#CroMär: Kapitel 4

Regina hat letzte Woche mit sich gehadert, wird sie tatsächlich in den fragwürdigen Apfel beißen? Wies es weiter mit dem vierten Kapitel des #CroMär, des Crossover Märchens, könnt ihr heute lesen.

Kapitel 4 – Fischige Angelegenheiten

Bevor Regina noch einmal die Zweifel überkommen konnten, biss sie in den Apfel. Er war tatsächlich saftig, sofort tropfte es ihr übers Kinn. Er schmeckte auch nicht schlecht, aber trotzdem… irgendwie falsch. Als wäre es ganzer Apfelkuchen, nicht nur ein Apfel.
Vorsichtshalber nahm sie keinen zweiten Bissen, sondern stapfte zurück zu ihrem Fahrrad und steckte den Apfel in eine der unzähligen Plastikdosen, die ihre Mutter für ihre Oma mitgeben hatte. Der Kuchen wurde dadurch zwar ein Bisschen gedrückt, aber ansonsten verstanden sie sich bestimmt gut. Jedenfalls würde sie erst einmal die Wirkung abwarten. Neuen Code testete man schließlich auch erst einmal Häppchenweise.
Sie kettete das Fahrrad ab, prüfte ihr Handy – das Spiel lief noch, alles gut – und schob das Fahrrad den lästigen Stück des Weges, der zu dicht bewachsen war. Seltsam, dass ausgerechnet hier heute so viele Leute unterwegs waren. Und am seltsamsten war definitiv dieser Förster gewesen. Einen Kuss wollte er. Ihren ersten richtigen mit Wolf, Sandkasten Küsschen zählten da nicht.
In Reginas Magen gurgelte es, der Apfel war an der Arbeit.
Jedenfalls würde sie ihm weder ihren ersten noch sonst einen geben. So ein Unsinn! Der Kerl hatte überhaupt nichts in der Hand, womit er sie zwingen könnte. Und wenn es doch darauf ankäme, dann wäre wenn dann sie diejenige, die hier im Vorteil wäre. Einen Kuss, pah. Wenn das nicht eindeutig unter sexuelle Belästigung fiel!
Die Geräusche aus ihrem Bauch wurden noch unheimlicher. Als würden kleine Blubberblasen in ihr aufsteigen. Und tatsächlich, wenn sie den Mund öffnete, hatte sie sogar das Gefühl, sie würde Marzipangeruch ausatmen. Was das wohl bedeutete?
Erleichtert sah sie, dass der Pfad wieder befahrbar wurde und schwang sich auf den Sattel. Was auch immer mit ihr passierte, es sollte am besten nicht hier unbeobachtet mitten im dichten Wald geschehen, wo man sie erst nach Tagen finden würde. Obwohl sie bei der Besucherfrequenz heute vielleicht wiederum Glück hätte, aber man musste es ja nicht darauf ankommen lassen.
Eine schöne Geschichte war das, jetzt wurde ihr auch noch übel. Was hatte ihr ihre Tante da nur angedreht? Regina trat rascher in die Pedale.

