdem hätte sie sich eine Taschenlampe besorgen sollen. Schon hier auf der Rückseite des Wohnhauses, ohne den Schein der Laternen und Lichterketten des Marktplatzes, war es so duster, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Auch auf die Gefahr hin, von den Fenstern aus gesehen werden zu können, zog sie ihr Handy aus der Tasche und betätigte den Bildschirm, um wenigstens den leisesten Hauch eines Lichtscheines zu haben. Die Kälte kroch ihr bereits tief in die Glieder, die Hose war vom Schnee komplett durchgeweicht.
Dumme Idee, ganz dumme Idee.
Katrin biss die Zähne zusammen und stapfte weiter. Immer weiter. Es war zu dunkel, um von Weitem die Höhle zu erkennen und sie konnte nur hoffen, dass sie nicht in der Richtung irrte.
Wie ihre Kindergartenkinder gucken würden, wenn sie ihnen von diesem Abenteuer erzählte. Wie sie ganz allein und verfroren durch die Nacht stiefelte, nur um einen Blick auf Nicholas werfen zu können. Nein, besser sie hörten solche Geschichten nicht. Das hier war längst kein Weihnachtsmärchen mehr, es war zu einem Albtraum geworden.
Selbst in den Handschuhen waren ihre Finger allmählich steife Eisklumpen, die kaum noch in der Lage waren, das Handy zu halten. Unsicher warf Katrin einen Blick zurück in Richtung Dorf, wo ein schwacher Lichtschimmer Schnee und Nacht erhellte. Dann schob sie das Handy zurück in die Tasche und kämpfte sich im Dunkeln weiter. Zwang sich dazu, nicht zu denken und stattdessen die Anzahl der Schritte zu zählen.

Sie war bei zweihundertdreiundachtzig, als sie erkannte, dass die Verdichtung der Dunkelheit zu ihrer Linken die Höhle sein musste und sie beinahe daran vorbeigegangen wäre. Mit unendlich steifen Gliedern und vor Frost schmerzenden Zehen legte sie die letzten Meter im Tiefschnee zurück.
In der Höhle war es auch jetzt noch erstaunlich trocken. Kein Schnee hatte es über die ersten paar Meter hineingeschafft. Außerdem gab es hier wenigstens Fackellicht, es fühlte sich beinahe wieder wie Zivilisation an. Dankbar klopfte sich Katrin den Schnee von den Beinen und lehnte sich für einen Augenblick nur gegen die raue Höhlenwand, um durchzuatmen. Um die Angst in Schach zu halten, was sie gleich sehen würde.
Was, wenn er womöglich doch gar nicht hier war? Wenn sie den ganzen Weg umsonst zurückgelegt hatte?
Hastig stieß sie sich von der Wand ab und wandte sich dem Inneren der Höhle zu. “Nicholas?”, rief sie aufs Geradewohl und ihre zu hohe, halb erfrorene Stimme hallte von den schartigen Wänden wider. “Nicholas, bist du hier? Nicho-”
Das Knurren, das ihr antwortete, fuhr ihr durch Mark und Bein. Für einen Herzschlag lang vergaß sie zu atmen.
Das… das war kein Versuch gewesen, ein Wort zu formulieren. Das hatte nichts Menschliches mehr an sich gehabt.
Wieder ein Knurren. Und ein lautes Rasseln, das beinahe noch unheimlicher war.
Betroffen stürzte Katrin um die letzte Ecke.
Das Wesen, was dort angekettet war, bestand nur noch aus Fell und Klauen und gelbglühenden Augen, die ihr wild entgegenstarrten. Es hätte der alte Krampus sein können – selbst Hufe und Hörner waren identisch – hätte er nicht unverkennbar eine größere Statur besessen.
“Nicholas?”, hauchte Katrin.
Mit einem weiteren nackenhaarsträubenden Knurren warf sich das Wesen gegen seine Ketten. Nicht, wie es ein Mensch getan hätte, der sich befreien wollte. Sondern wie ein gefährlicher, zähnefletschender Rottweiler, der den Eindringling aus seinem Revier verjagen wollte.

Er erkannte sie nicht mehr.

