Daily Archives: 24. Juni 2021

Schreiberlinge im Interview: Jana Jeworreck

Gerade erst habe ich euch im Rahmen des MĂ€rchensommers ihr neustes Werk vorgestellt, kommt sie nun auch selbst zu Wort und beantwortet meine Interviewfragen zu ihrer Adaption.

Das MĂ€rchensommer Banner zeigt eine Scherenschnitt-Fee, die Glitzer auf den verschnörkelten Schriftzug "MĂ€rchensommer" ĂŒber einem aufgeschlagenen Buch streut. Alles vor einer grĂŒnen Wiese neben einem Baum und Sonnenstrahlen im Hintergrund.

Heute im GesprÀch:

Jana Jeworreck

Ein paar Daten zu dir:

Meine Name ist Jana Jeworreck, ich lebe im Ruhrgebiet, bin Fantasyautorin und habe inzwischen fĂŒnf BĂŒcher im Eigenverlag veröffentlicht. Das erste Buch war „Reise in die Mitte von Mera“, mit einigem Abstand dann die Fantasytrilogie „Dreiland“ und letztes Jahr die MĂ€rchennovelle „Die Töchter des Henkers“. Hinzukommen einige kleinere Sachen, wie ein Kurzgeschichten und GedichtebĂŒchlein und eine Kurzgeschichte in der Anthologie „Schicksal, Schuld und Werden“.

Vorneweg ein paar Fragen zu deinem MĂ€rchen:

1. Welches Element deines MĂ€rchens war am Schwierigsten umzusetzen?

Ich springe bei dieser Frage direkt in den Spoileralert, denn es geht um ein zentrales Element, nĂ€mlich um einen Körpertausch. Ich wusste nicht, wie oft ich fĂŒr den Leser wiederholen musste, dass X im Körper von Y ist. Möglicherweise habe ich es fĂŒr den einen ĂŒbertrieben und fĂŒr den anderen zu wenig klar gemacht. Es war definitiv der schwierigste Teil.

2. Was hat dich bei der Arbeit am MĂ€rchen am meisten zur Verzweiflung gebracht?

Die Geschichte drohte ab der Mitte epischer zu werden, also sich zu einem richtigen Fantasyroman ausdehnen zu wollen und da fiel es mir schwer, mich zurĂŒckzuhalten. Der Weltenbau rumort noch immer in mir. Folgegeschichten sind also nicht ausgeschlossen.

3. Welche Fassung (Film, ErzĂ€hlung, Adaption) deines MĂ€rchens, außer deiner eigenen, magst du am liebsten?

Da ich kein MĂ€rchen adaptiert, sondern ein eigenes erfunden habe, gibt es keine andere Fassung. Der Schwerpunkt meiner Geschichte ist aber etwas, das mir einerseits in MĂ€rchen wichtig ist und zugleich enthĂ€lt es ein Spiel mit den Rollenbildern und Rollenmustern, die mir nicht mehr zeitgemĂ€ĂŸ erschienen.

Also Zauber, Magie, geheimnisvolle Wesen und Natur liebte ich immer im MÀrchen, auch die royalen Machtstrukturen, Schlösser und der Kampf von Arm und Reich, Sieg des Guten etc. Auch das Element der Wandlung und Verwandlung gefiel mir immer sehr.

Mir war aber wichtig, dass das hÀssliche Entlein nicht einfach schön wird, oder das arme MÀdchen eine Prinzessin, ich wollte die Frage nach der IdentitÀt stellen und auch durch zwei gleichwertige Frauenfiguren spiegeln, deren Rollen als Gut und Böse stÀndig wechseln. Muster, die mir zu simpel vorkamen, wollte ich brechen, aber die romantische Stimmung und Verzauberung beibehalten.

4. Ein Film-Mensch kommt auf dich zu und möchte dein MÀrchen umsetzen. Wen siehst du in den Hauptrollen?

Die Töchter wĂ€ren Ruth Wilson als Tonja und Mia Wasikowska als Felia. Der Henker wĂ€re Kristofer Hivju, der Prinz James Norton und der Graf Kid Harrington.  Ich gestehe, das sprengt jedes Budget. Außerdem glaube ich, dass fast alle zu alt fĂŒr die jeweiligen Rollen sind. Aber man darf ja mal trĂ€umen.

5. Was wĂŒnscht du dir fĂŒr die Zukunft deines MĂ€rchens?

Weniger Prinzessinnen mehr Königinnen. Der einscheidende Unterschied ist: Die eine ist von Beruf Tochter. Die andere ist Kanzlerin. Es geht um das Umdenken von Mustern und diese in neuen Heldengeschichten vereinfacht erzÀhlen.