Sie war selten so froh gewesen, selbst einen Schlüssel zur Wohnung ihrer Oma zu haben, wie in diesem Moment. Das Nicht-darauf-warten-müssen, dass die Tür von innen geöffnet wurde, verschaffte ihr wertvolle Sekunden. Sie stürzte zur Tür hinein, mitsamt Schuhen durch den Flur und direkt zum Klo. Dann war alles vorbei.
„Bist du das, Regina?“, kam es aus dem Wohnzimmer, begleitet von gedämpften Gesprächen des Fernsehers.
„Ja“, schniefte sie.
„Was?“
Den Kopf über der Kloschüssel wartete sie noch eine Salve ab. „Ja!“, brüllte sie dann.
„Warum machst du so komische Geräusche?“
Regina verdrehte gedanklich die Augen, hatte praktisch jedoch gerade andere Dinge zu tun. Verdammt, das war doch nicht normal! Und das war nur die Wirkung von einem einzigen Bissen. So bekamen sechs Kilo in einer Woche natürlich einen ganz anderen Beigeschmack. Und so viel stimmte natürlich auch: Sie hatte jetzt definitiv keinen Hunger mehr.
Dann, endlich, war es vorbei. Zittrig kam Regina auf die Füße, spülte erst das Klo, dann den Mund. Noch während sie das Bad verließ, wählte sie bereits die Telefonnummer ihrer Tante.
„Hallo, Susi. Du, dein Apfel ist furchtbar zum Kotzen.“
„Hallöchen Regina. Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Probier ihn doch erst einmal, dann wirst du sehen, dass ich –“
„Ich hab ihn schon gekostet, das ist doch das Problem!“
Reginas Oma lag auf dem Sofa, die Decke bis zur Brust gezogen und winkte Regina mit der Fernbedienung zu. Regina signalisierte ihr, dass sie den Fernseher leiser stellen sollte und diese kam augenblicklich der Bitte nach. Für Skandälchen war sie ganz Ohr, eigene Erkrankung hin oder her. Und am besten wandelte sie die danach gleich in eine kleine, fragwürdige Geschichte um, die sie bei nächster Gelegenheit zum Besten gab.
„Du meinst, er hat zu Erbrechen geführt?“
„Wie der beste Magen-Darm-Infekt.“
„So war das aber nicht gedacht. Die bisherigen Tests an Tieren haben nichts dergleichen ergeben. Es wirkt leicht abführend, das ist richtig, aber von Erbrechen wurde nicht berichtet.“
„Frag sie, welche Tiere es waren“, forderte Reginas Oma.
War ihr Handy so laut, dass sie das hatte mithören können? „Welche Tiere waren es denn?“
„Ratten und Kaninchen, so weit ich weiß. Die Routine eben.“
„Kein Wunder, dass sie nichts festgestellt haben. Die können auch nicht erbrechen“, behauptete ihre Oma.
Regina schirmte das Mikro mit einer Hand ab. „Woher weißt du das denn bitte?“
Ihre Oma deutete vielsagend auf den Fernseher.
„Das stimmt zwar“, hörte Regina Tante Susi in deutlich pikiertem Tonfall sagen (die hatte anscheinend auch viel zu gute Ohren!), „aber du kannst Mama ausrichten, dass Übelkeit bei Ratten sozusagen einen Fressflash verursacht und das hätte wohl kaum zum gewünschten Ergebnis geführt. Das haben zumindest die zuständigen Experten gesagt.“
Das wurde Regina eindeutig zu viel Spekulation. „Egal, was der Grund ist, es war jedenfalls eine Sauerei und du solltest alle anderen Testkandidaten vorwarnen. Ich werde jedenfalls keinen weiteren von diesen Höllendingern essen.“
Und um ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen, legte sie auf.
„Das war aber unhöflich.“
Regina schnauffte nur und ließ sich dann neben ihrer Oma aufs Sofa sinken. Jetzt saßen sie hier und waren beide krank. Und vielleicht, ging ihr verspätet auf, war sie doch etwas zu unhöflich zu ihrer Tante gewesen. Was, wenn diese gar nichts dafür konnte, und stattdessen dieser Polizist etwas an dem Apfel gedreht hatte? Immerhin hatte er ihn sogar in seiner Tasche gehabt!
„Was sollte der Apfel überhaupt bewirken?“, fragte ihre Oma neugierig.
„Er sollte mich abnehmen lassen.“
„Und was sollte er wirklich bewirken?“