Behind the Scenes

Heute gibt es wieder ein Doppelkapitel, diesmal alle beide von Anne Danck. Auch hier war ursprünglich angedacht zwei Kapitel draus zu machen, aber es passte dann doch besser zusammen, dass Katrin im gleichen Atemzug erfährt was geschehen ist und es mit eigenen Augen sieht. Da ich Anne erst nachträglich gebeten haben auch den ersten Teil zu übernehmen, war die zweite Hälfte vorher fertig. 😀

Und wer aufgepasst hat, hat vielleicht gemerkt, dass ein Charakter so ziemlich die Nase voll haben sollte von Krampen, Krampussen … oder wie auch immer die Mehrzahl von Krampus ist. 😉

PoiSonPaiNter

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Lies auf Deutsch

I’m sorry so far there is no translation of this door

PoiSonPaiNter

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Adventskalender: Türchen #21

Read in English

Lost in Translation

Es war nicht einfach mit Nicholas zu arbeiten. Seine Antworten waren entweder sehr einsilbig oder nur ein grummeln. Es war frustrierend, aber Katrin gab ihr Bestes, um ihn bei Laune zu halten und ihn dazu zu bringen nicht aufzugeben. Sie würden eine Lösung finden, da war sie sich sicher. In irgendeinem dieser abertausenden Bücher musste der entscheidende Hinweis zur Verwandlung eines Krampus stehen! Es musste einfach!

Um nicht ins Haupthaus zu gehen hatte Nicholas sich ein Lager in einer Ecke der Bibliothek aufgeschlagen, sehr zu Ephraims Missfallen, der ihn dennoch hin und wieder in sein eigenes Bett scheuchte. Dort blieb er allerdings meist nicht lang, denn noch vor Morgengrauen kehrte er wieder in die Bibliothek zurück. Bisher wusste seine Familie nicht, was mit ihm los war. Sie wussten lediglich, dass er während der Auslieferung, nicht unweit von Katrins Wohnort, zusammengebrochen war und sich seitdem zurückgezogen hatte. Letzteres hatte er Katrin ebenfalls gestanden, was ihm eine Standpauke eingebracht hatte. „Warum hast du denn nicht geklopft? Ich hatte alles schon vorbereitet und dekoriert!„, hatte sie ihn geschmipft und auch wenn er sich darüber freute, dass sie tatsächlich auf ihn gewartet hatte, so konnte er ihr seine Gründe nicht nennen. Sie würde es nicht verstehen. Stattdessen hatte er Katrin gebeten ihn nicht zu verraten, auch wenn es ihr schwer fiel und sie ihn immer wieder aufs Neue geradezu anflehte es ihnen endlich zu sagen. “Vielleicht können sie helfen!” oder “Sie müssen doch wissen, was mit dir los ist!” waren ihre Hauptargumente. Nein, er wollte es ihnen nicht sagen bis sie ein Gegenmittel oder etwas gefunden hatten, womit er es kontrollieren konnte. Er wollte nicht zur mörderischen Bestie werden. Er hatte bereits ein Leben genommen und das war bereits eines zu viel. Manche schlaflose Nacht dachte er darüber nach, ob seine Verwandlung dadurch kam, dass er den alten Krampus getötet hatte, aber er kam nie zu einem schlüssigen Ergebnis.

Katrin war nun nahezu täglich bei ihm. Sie kam direkt nach der Arbeit und ging wenn er sie spät nachts rauswarf, wenn sie wieder über einem Buch eingeschlafen war. Auf diese Weise ging sie seiner Familie so gut es ging aus dem Weg und musste sich dennoch nicht frei nehmen – auch wenn sie es sofort getan hätte, wie sie ihm mehrfach beteuerte, aber das wollte er nicht. Er wollte gar nicht, dass sie sich weiter einmischte. Sie sollte einfach ihr Leben weiterführen und ihn, ja, ihn weiter zum Monster werden lassen. Immer wenn er ihr das vorhielt, schallte sie ihn einen Dummkopf. “Freunde lassen Freunde nicht im Stich!” Freunde, mehr waren sie nicht. Es schmerzte wenn sie das sagte und es schmerzte noch viel mehr, wenn Carlos oder Ephraim sie nachts nach Hause begleiteten, damit ihr im Dunkeln nichts geschah. Er wollte sie selbst bringen. Auf sie aufpassen, aber er traute sich nicht aus seinem Versteck.