Schauen wir uns deine MĂ€rchenleidenschaft mal etwas genauer an…

6. Was ist deine schönste Erinnerung, wenn es um MÀrchen geht?

Verzauberung. DĂ€umelinchen beispielsweise, das auf einem Blatt von einem Schmetterling gezogen wird und so auf dem Wasser reist. Das hat mich fasziniert und mir als Kind einen völlig anderen Blick auf die Natur gegeben. Jedes Blatt wurde zu einem Boot, jede Blume zu einem Zauberhut und kleinste Tiere ganz groß.

7. Was magst du lieber? Happy End oder Bad End?

Eine Weile dachte ich, ich wĂŒrde ein Bad Ende bevorzugen, glaube aber inzwischen, dass es um positive Ideale geht. Unsere Moral oder Ethik haben sich stark verĂ€ndert, auch weil alte Muster nicht mehr greifen. FĂŒr ein gesellschaftliches Miteinander muss es aber Ideale geben, die erstrebenswert sind. Ein Happy End, was eine „Moral der Geschichte“ passend zu unserer heutigen Zeit gibt, finde ich inzwischen wohltuend und auch wichtig.

8. Was stört/begeistert dich bei MÀrchen am meisten?

Siehe oben, das Prinzessinnen/Königinnen-Beispiel. Wichtig wĂ€re eben auch, dass das Rollenbild des Prinzgemahls auch nichts Ungewöhnliches mehr ist. Aktuell ja schön am Beispiel des verstorbenen Prinz Philip zu erkennen. Weibliche wie mĂ€nnliche Rollenbilder mĂŒssten sich erneuern. NatĂŒrlich muss man sich auch generell fragen, wofĂŒr das Bild der Monarchie im MĂ€rchen ĂŒberhaupt noch steht und welche Geschichten man damit oder abseits davon erzĂ€hlen kann. Mir fĂ€llt es schwer, mich von der romantischen „alten Welt“ zu trennen, aber MĂ€rchenmuster passen natĂŒrlich auch in ein Science Fiction Setting. Wobei ich dann denke, hier fließt die Grenze zur epischen Fantasy, bzw. richtigem Science Fiction.

(weiter bei der nÀchsten Frage)

9. Was ist fĂŒr dich typisch an einem MĂ€rchen?

Typisch fĂŒr MĂ€rchen ist fĂŒr mich, dass es nach gewissen Mustern ablĂ€uft und an mancher Stelle mehr Tell als Show hat. Manches wird eben nicht ausgearbeitet, wie in der epischen Fantasy, sondern nur „zentrale Szenen“. Außerdem gibt es einen starken Symbolismus. Es sind Analogien, Allegorien und Metaphern, die sich durch die Geschichten ziehen und komplexe Sachverhalte vereinfacht darstellen. Man kann sich mit den dahinterliegenden Themen auseinandersetzen oder auch nicht.

Zum Schluss noch ein paar mÀrchenhafte Fragen:

10. Du triffst auf ein sprechendes Tier, das dir weismachen will, dass es ein verzauberter Mensch ist. Was wĂŒrdest du tun?

Ich wĂŒrde ihn/sie/es erst ein wenig prĂŒfen und wenn ich ihm glaubte, dann wĂŒrde ich helfen.

11. Eine gute Fee will dir drei WĂŒnsche erfĂŒllen, was wĂŒrdest du dir wĂŒnschen?

Das weiß ich wirklich nicht. Die Superkraft „GlĂŒck“ in Deadpool 2 fand ich einfach genial. Vielleicht wĂ€re das mein einziger Wunsch und zwei verschenke ich. Aber da ja das Meiste in MĂ€rchen ungeahnte Konsequenzen hat, wĂ€re ich vorsichtig.

12. Welchen MĂ€rchenweg wĂŒrdest du wĂ€hlen um jemanden aus dem Weg zu rĂ€umen?

Das Duell mit Schwertern. Wenn es sich nicht vermeiden lĂ€sst, bin ich fĂŒr ehrliche Konfrontation. Auch wenn es natĂŒrlich verlockend wĂ€re, jemanden mit Zauberei oder Gift zu beseitigen. Meist hat heimtĂŒckiger Mord aber verheerende Konsequenzen.

13. Bonusfrage: Mit welcher MĂ€rchenfigur wĂŒrdest du gerne tauschen?

Ich denke, ich wĂ€re gerne fĂŒr einige Zeit DĂ€umelinchen, könnte in einer Walnussschale schlafen, wĂŒrde auf einem Seerosenblatt von einem Schmetterling ĂŒber Wasser gezogen. Aber am Ende bin ich lieber die Strippenzieherin, die Schreibende.

Mehr zu Jana gibt es hier:

Homepage: Jana Jeworreck
Facebook: Jana Jeworreck
Instagram: jana_jewo
Twitter: @herartis

Vielen Dank, Jana!

Anne/PoiSonPaiNter