Regina ließ den Kopf zurücksinken. Sie fühlte sich zittrig und elend. Sie wollte gar nicht wissen, was ein ganzer Apfel bewirkt hätte. Mindestens Bewusstseinsverlust, so viel stand fest.
„Gibt es da etwa einen jungen Herren?“, neckte ihre Oma.
Was half es da, es zu leugnen? „Er hat mich zum Wunderjunggesellenball eingeladen“, brummte Regina. „Und mir sogar das Kleid gezeigt, in dem er mich am liebsten sehen will.“
„Ich kann dich sehr gut verstehen. Als ich in deinem Alter war…“
Na also, hier kam sie schon, eine ihrer Geschichten. Das hatte ja nicht lange gedauert.
„Da hatte ich, ob du es glaubst oder nicht, auch ein paar Pfunde mehr auf den Rippen. Außerdem gab es da einen Jungen… ach, alle Mädchen der Klasse waren hinter ihm her. Er sah aber auch unverschämt gut aus, mit seinen Grübchen. Und witzig war er! Ich konnte mein Glück kaum fassen, als er mich einlud, beim Frühlingsball seine Begleitung zu sein. Aber es gäbe eine Bedingung, meinte er. Es gäbe einen Kostümwettbewerb und den müssten wir unbedingt gewinnen. Da er schon sein Kostüm ausgewählt hatte und als Wassermann gehen würde, müsste ich meins anpassen und als Meerjungfrau gehen. Mit Fischschwanz und Muschel-BH.“
Regina runzelte die Stirn. Na klar.
„Ich hatte natürlich meine Bedenken“, fuhr ihre Oma fort. „Der enganliegende Fischschwanz würde mich wie eine Leberwurst aussehen lassen und noch dazu bauchfrei… Aber es war mein Schwarm, also verkaufte ich meine Seele und wurde zur Meerjungfrau.“ Sie seufzte melodramatisch. „Was ich jedoch nicht wusste, war, dass der Wettbewerb in Wahrheit eine Wette war und die ging darum, wer seine Begleitung dazu bringen konnte, im absurdesten Aufzug zu erscheinen. Und natürlich hatte er mich ausgewählt, weil er wusste, dass er mit mir das leichteste Spiel haben würde. Tatsächlich getanzt hat er dann den ganzen Abend mit einer anderen.“ Sie klopfte Regina sacht auf den Arm. „Deswegen, meine Liebe, sollte man vorsichtig sein und sich nicht für jemanden verbiegen, nur weil er einem einmal angelächelt hat.“
„Muschel-BH? Schwarm? Aus welcher Telenovela hast du denn diese Geschichte? Die muss ja ganz schrecklich gewesen sein.“
„Aber sie hätte mir so passieren können.“
„Ach, Oma. Ich bin doch keine zehn mehr, ich bin zu alt für Märchen. Du hattest nie Gewichtsprobleme, ich kenn doch die alten Fotos von dir.“
„Es ist doch die Botschaft, die zählt.“
„Eigentlich ist es die Wahrheit, die zählt.“ Regina schälte sich wieder vom Sofa. „Ich hol mal die Sachen rein, die Mama für dich mitgegeben hat, bevor sie noch jemand aus dem Fahrradkorb klaut.“
„Das heißt, du willst trotzdem zum Ball.“
Natürlich wollte sie trotzdem. Es war nun mal nicht irgendjemand, es war Wolf. Und zum Glück würde sie nicht als Meerjungfrau gehen, sondern ein normales Kleid anziehen. Nun ja, mit Glitzersteinen. Und zu viel Ausschnitt. Aber was tat man nicht alles.
„Dann lass wenigstens deine Mutter deine gute Fee sein und das Kleid für dich anpassen“, rief ihr ihre Oma hinterher. „Damit es wenigstens dein Kleid wird und nicht das für eines dieser super skinny Models.“
Wo auch immer sie diesen Begriff schon wieder aufgeschnappt hatte. Regina seufzte. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte auch einfach eine dieser ganz normalen Omas haben, die Tee kochten, Kuchen backten und strickten. Aber diese Fähigkeiten waren irgendwie alle direkt zu ihrer Mutter übergegangen.

Weiter geht’s: Kapitel 5

Hinter den Kulissen

Letztes Jahr hat sie noch mitgerätselt, in diesem Fairy Tale Summer is Anne Danck, die selbst auch an eigenen Märchenadaptionen schreibt, direkt beteiligt. Wer weiß, vielleicht ist sie dann in Auflage 3 mit ihrem eigenen Buch vertreten. 😀

Anne/PoiSonPaiNter

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