Als die Haare auf seinem linken Arm sich zu Fell verdichteten und seine Fingernägel zu Krallen wurden, sie aber immer noch keine Lösung gefunden hatten, erlaubte er Katrin endlich seiner Familie zu erzählen, warum er sich abschottete. Die Reaktionen überraschten ihn nicht. Die Blicke, mit denen sie ihn bedachten, als er sich ihnen offenbarte waren mitleidig und verzweifelt. Sie alle schauten hin und wieder nach ihm. Seine Mutter brachte ihm Kekse, Nicole und Klaus halfen gelegentlich mit der Recherche, aber insgeheim wusste Nicholas, dass sie nur sehen wollten, wie weit die Verwandlung vorangeschritten war. Natascha verlangte, dass er nun auch wieder mit ihnen aß und in seinem Zimmer schlief, aber bei jedem Essen konnte er die Blicke auf sich spüren, die die pelzige Seite seines Gesichts anstarrten. Das Horn brach er vorsorglich immer ab. Je mehr Zeit verging, umso mehr ergab er sich seinem Schicksal. Sie würden wohl nie ein Gegenmittel finden.

Die Verwandlung war mittlerweile weit vorangeschritten, mehr als die Hälfte von Nicholas’ Körpers war bereits von Fell übersät, dass nun von beiden Seiten sich immer weiter zu seinem Herzen vorarbeitete. Katrin erzählte ihm gerade von ihrem Tag mit den Kindern und was sie heute für Blödsinn angestellt hatten, als Ephraim vor ihnen stand. Er war vor Tagen aufgebrochen, um irgendeine Art Aufzeichnung zu finden, die ihnen weiterhalf. Scheinbar war er fündig geworden, denn er hielt ein sehr alt aussehendes, in Leder gebundenes Buch in den Armen. Er wirkte müde und erschöpft und Katrin bot ihm sogleich ihren Stuhl an und goss ihm eine Tasse frischen Tee ein. Gebannt warteten die beiden darauf, dass der Bibliothekar etwas sagte, doch dieser konzentrierte sich zunächst auf sich selbst und den wohltuenden Tee.
Endlich sah er sie an. Ein leichtes Lächeln huschte über seine Züge. “Vielleicht habe ich unsere Lösung gefunden”, verkündete er mit vorsichtiger Freude.
Katrin drückte Nicholas’ Schultern, dieser sah nur auf das Buch. Emphraim öffnete sorgsam das Lederband, dass die Buchdeckel zusammenhielt. “Ich bin weit in die Vergangenheit gereist”, erzählte er wie beiläufig, “und bin schließlich doch wieder hier gelandet. Nur, dass hier damals noch ganz anders war. Mit meinem damaligen Vorgänger haben wir festgestellt, dass dadurch, dass ich wohl das Buch ins Jetzt geholt habe, wir es bisher nicht finden konnten, denn dies sind die Aufzeichnungen deiner Ur-ur-ur-wie-auch-immer Großmutter, die über das Leben im Dorf und den Krampus geschrieben hat. Wissen, dass wir heute nicht mehr haben. Weil ich es damals weggenommen habe und es nicht wieder zurückbringen kann, weil es sonst ein Paradox geben würde. Zeitreisen.” Er lachte kurz und bitter auf, dann öffnete er das Buch an der mit dem Leseband markierten Stelle. “Huh, sieht so aus, als wenn der Übersetzungszauber nicht für Zeitreise-Bücher gilt…”, stellte er verwundert fest und drehte es zu den beiden um.
Es war in einer Sprache geschrieben, die keiner von ihnen lesen konnte.
“Ich bringe es zu deinem Großvater, vielleicht kann er das noch lesen”, schlug Ephraim vor und Nicholas bestätigte es nur mit einem Nicken.

“Das ist doch großartig! Wir haben endlich einen Hinweis!”, versuchte Katrin Nicholas aufzumuntern nachdem sie sich wieder neben ihn gesetzt hatte und schüttelte ihn leicht an den Schultern.
“Ja, einen Hinweis, den keiner lesen kann und in dem vermutlich auch nur steht: Gefährlich, frisst unartige Kinder, wegsperren.” Er konnte nicht mehr, egal in welchem Buch sie lasen, überall stand das Gleiche.
Katrin zog ihn in eine Umarmung und er ließ es geschehen. Ihre Wärme und Nähe gaben ihm Kraft, die Kälte in seinem Inneren zu verdrängen, aber lange würde auch das das Unvermeidliche nicht mehr aufhalten können.

Nach einer Weile kam Ephraim zurück. Er wirkte noch erschöpfter als zuvor.
“Er kann es auch nicht lesen”, eröffnete er ihnen, nachdem er einen weiteren Stuhl zu ihnen herangezogen und sich gesetzt hatte, das Buch auf seinem Schoß ruhend. “Dafür hatte Klaus eine Vermutung, warum der Zauber es nicht übersetzt”, ergänzte er und die Faszination etwas Neues entdeckt zu haben, glimmte in seinen Augen, “Er meint, weil der Zauber aus der Zeit aus dem das Buch stammt auf eine andere Sprache ausgelegt war, die wir heute nicht mehr kennen, wird es nicht übersetzt, weil der Zauber immer noch denkt, dass wir sie noch kennen. Es klingt auf eine gewisse Art plausibel, aber vielleicht ist es auch nur so etwas Banales wie eine Chiffre, die erst entschlüsselt werden muss. Wer weiß.” Kurz warf er seine Arme in die Luft, dann seufzte er. “Es tut mir Leid, Nicholas. Er sagte mir, da steht alles drin, was wir wissen müssen, dass wir es nicht lesen können ist schrecklich…”
Für einen Moment starrte Nicholas auf das Buch, dann stand er auf und fegte mit einem Arm über den Tisch und schmiss alles was darauf lag zu Boden. Seine Atmung ging schnell und er krallte sich in die Tischplatte. “Nicholas…”, versuchte es Katrin und strich ihm beruhigend über den Rücken, doch er zuckte weg von ihr. Er wusste nicht, ob er sie womöglich verletzen würde.

“Es gibt noch einen anderen Weg eine Übersetzung zu bekommen”, dachte Katrin laut nach, die Arme fest um sich geschlossen, Nicholas Abweisung schmerzte. Als die beiden Männer sie ansahen, fuhr sie fort: “Wenn ich mich richtig erinnere ist einer der Väter meiner Kinder Linguist, wenn das eine alte Version von norwegisch ist, dann wäre es möglich, dass er oder jemand in seinem Bekanntenkreis es übersetzen könnte. Man könnte zur Not auch irgendwelche Historiker oder Archälogen fragen.”
“Das ist gar keine so schlechte Idee…”, stimmte Ephraim ihr zu und fuhr sich übers Kinn. “Ich würde aber ungern das Original herausgeben, aber ein paar Seiten bekommen wir ja leicht gescannt. Ja, so machen wir das!”, beschloss er schließlich und stand auf, um den Plan in die Tat umzusetzen.

“Du meinst wirklich das bringt was?”, fragte Nicholas vorsichtig in seiner immer kratziger werdenden Stimme.
“Ja, einen Versuch ist es wert”, bestätigte sie ihm bestimmt und legte ihm die Hand auf den Arm.

Mit den gescannten Seiten, digital und als Kopie, machte sich Katrin schließlich auf den Weg nach Hause, aber nicht ohne Nicholas noch einmal fest zu umarmen.

Behind the Scenes

Wenn man eine Bibliothek hat von der aus man in jede Bibliothek kommt, die ist und je war, dann hat das so seine Vorteile. 😀 Ursprünglich waren das hier zwei Kapitel, da es aber doch recht kurz ist, habe ich sie zusammengelegt um Platz zu machen für die Aufteilungen weiter vorne.

Was haltet ihr von der Erklärung mit der Übersetzung?

Auf die Idee mit dem Linguisten bin ich übrigens durch InGenius gekommen, der als Germanist einfach jemand ist, der gerne andere Leute mit Sprach-Wissen zutextet. 😉

Eine Sache, die mir wirklich erst einen Tag vor der Veröffentlichung des vorherigen Kapitels aufgefallen ist, hat mit den Rauhnächten zu tun. Von der Zeitlinie her, sind wir noch mittendrin und es passt irgendwie, dass die Krampus-Verwandlung dann einsetzt, wenn auch zauberkundige Leute sich in Werwölfe verwandeln. 😀
Dadurch, dass mir das so spät erst aufgefallen ist, ist aber keine Erwähnung in beiden Kapitelhälften WANN die Verwandlung eingesetzt hat. Daher hier noch kurz vor knapp das Ganze ergänzt – auch wenn der Begriff Rauhnächte in dem Zusammenhang nicht fällt.

PoiSonPaiNter

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